Reisekolumne "Mitten in ...":Als das Baby-Schwein vom Weg abkommt ...

... dauert es Jahre, bis die Münchner U-Bahn zum Happy-End verhelfen kann. In Barcelonas Kneipen dagegen ändern sich die Dinge schnell - ein bisschen.

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(Foto: Marc Herold)

Mitten in ... München Plötzlich war es weg, das Baby-Schwein. Für die großen Menschen war das nicht weiter tragisch, manchmal geht im Leben eben etwas verloren. Aber für den kleinen Menschen sah die Sache völlig anders aus: In seinem Leben gab es nur ein Baby-Schwein, so ein Lieblingskuscheltier lässt sich nicht einfach ersetzen. Da kann nicht mal die Oma trösten, die dem Bub erzählt, dass das Schwein unterwegs wohl neue Freunde gefunden hat. Zwei Jahre später, das Tier weiter unvergessen, sieht die Mutter auf Facebook ein Foto der Münchner Verkehrsgesellschaft mit der Frage "Wer vermisst ein Kuscheltier?". Auf dem Bild: ein Regal im Fundbüro voller Bären, Hasen, Hunden, Eulen. Dazwischen sitzt das Baby-Schwein, es grinst. Ob es am Ende wirklich das verlorene Schwein war? Völlig egal: Die Freude nach dem Kindergarten ist riesig und die Sau wieder im Stall. Julia Rothhaas SZ vom 16. Februar 2018

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Mitten in ... Barcelona Wu Lingling betreibt in Barcelonas Geschäftsviertel, der Eixample, ein Lokal, das heißt auf gut Katalanisch L'Estranya Parella, das fremde Paar. Dabei handelt es sich um Wu Lingling und ihren Mann aus China. Das Lokal ist eine der typischen Eckkneipen, in denen traditionell deftiger Mittagstisch serviert wurde: Bauarbeiterportionen katalanischer Gerichte wie Escalivada (gegrilltes Gemüse), Butifarra (Bratwurst) oder Pollastre (Brathuhn). Dass chinesische Wirte die "Bares de toda la vida" übernehmen, jene Kneipen, denen man ein Leben lang treu bleibt, ist ein Trend in Spanien. Das kann man als Kulturbruch bezeichnen, man kann aber auch locker bleiben und bei Wu Lingling einkehren. Denn sie serviert - wie viele chinesische Neu-Wirte - nicht etwa Peking-Ente, sondern: Escalivada, Butifarra und Pollastre. So, als wäre nichts gewesen. Sebastian Schoepp SZ vom 16. Februar 2018

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Mitten in ... Berlin Ist das nicht fantastisch, dass jetzt sogar die Toiletten in Berliner Kaufhäusern das Sauberkeitsniveau von Schweizer Wellnesshotels erreichen? Da wirft man doch gern schnell mal 'nen Euro ein, eine persönliche Ansprache gibt's gleich dazu: "Herzlich willkommen in unserem Bla-Bla-Bla-Waschraum, wir hoffen, Sie fühlen sich bei uns wohl." Wie nett! Nur: Die freundliche Frauenstimme hört gar nicht mehr auf. "Herzlich willkommen in unserem Bla-Bla-Bla-Waschraum, wir hoffen, Sie fühlen sich ..." Inzwischen: nicht mehr ganz so wohl. Man hätte einfach gern mal einen Moment der Ruhe. "Herzlich willkommen in unserem ..." In der blitzsauberen Toilettentür spiegelt sich ein gequältes Ebenbild. "... fühlen sich bei uns wohl ..." Kurzes Luftschnappen. "Herzlich ..." Bla, bla, bläh. Bitte, liebe Hygienemanager, habt Erbarmen! Christian Mayer SZ vom 16. Februar 2018

