Mitten in Absurdistan:Das gibt's ja gar nicht!

Eine Sitzgelegenheit aus Paletten-Brettern, ausrangierte Filmstars in der Nachbarschaft und der Fluch der Technik im Alltag:

Kurioses aus aller Welt

24 Bilder

-

Quelle: SZ

1 / 24

Mitten in ... Berlin

Amar Zia hat einen kleinen Supermarkt im Wedding. Die Straße bebt im Verkehr, das eigene Wort versteht man nicht. Zia steht da, nass vom Schweiß. Kunden balancieren um Bohrer und Sägen herum. "Seht her!", ruft Zia und lacht. Zwei Tage hat er gearbeitet, um aus fünf Holzpaletten eine Bank zu bauen. Eine Bank? Sowas kann man doch kaufen, Herr Zia. "Sowas nicht", sagt er, "und sowas kann man auch nicht klauen".

Drei Bänke hatte er schon im Baumarkt besorgt, um sie vor den Laden zu stellen. Alle drei schloss er an des nachts, und doch wurden sie gestohlen. Nun hat er die Sache durch Gewicht gelöst. Um diese Bank zu bewegen, braucht es vier sehr kräftige Männer. Aus der Schwüle des Ladens tritt eine ältere Dame, Zias Mutter. Der Sohn legt voll Stolz Kissen auf das splittrige Holz. Er sagt: "Eigentlich hab' ich es für sie gemacht."

Renate Meinhof, SZ vom 27./28.8.2011

The chief mason at Washington's National Cathedral attempts to piece together the fallen pieces from a stone spire that collapsed during an earthquake

Quelle: REUTERS

2 / 24

Mitten in ... Washington

Unser Nachbar Larry blieb cool. "Das war doch harmlos", tönte er, als wir uns in Washingtons Mittagssonne auf der Straße trafen. Nach dem Ostküsten-Big-Bang. Larry hat lange in Kalifornien gelebt und wusste sofort, dass dieses dumpfe Grollen, dass dieses zunehmende Rumpeln, das unser Haus wackeln ließ, kein schwerer Laster war, der sich in unsere Straße verirrt hatte. Er war - in aller Ruhe, wie er sagt - von seinem Computer aufgestanden und ins Treppenhaus gegangen.

"Du musst dir immer den Platz suchen, wo das Haus am stärksten ist." Wir hatten die Kinder in den Keller gescheucht. Völlig falsch! Aber kurz zuvor hatten wir über den nahenden Hurrikan Irene geredet und darüber, dass es unten bei einem Wirbelsturm am sichersten wäre. Ich hab mir übrigens unsere Treppe angeschaut. Der feine Riss in der Wand ist doch neu, oder?

Reymer Klüver, SZ vom 27./28.8.2011

-

Quelle: SZ

3 / 24

Mitten in ... München

"Grazie, ciao, va bene!" - Es gehört hierzulande zur Folklore in italienischen Lokalen, dass sich Gäste und Kellner in einer Art Filser-Italienisch miteinander verständigen. Beim Lieblingsfranzosen verhält es sich ähnlich, und doch ist die Lage eine ganz andere. Denn die neue Bedienung dort spricht (noch) kein Wort Deutsch. Also muss die Konversation irgendwie auf Französisch bewältigt werden, des Sattwerdens und nicht einer aufgesetzten Weltläufigkeit wegen.

Beim Nachtisch packt den Gast der Übermut, er möchte wissen, was es mit der Süßspeise aus Aprikosen, Mandeln und allerlei mehr auf sich hat, die als "Dessert de Cocagne" im Menü steht. Cocagne sei eine Landschaft, erklärt die Kellnerin, "mais pas en France", nicht in Frankreich. Zu Hause der Blick ins Wörterbuch: Cocagne ist das Schlaraffenland. So charmant wird man selten belogen.

