Taxifahren in Absurdistan:Umarmung nach dem Schlusspfiff

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Ein enthusiastischer Lazio-Fan in Rom, Drive-In-Nasenhaar-Entfernung in Istanbul und ein werdender Vater in Beirut. SZ-Korrespondenten berichten Kurioses von ihren Taxifahrten in aller Welt.

Taxifahren in ... Rom

(Foto: Foto: dpa)

Im Film "Night on Earth" traktiert ein römischer Taxifahrer einen Priester mit seinen sexuellen Jugendsünden. Im echten römischen Taxileben geht es fast so deftig zu.

Eines Abends steige ich in ein Taxi, aus dem eine Reporterstimme brüllt. Lazio liegt in einem Spiel 1:2 zurück. Der Fahrer brettert den Lungotevere entlang. "Noch zwölf Minuten", schreit er. Da fällt der Ausgleich. Der Fahrer brüllt in sein Handy: "Don Giorgio! Knien Sie sich vor den Altar und beten Sie. Ich rufe Sie an, wenn das Spiel vorbei ist."

Don Giorgio, sein Pfarrer, sei ebenso großer Lazio-Fan wie er selbst, sagt er. Dann rast er weiter. Vor meinem Haus gellt der Schlusspfiff. Der Fahrer fällt mir um den Hals. Lazio hat einen wichtigen Punkt gerettet. In Jarmuschs Film erliegt der Fahrgast einem Herzinfarkt. Ich bekreuzige mich und steige unversehrt aus.

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Taxifahren in ... Istanbul

"Hamsenochneminute?", nuschelte der Taxifahrer. "Dauertnichlang." Dann bog er in die Gasse ein, wo Ismail der Barbier seinen Laden hat. Wir hielten vor der Tür, die an diesem heißen Tag weit geöffnet war. Der Fahrer kurbelte das Fenster runter. "He Meister!", rief er: "Holma' den Apparat un' komm!"

Der Friseur bedeutete ihm auszusteigen. "Jetz' bring schon den Apparat, hopp", rief mein Fahrer. Der Friseur gab dem Lehrjungen ein Zeichen. Der Junge schnappte sich eine Haarschneidemaschine und kam angerannt.

Mein Fahrer schob den Kopf durchs Autofenster. Er reckte dem Lehrling seine Nase entgegen und blähte die Nüstern, die dieser dann ausrasierte. Drive-In-Nasenhaar-Entfernung. Mein Fahrer schnaubte zufrieden und drückte dem Jungen ein paar Münzen in die Hand. Er drehte sich zu mir: "Ging doch zackzack, oder?"

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Taxifahren in ... Suchumi

Es gibt wenige Taxis in Suchumi, es gibt überhaupt von vielem wenig in der Hauptstadt Abchasiens. Nur Ruinen gibt es reichlich in diesem sterbenden Monaco, Monumente besserer Zeiten, als hier noch Stalin und sein Schlächter Berija kurten.

Taxis aber sind rar, und so fährt man gelegentlich mit dem abchasischen Militär. Ah, Deutschland, interessant!, sagt der Fahrer. Da habe er mal eine Frage: Wie gehe es denn dem Faschismus? - Äh, nicht besonders. - Ach. Seit wann das? - Seit etwa 63 Jahren. - Er wirkt unzufrieden: Aber wie stehe beispielsweise Berlin zum Faschismus? - Berlin hat dafür wenig übrig. - Er gibt nicht auf: Aber Bonn und der Faschismus? Bonn und Berlin, das sei doch ein besonderes Verhältnis, mit der Mauer?

Dann lenkt er seinen Uasik, den alten russischen Armee-Jeep, sanft in die Kurve für eine weitere Runde in der Zeitschleife.

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Taxifahren in ... Beirut

Die Libanesen hatten den Beiruter Flughafen gesperrt, um sich ungestört die Köpfe einschlagen zu können. Der einzige Weg führte von Amman quer durch Syrien, im Taxi.

Mit an Bord war Hani: Ein Libanese, der in Dubai lebt, dessen Mutter Ägypterin ist, der ... und so fort. Hani plapperte ununterbrochen, erklärte die Vorzüge des iPhones, die Schönheit des Tiefseetauchens und die Widrigkeiten des Dubaier Finanzsystems.

Irgendwann aber wurde er sehr still und hörte in sein Telefon hinein: Hani war gerade Vater geworden, das erste Mal. Eine Tochter, 3,5 Kilo, gesund. Natürlich, sagte Hani, habe er rechtzeitig nach Beirut fliegen wollen. Aber der Airport sei eben zu.

Geredet habe er so viel, weil er so nervös gewesen sei. Er habe uns aber nicht behelligen wollen. Wir haben ihn dann tief in der Nacht am Krankenhaus in Beirut abgesetzt.

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