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Mitten in ... Cuxhaven Ein Schneeschauer ist niedergegangen. Feuchte Kälte liegt über dem Deich. Auf dem Kopfsteinpflaster bei den Seeterrassen sind im Halbdunkeln zwei ineinander verkeilte Gestalten zu erkennen: eine Dogge und eine Frau. Die Frau ist nicht viel größer als der Hund. Sie hat seinen Hinterkörper umschlungen, um ihm Halt zu geben. Die Dogge selbst blickt mit stummer Verzweiflung ins Winter-Einerlei. Was ist los? "Er rutscht immer aus", sagt die Frau. Der Hund bräuchte Schuhe mit Spikes. Oder Wollsocken. Nichts davon ist greifbar. Dogge und Frau stehen wacklig auf der Stelle. Sie sehen aus wie ein Tanzpaar, das vergeblich auf die nächste Musik wartet. Es ist ein traurig-lustiges Bild. "Zuschauer brauchen wir eigentlich nicht", sagt die Frau. Der Voyeur fühlt sich ertappt. Er geht weiter. Langsam, damit er nicht selbst ausrutscht. Thomas Hahn SZ vom 9. Februar 2018

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Mitten in ... Peking Alle Chinesen sehen gleich aus. Oder? Hier ist ein beliebtes Vorurteil der Chinesen über Nicht-Asiaten: Alle Westler sehen gleich aus. Stimmt gar nicht? Eben. Andere Klischees stimmen aber schon. Beispiel: Die erfolgreichsten Kulturexporte des Westens nach China sind nicht iPhone und Pizza, sondern Kenny G und Richard Clayderman. Gestern, in einem Laden: ein Clayderman-Poster. Wow - lebt der noch? Tut er. Tourt gerade durch China. "Romantik und Glorie" versprach das Poster. Die Kassiererin starrte mich an, dann den weißblonden, leicht zerknitterten Engel Richard Clayderman, dann wieder mich. "Ja?", sagte ich. "Der sieht haargenau so aus wie du!", platzte es aus ihr heraus. Ich wäre beinah vom Stuhl gefallen, aber ich stand. "Ha?!?", rief ich. Richard Clayderman ähnelt mir in etwa so, wie er Angela Merkel ähnelt. Moment mal. Kai Strittmatter SZ vom 9. Februar 2018

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Mitten in ... Kono Man weiß schon, dass das ein Fehler ist, als man noch nicht einmal richtig auf dem Motorrad sitzt. Der Fahrer gibt Gas, die Straße ganz im Osten von Sierra Leone wird immer schmaler und ist dann nur noch ein dünner, brauner Strich, der durch den Wald führt. Das chinesische Motorrad hüpft über Felsen und schwimmt durch Bäche, es geht so steil herunter und hinauf, dass der Motor immer wieder abstirbt und man vom Sitz hechten muss. "Sehr gefährlich alles", schreit der Fahrer, für den Fall, dass das seinem Beifahrer entgangen sein könnte. Er nimmt eine Hand vom Lenker, um zu zeigen, wo es vor wenigen Tagen einen tödlichen Unfall gab. Dann gibt er wieder Gas und brüllt durch den Fahrtwind: "Aber wir können sowieso nichts machen, Gott hat es in der Hand, wann es für uns zu Ende ist." Helme sind daher ohnehin überflüssig. Bernd Dörries​ SZ vom 9. Februar 2018

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Mitten in ... Bad Harzburg Gerade erst hatten sich zwei Anfänger verlaufen. Es wurde Nacht und kalt, die Bergnotrettung musste sie orten und befreien, bis zur Hüfte waren sie in den Schnee eingesunken. Die Wirtin in Ilsenburg erzählt das Unglück genießerisch wie ein böses Märchen aus dem Harz. Mitten im Winter, bei dem Schnee, auf den Berg? Kann sie nicht verstehen. Am nächsten Morgen also hinauf zum Brocken. Zwei Stunden bis zur Schneegrenze und weiter. Immer weißer wird die Welt ringsumher, und der Nebel rollt. Auf dem Gipfel grell die Sonne, alles blau und Licht. Jetzt müsste ein Selfie her, Wanderer überm Nebelmeer. Der Wanderer aber muss wieder hinab: In Sekunden schlägt das Wetter um, Nacht wird's am Tag, der Wind dazu, jetzt bloß nicht im Schnee den Weg verlieren! Nach Stunden glücklich gerettet durch die strahlenden Lichter Bad Harzburgs. Willi Winkler SZ vom 2. Februar 2018