Stefan Fischer, SZ vom 27./28.8.2011

Rund 100 Konzerte 2011 in Dresdner Frauenkirche

Quelle: dpa

4 / 24

Mitten in ... Wasco

Vor dem schlichten Holzhaus verdampft der Rasen in der kalifornischen Sonne, drinnen hält eine Armee aus Gerätschaften die Hitze des Tages zurück. Im Kreuzfeuer der Ventilatoren und Klimaanlagen ist der Wandkalender mit den Landschaftsbildern in der Zeit zurückgeflattert. Juni 2011 liegt auf, und bei der Verabschiedung wirbelt die altersmüde Hausherrin Zeiten und Räume noch abenteuerlicher durcheinander. Woher genau komme er denn, der Gast aus Deutschland? Sie selbst habe mal eine Weile in Stuttgart gewohnt.

Man hat das "Sachsen" noch nicht zu Ende gesummt, da leuchten ihre Augen auf: "Ostdeutschland!", sagt sie und dann wellen sich ihre Lippen zu jener Vorfreude, mit der Touristen oft Reiseführerbrocken in einer fremden Landessprache ankündigen. Also, kommen Sie gut nach Hause und: "Doswidanja!"

Cornelius Pollmer, SZ vom 27./28.8.2011

Power Rangers

Quelle: Die Nachfolger der Nachfolger der Power Ranger, 2007. AP

5 / 24

Mitten in ... Los Angeles

Nachtruhe hat das Haus befriedet, durch ein Fenster zum Hof kann man den Pool sehen. Es sind die ersten Stunden in diesem Apartment in der Nähe von Hollywood, und eines möchte man von der Vermieterin jetzt doch wissen. Stimmt es, dass hier wirklich jeder irgendwie mit dem Filmgeschäft zu tun hat? Sie überlegt kurz, dann kaut sie gelangweilt eine Antwort zusammen: "Ich bin der gelbe Power Ranger."

Das war in den Neunzigern eine ziemlich beliebte Actionserie. Zu den anderen Power Rangers habe sie keinen Kontakt, der rote Ranger arbeite wieder als Chippendale und sei total bekloppt, "wie alle Schauspieler. Deswegen habe ich einen Drummer geheiratet". Nur mit Prinzessin Shayla verstehe sie sich immer noch gut.

Und wie ist das so, mit Prinzessin Shayla befreundet zu sein? "Oh, sie wohnt ganz in der Nähe."

Cornelius Pollmer, SZ vom 20./21.8.2011

Mountainbiker Gardasee

Quelle: SZ

6 / 24

Mitten in ... Torbole

Nach drei Tagen auf dem Rennrad ist endlich der Gardasee erreicht. Der Popo tut weh, die Beine sind schwer, der Schritt ist taub und diese figurbetont geschnittenen Radlerhosen zwicken von Anfang an. Trotz der Polster. Hannibals Elefanten haben sich anmutiger über die Alpen bewegt. Doch jetzt ist Schluss mit Bananen, klebrigem Power-Gel und den Verheißungen des Kollegen, dass es nach der nächsten 14-Prozent-Kehre flacher wird. Es lockt die italienische Küche. Vorher kurz mit den Beinen in den See, die überhitzten Muskeln abschrecken.

Der letzte Stein ist glitschig, schon liegt der lange Mann der Länge nach im Wasser, das iPhone in der Trikottasche inklusive. Nach der Bergung auf dem Display die Nachricht: "Diese Anwendung wurde für ihr iPhone nicht entwickelt." Noch nicht ausgereift, das Gerät, ohne Gardasee-App.

Werner Bartens, SZ vom 20./21.8.2011

Türkisches Cafe bzw. Teestube in der Landwehrstraße, 2004

Quelle: Hess

7 / 24

Mitten in ... Tunceli

Irgendwie anders würde die Hochzeit definitiv sein, das war klar. Schließlich steigt die Feier ja im türkischen Kurdistan. Dass das Paar alevitischen Glaubens ist, bestärkte in der Annahme, es werde Alkohol ausgeschenkt. Zu Recht. Auch vom öffentlichen Verlesen der Geschenksumme hatte man gehört. Keine Überraschung also. Nur die Dauer der Hochzeit erstaunt: Es wird getanzt, beschenkt, man verteilt Plätzchen in Plastikfolie, da ist die Feier auch schon wieder vorbei. Nach nicht mal drei Stunden. Schön für das frisch vermählte Paar, denkt man sich.

