Reisefotografie:Geburt und Tod von Chinas Städten

Kai Caemmerer fotografiert Retorten-Metropolen, in denen noch niemand lebt. Graham Fink dokumentiert alte Viertel in Shanghai vor ihrem Abriss. Eine Konfrontation.

Von Katja Schnitzler

20 Bilder

Kai Caemmerer Unborn Cities

Quelle: Kai Caemmerer / www.kaimichael.com

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Oft wandert der us-amerikanische Fotograf Kai Caemmerer allein durch die menschgemachten Schluchten in Chinas neuen Reißbrettmetropolen. Denn Menschen sind noch nicht da. "Es sind aber keine Geisterstädte", betont Caemmerer, auch wenn ihm dort manchmal durchaus unheimlich zumute war. Er sieht sie als "Unborn Cities", ungeborene Städte, deren wahres Leben erst mit dem Einzug beginnt.

Graham Fink "Ballads of Shanghai"

Quelle: Graham Fink

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Der britische Künstlers Graham Fink hingegen fotografiert traditionelle Viertel in Shanghai, die gerade erst niedergerissen wurden, um neue, höhere, modernere und für die Mieter teurere Wohnhäuser errichten zu können. Zwischen Ruinen und Trümmern sucht Fink nach Spuren des menschlichen Lebens, das von dort weichen musste.

Graham Fink: "Big dreams"

Kai Caemmerer Unborn Cities

Quelle: Kai Caemmerer / www.kaimichael.com

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Der wachsende Bedarf an Wohnraum und Bürotürmen ist auch der Grund, weshalb in der Peripherie bestehender Städte binnen weniger Jahre immer neue Retortenstädte emporgezogen werden. Nicht die künftigen Einwohner prägen das Stadtbild, sondern Architekten. Die errichteten Häuser wirken daher wie riesige Modelle. "Ich hatte das Gefühl, ich laufe in die Zukunft", meint Kai Caemmerer.

Graham Fink "Ballads of Shanghai"

Quelle: Graham Fink

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Für den vermeintlichen Fortschritt verlieren chinesische Städte wie Shanghai ihr Gesicht. Das Viertel aus der Kindheit gibt es schon lange nicht mehr, ebenso wenig wie das Viertel, in dem man ein paar Jahre zuvor noch gelebt hat. Seit fünf Jahren verfolgt Graham Fink diese Entwicklung mit der Kamera.

Graham Fink: "Face off"

Kai Caemmerer Unborn Cities

Quelle: Kai Caemmerer / www.kaimichael.com

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Die schöne neue Welt vom Reißbrett macht den Besucher ratlos und verloren: In gewachsenen Städten wisse man anhand der Architektur, wann welche Viertel erbaut wurden, sagt Kai Caemmerer. In der Retortenstadt fehlen die zeitlichen Ankerpunkte, alle Grundsteine wurden erst wenige Jahre zuvor gelegt.

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Quelle: Graham Fink

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Auch in Graham Finks "Ballads of Shanghai" hat man die Zukunft vor Augen, für die das Vergangene weichen muss. Noch hängen ein paar Tücher zum Trocknen da, während im Hintergrund der Schutt des alten Lebens weggekarrt wird.

Graham Fink: "You've been framed"

Kai Caemmerer Unborn Cities

Quelle: Kai Caemmerer / www.kaimichael.com

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Kai Caemmerer verrät nicht, wo er welches Motiv aufgenommen hat, nur dass er vor allem in diesen drei neuen Städten unterwegs war: der "Kangbashi New Area" in Ordos, dem "Meixi See Bauprojekt" nahe Changsha und dem neuen Finanzdistrikt Yujiapu nahe der Hafenstadt Tianjin. Denn Caemmerer geht es weniger darum, konkrete Orte abzubilden, als den Schwebezustand: "Hier warten Städte auf ihre Zukunft als Metropolen."

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Quelle: Graham Fink

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Nicht das Warten auf Neues, sondern der rapide Wandel fasziniert Graham Fink: In einem Viertel entdeckt er ein Siegeshandzeichen an der Wand, von vielen inzwischen als Friedenszeichen gebraucht. Davor türmt sich der Schutt, und auch das Graffiti wird bald in Trümmern liegen. Zwischen den neuen Hochhäusern kann man sich Wandgemälde wie diese eher nicht vorstellen.

Graham Fink: "Peace amongst the pieces"

Kai Caemmerer Unborn Cities

Quelle: Kai Caemmerer / www.kaimichael.com

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Auf dem Weg zu den Satellitenstädten lässt Kai Caemmerer das Alltagsleben hinter sich: Immer weniger Menschen sind auf der Straße, es gibt auch keine Läden oder Restaurants mehr. Und wenn die Arbeiter die gigantischen Baustellen verlassen haben, ist Caemmerer nur mit sich.

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Quelle: Graham Fink

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In den Abrissvierteln Shanghais wird die Vergangenheit ausgelöscht - so wie dieses kommunistische Propagandabild. Graham Fink sieht das nicht nur negative Auswirkungen, schließlich entstehe so auch Raum für Neues.

Graham Fink: "Mao was here"

Kai Caemmerer Unborn Cities

Quelle: Kai Caemmerer / www.kaimichael.com

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In den "Unborn Cities" hingegen wirkt es, als sei nicht nur die Zukunft längst eingetroffen, sondern auch das ein oder andere Raumschiff.

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Quelle: Graham Fink

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Ob in den neuen oder in den niedergerissenen alten Vierteln: Die Natur hat hier keinen Platz, außer ...

Graham Fink: "Twitter"

Kai Caemmerer Unborn Cities

Quelle: Kai Caemmerer / www.kaimichael.com

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... sie ordnet sich der strengen Geometrie der modernen Städte unter.

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Quelle: Graham Fink

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Das neue Gesicht der Stadt soll makellos sein bis zur Irritation, das alte verschwindet.

Graham Fink: "Girl on the roof"

Kai Caemmerer Unborn Cities

Quelle: Kai Caemmerer / www.kaimichael.com

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Umso spannender wird es, diese Retortenstädte wieder zu besuchen, wenn tatsächlich Leben eingezogen ist und die Bürger begonnen haben, ihr Viertel zu prägen: Bleibt es wirklich so glatt und kalt?

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Quelle: Graham Fink

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Oder lassen sich die chinesischen Bürger gar nicht mehr auf ihre neue Stadt ein? Schließlich haben sie aus dem Niederreißen der alten Quartiere gelernt: Nichts ist für ewig.

Graham Fink: "Meeting abandoned"

Kai Caemmerer Unborn Cities

Quelle: Kai Caemmerer / www.kaimichael.com

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Weder die modernen Wohnwaben ...

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Quelle: Graham Fink

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... noch die Idole, deren Bilder Kinderzimmer und Produkte zierten.

Graham Fink: "Jay"

Kai Caemmerer Unborn Cities

Quelle: Kai Caemmerer / www.kaimichael.com

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Kai Caemmerer: "Unborn Cities", kaimichael.com, instagram.com/kaicaemmerer

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Quelle: Graham Fink

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Graham Fink: "Ballads of Shanghai", grahamfink.com, instagram.com/graham_fink/

© SZ.de/sks/lala
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