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Mitten in ... Freetown Am Flughafen in Nairobi steht eine nigelnagelneue Boeing, beim Einsteigen stöhnt eine Frau mit Louis-Vuitton-Handtasche: Wenn das mal gut geht. Bei der Zwischenlandung in Accra klagt sie über unerträgliche Hitze, am Ankunftsort ist es ihr schließlich zu kalt. Als man den Steg zum Flughafentaxi hinunterläuft, das in diesem Fall ein Boot ist, schreit sie, das ganze würde ja gleich zusammenkrachen. Die Bootsfahrt unterbricht sie mit der Frage, ob der Kapitän denn überhaupt wisse, wo er hin müsse. Als die Fischer im Sonnenuntergang ihre Netze einholen, sieht sie aus der Distanz, dass der Fang miserabel sei. Als man am Horizont langsam die Umrisse von Freetown erkennt, sagt die Dame, sie habe gar nicht gewusst, dass es dort mehrstöckige Häuser gibt. Wo sie denn her komme, fragt man sie schließlich: "Aus Tansania", sagt sie. Bernd Dörries SZ vom 2. Februar 2018

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Mitten in ... Rio de Janeiro Irgendwann zwischen Weihnachten und Karneval lagen die Briefwahlunterlagen für die Bundestagswahl dann doch im Briefkasten. Klar, zwei Stimmen aus Rio hätten das Nachwahlchaos in Deutschland wohl auch nicht verhindert. Aber so darf man als Demokrat nicht denken, jede Stimme zählt. Letztlich hat also auch die brasilianische Post mit ihrer legendären Schluderei einen kleinen Anteil am Rückzieherlindner und am Wendehalsschulz. Irgendwo in der zentralen Poststelle von Rio dürften auch noch mehrere Geburtstagspakete, Schoko-Osterhasen und Gehaltsabrechnungen aus Übersee festhängen. Alles, was man über Brasiliens Post wissen muss, steht im Slogan ihres Expressdienstes Sedex. "Mandou, chegou", lauter er. Abgeschickt und sogar angekommen. Für manche eine große Selbstverständlichkeit, für andere ein kleines Wunder. Boris Herrmann SZ vom 2. Februar 2018

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Mitten in ... Rio de Janeiro Was reparieren wollen, Gips gekauft. Und erst zu Hause gesehen: Da steht ja ein Bibelspruch auf der Packung! "Exaltar-te-ei, ó Senhor, pois Tu me levantaste", Psalm 30. In Luthers Übersetzung: "Ich preise dich, Herr; denn du hast mich aus der Tiefe gezogen." Sicherlich, Brasilien ist das Land mit den meisten Katholiken und den einflussreichsten Evangelikalen weltweit. Da gewöhnt man sich an einiges. An betende Drogendealer, an einen ehemaligen Exorzisten im Rathaus von Rio, an christliche Surfschulen (Slogan: "Brett am Fuß, Bibel in der Hand"). Aber religiöse Spachtelmasse? Jesus-Mörtel? Das ragt doch recht weit in den weltlichen Akt der Anbringung einer Vorhangstange hinein. Andererseits: Du hast mich aus der Tiefe gezogen - vielleicht muss man das als Gleichnis sehen, auf alle, die von der Leiter gefallen und wieder hochgeklettert sind. Ende der Gardinenpredigt. Boris Herrmann SZ vom 19. Januar 2018

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Mitten in ... Bitterfeld Die ältere Dame hat es sich gemütlich gemacht im ICE 1515. Sie schläft tief und fest, der Kopf ist leicht zur Seite geneigt, der Atem geht schwer. Selbst als der Zug in den Bahnhof einrollt und der Zugbegleiter noch einmal seine Durchsage wiederholt, dass man nun Bitterfeld erreicht habe, döst sie noch immer. Der ICE steht schon eine ganze Weile, da erst wird sie wach und sucht langsam Mantel und Schal zusammen. "Wollen Sie noch aussteigen?", fragen die beiden Herren im Abteil. "Wenn ich's noch schaffe", antwortet sie. "Falls nicht, fahr' ich halt bis Leipzig und dann wieder zurück." Die zwei Mitfahrer werden hektisch. "Ja, sagen Sie doch was", rufen sie. Der eine eilt zur Tür, der andere schnappt sich ihren Koffer. Als die Dame draußen ist, sinken die Männer in ihre Sitze. "Wow", sagt der, der zur Tür geeilt war. "Relaxte Power-Userin." Marco Völklein SZ vom 19. Januar 2018

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Mitten in ... Brüssel An der Place Flagey gibt es am Wochenende einen Obststand, bei dem man sich locker sattessen kann. Frisch aufgeschnittene Mangos, Orangen und Ananas liegen bereit zum Probieren. Das ist eine feine Sache, schließlich weiß man nie, ob die Frucht wirklich so gut schmeckt, wie sie aussieht. Doch so mancher hier scheint eher zum Frühstücken gekommen zu sein als mit der Absicht, Papayas zu kaufen. Jedenfalls probieren sich nicht nur Kinder fröhlich durch. Die Verkäufer nehmen es gelassen. So weit, so üblich. Doch als dann ein Mann ganz beiläufig erst Weintrauben und dann eine Mango in seine Plastiktüte fallen lässt, um dann recht schnell zu verschwinden, schmunzelt der Verkäufer nur. Warum er nichts sagt? "Ach, es gibt doch genug ehrliche Kunden", meint er und lächelt einen an. "Macht sieben Euro, bitte." Alexander Mühlauer SZ vom 19. Januar 2018

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(Foto: Marc Herold)

Mitten in ... München An der roten Ampel tritt ein Mann näher, Anfang 30, leicht verschlissene Jacke. Ob man mal 50 Cent habe? Klar. Und ob man auch eine, nein, besser zwei Zigaretten habe und Feuer? Logisch. "Ein wahrer Altruist", sagt er. Man freut sich und bekommt nach kurzem Verweis darauf, dass das Feuerzeug durchaus in eine Jackentasche gehöre, nicht aber in seine, dieses auch wieder zurück. Gerade will man weiter, da setzt der Mann noch mal an: "Wobei es Altruismus ja eigentlich gar nicht gibt!" Es folgt ein Namedropping nahezu aller Moralphilosophen der Neuzeit, an dessen Ende man glaubt, verstanden zu haben, dass Menschen nur helfen, damit sie sich selbst besser fühlen. Artig dankt man also dafür, dass der Mann es einem durch sein Anliegen ermöglicht hat, sich selbst etwas Gutes zu tun. "Gerne doch", sagt er freundlich und zieht davon. Jan Schwenkenbecher SZ vom 12. Januar 2018

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(Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Moskau Dann und wann gewähren uns die Datenkraken einen winzigen Einblick in ihren Octopus's Garden. Dann zeigt etwa Facebook, was es für die Höhepunkte in unserem Leben hält: Das Foto von der verbrannten Pizza im Italien-Urlaub, die neue Freundschaft mit dem nervigen Abteilungsleiter. Der russische Internetkonzern Yandex hat diesen Trend jetzt auf seine Taxi-App übertragen. 87 Fahrten habe ich zurückgelegt, 841 Kilometer insgesamt, lässt die App mich wissen. Dazu eine sanfte Rüge: 2,4 Minuten hätten die Fahrer im Schnitt auf mich warten müssen: "Du warst nicht besonders in Eile." Was? Alles in allem charakterisiert mich die App als "schwarzen Panther": "Er lauert lange in Deckung und schlägt dann zu: schnell, anmutig, effektiv." Na gut, wenn sich das aus der Taxi-Nutzung herauslesen lässt. Basiert ja auf harten Daten. Julian Hans SZ vom 12. Januar 2018

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(Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Innsbruck Diese grünen Fernbusse sind im Grunde eine tolle Sache. Innsbruck - München acht Euro, das muss ihnen erst mal einer nachmachen. Nur leider entpuppen sich auch die ebenso grün gekleideten Busfahrer oft als Sparversion in Sachen Kundenorientierung. Müssen ja auch alles erledigen, die armen Kerle: Tickets prüfen, Gepäck verstauen, Bus lenken. Eine kleine, zierliche Dame stellt vorm Einsteigen ihren sehr großen Koffer vor den Laderaum. Der Busfahrer prüft erst ihren österreichischen Ausweis, murrt ein paar Worte, lädt den Koffer ein. Ein nicht so zierlicher Mann mit langem Bart, offensichtlich kein Mitteleuropäer, stellt seinen wirklich riesigen Koffer ebenfalls vor den Laderaum. "Einladen", knurrt der Busfahrer. Ob er nicht helfen könne? "It's not my job." Merke: Die FPÖ sitzt inzwischen wirklich überall. Und manchmal trägt sie sogar Grün. Dominik Prantl SZ vom 12. Januar 2018

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(Foto: SZ-Zeichnung: Marc Herold)

Mitten in ... Braunfels Neulich war wieder Wurstfest in New Braunfels, einer 1845 von Deutschen gegründeten Stadt im Süden von Texas. Es ist eines der bekanntesten deutschen Feste in den USA - auch wenn die Amerikaner deutsches Brauchtum doch sehr eigenwillig interpretieren. Zwei Paulaner-Helle heißen hier zum Beispiel "two cups of Paul". Ausgeschenkt werden sie im 0,33 Liter Plastikbecher für sieben Dollar (was einen Maßpreis von 21 Dollar ergeben würde). Zu essen gibt es "Kraut-N-Taschen", "Tasty German Gyro", "Wurst Taco spicy" und "the German Pizza". Vor der Blaskapelle tanzen Texaner mit Westernstiefel und Cowboyhut zum Bayerischen Defiliermarsch. Zugegeben: Das alles ist relativ weit vom Original entfernt, aber spätestens wenn "In München steht ein Hofbräuhaus" ertönt, ist einer Exil-Bayerin eine ordentliche Portion Heimweh garantiert. Beate Wild SZ vom 5. Januar 2018

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(Foto: SZ-Zeichnung: Marc Herold)

Mitten in ... Krabi Das neue Jahr war zwölf Stunden alt und ich hatte noch immer keinen vorzeigbaren Vorsatz. "Oooh", machte der Masseur, ein schmächtiger Thai, als ich die Kleider ablegte. Und dann "Hihi", als er begann, meinen Rücken abzutasten. "You eat to much". Erwischt, dachte ich. Jetzt lugte seine Frau hinterm Vorhang hervor. "Fat!" krähte sie begeistert. Hallo!?, dachte ich, fett ist jetzt doch ein wenig übertrieben. "Big! Big!" dröhnte der Masseur, während er mich knetete. "Hoho", stimmte die Frau ein und ahmte dabei die tiefe Stimme eines großen Mannes nach: "Very strong!" Sie und ihr Mann verschluckten sich nun fast vor Lachen. Ich verließ die beiden bar meiner Würde, aber reicher um einen Vorsatz: Nie wieder würde ich die Hilfe Anderer suchen beim Neujahrsvorsatz, schon gar nicht, wenn sie die Hälfte von mir wiegen. Kai Strittmatter SZ vom 5. Januar 2018

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(Foto: SZ-Zeichnung: Marc Herold)

Mitten in ... Garmisch-Partenkirchen Man gewöhnt sich schön langsam daran, dass sich das Kind furchtbar schnell daran gewöhnt: ans Handy. Dass die Tochter etwa direkt am Fernsehbildschirm das Programm weiterwischen wollte. Dass sie, bevor sie Ziffern kannte, schon Iphone-Codes korrekt eintippte. Dass sie später dem Papa erklärte, ihr Spielzeughandy starte nur noch mithilfe ihres Fingerabdrucks. Das Kind muss mal an die frische Luft!, heißt es zu Recht. Aber als man nach der Wanderung ins Wirtshaus einkehrt, sitzt man doch wieder in der Zeitgeisterbahn: Die Vierjährige bekommt nach dem Essen einen Süßigkeiten-Klassiker geschenkt, und sie bedankt sich fürs "Handy an der Stange". So teilen sich Eltern und Tochter eine Kindheitserinnerung, abgespeichert indes unter verschiedenen Namen: Was uns einst der Traubenzucker-Lutscher war, ist ihr nun der essbare Selfie-Stick. Martin Wittmann SZ vom 5. Januar 2017

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(Foto: Marc Herold)

Mitten in ... München Es gibt kaum ein bekannteres Filmkostüm als die weiße Rüstung der Sturmtruppen in der "Krieg der Sterne"-Reihe. Es gibt aber auch kaum ein nutzloseres. Die Rüstung, 18-teilig und aus Plastoidkomposit bestehend, hat in den Filmen noch keinem einzigen Laserschuss wirklich standgehalten. Der Beliebtheit schadet das nicht, wer sich den jüngsten Teil, "Die letzten Jedi", ansieht, tut dies oft in Gesellschaft von aufwendig gerüsteten Fans. Mit einer Selbstsicherheit, als wäre das Multiplex der Todesstern, marschieren die weißen Soldaten in den Saal ein. 152 Minuten später, der Film ist der längste der Saga, stehen die Kostümierten vor dem Kino. Gequälter noch als Prinzessin Leia in den Fängen von Jabba wirken sie. Geklagt wird über die Rüstung, aber nicht über deren Durchlässigkeit. Im Gegenteil: "Ich muss so dringend aufs Klo." Martin Wittmann SZ vom 29. Dezember 2017

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(Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Berlin Man soll keine Vorurteile haben, auch nicht über Berlin. Aber wenn sie halt stimmen? Am Ostkreuz in die Ring- S-Bahn umgestiegen und ein Telefonat geführt. Am Ostbahnhof aufgeblickt und gestaunt, warum man plötzlich der einzige Mensch ist, in diesem langen, riesigen Zug. Vorsichtshalber zur Tür gegangen, doch sie ging nicht mehr auf. Die Lautsprecherstimme gehört: "Abfahrt zum Depot." 21 Uhr, draußen alles dunkel, und mit der Abfahrt auch Ende der Innenbeleuchtung. Nach drei, vier Minuten angehalten, irgendwo. Links nur Gleise, rechts nur Gleise. Aber der Lokführer, der seinen Zug entlangläuft! Wie wild gegen die Scheibe geklopft. Vom Lokführer gesehen worden. Der Mann hob die Arme, schaute einen an, zuckte mit den Schultern und ging seines Wegs. Die 110 angerufen. Die funktioniert und hilft, auch in Berlin. Detlef Esslinger SZ vom 29. Dezember 2017

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(Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Rom In Rom ist Parken eine Plage - und eine Wissenschaft. Neben den weißen und blauen Parkplätzen in knapper Zahl gibt es viele graue Plätzchen: eigentlich verboten, aber geduldet. Die Polizei ist großzügig, weil sie um den chronischen Mangel an legalen Parkmöglichkeiten weiß. Es gibt diese Plätze sogar auf Gehsteigen, da und dort auch mitten auf der Straße. Kürzlich parkte ich mal wieder unter der Verbotstafel vor einer entweihten Kirche bei uns im Viertel. Doof natürlich, dunkelgrau. Aber was soll man machen, wenn alle, gar alle ordentlichen Plätze schon weg sind? Als ich wieder wegfahren will, stehen da zwei Stadtpolizisten mit Notizbüchlein. Wir grüßen uns freundlich, ich schließe den Wagen auf. Die Beamtin zeigt auf die Verbotstafel. Ich sage: "Ich weiß schon, ich wohne hier." Sie, lächelnd: "Ja dann, schönen Tag!" Süße Grauzone. Oliver Meiler SZ vom 29. Dezember 2017

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