Denn je kürzer die Hochzeit, umso länger die Nacht danach. Für die deutschen Gäste geht die Feier ohnehin im nächsten Teegarten weiter. Das kultivierte Sinnieren über die kulturellen Unterschiede hat kaum begonnen, schon steht das Ehepaar am Tisch - sie wollten nicht allein sein, sagt die Braut.

Frederik Obermaier, SZ vom 20./21.8.2011

A placard reading 'Power to the people' leans on a tent at a tent camp during an ongoing protest calling for social justice, including lower property prices in Israel, in a main boulevard in Tel Aviv

Quelle: Reuters

8 / 24

Mitten in ... Tel Aviv

Die Hitze des Tages hat sich in einen lauen Sommerabend verwandelt. Man schlendert durch Tel Aviv, trinkt ein Bier, die Mädels essen Schokolade im Restaurant Max Brenner. Guter Plan: Einmal den Rothschild Boulevard herunter, gucken, was die Demonstranten machen. Die halbe Stadt soll ja in Zelte umgezogen sein: Proteste gegen die hohen Mieten und gegen "soziale Ungerechtigkeit". Die Zelte stehen dicht an dicht.

Unfassbare Hippie-Atmosphäre: "Die Erde gehört nicht uns! Wir gehören der Erde!", steht auf den Plakaten, und dass wir alle zusammen ein universelles Licht bilden. Darunter Berge schmutzigen Geschirrs auf Parkbänken. Ob die Demonstranten so ihr Ziel erreichen? Nach dem Spaziergang herrscht Gewissheit - allerdings über einen anderen Punkt. In neun Monaten wird Tel Aviv eine Bevölkerungsexplosion erleben.

Johannes Boie, SZ vom 20./21.8.2011

-

Quelle: AFP

9 / 24

Mitten in ... Ada

Ein gemütlicher Campingurlaub fängt gewöhnlich anders an, nicht jedoch in Kurdistan, erst recht nicht, wenn man mit drei PKK-Sympathisanten unterwegs ist. Keine Viertelstunde im Auto, fluchen sie schon über das türkische Militär. Es schieße auf unbescholtene Wanderer, überwache die Berge mit Wärmebildkameras und bombardiere nachts ahnungslose Camper.

Die Geschichten ähneln sich, vor allem aber hinterlassen sie ein mulmiges Gefühl. Ob es so eine gute Idee ist, jetzt hier, unter den knorrigen Bäumen am Munzur-Fluss, die Zelte aufzubauen, kilometerweit weg vom nächsten Campingplatz?

Der Gedanke hängt noch in der Luft, als Schüsse fallen. Die Männer springen in Deckung, suchen Schutz vor den Kugeln - vor dem Militär, wie sie anfangs glauben. Am Ende waren es aufgebrachte Bewohner des nächstgelegenen Dorfes. Sie wollten einfach nur ihre Ruhe haben.

Frederik Obermaier, SZ vom 13./14./15.8.2011

Hipp erwartet Umsatzrekord trotz Krise

Quelle: dpa

10 / 24

Mitten in ... Berlin

Prenzlauer Berg, also dort, wo die Deutschen Kinder kriegen: Gebrauchtbuggyhändler reihen sich an Mama-Kind-Cafés, auf der Straße zeigen sich ansonsten modebewusste Väter mit Tragetüchern. So einer ist bestimmt auch dieser Mittdreißiger, der am Alex in die Tram Richtung Prenzlberg steigt. Er trägt Manschettenknöpfe und handgenähte Lederschuhe, aber in der Hand hält er ein Plastiktütchen, in dem sich ein Glas Babybrei abzeichnet. Der ist doch auf dem Weg zur Kita. Arbeitet Teilzeit, damit die Mutter auch ein bisschen Karriere machen kann.

Da klingelt sein Handy: "Jo, bin gleich da, muss nur noch lunchen." Er greift in seine Tüte, leert "Aprikose in Apfel mit Dinkel", in einem Zug. Die Dame gegenüber schaut irritiert. Er wischt sich den Mund ab und sagt: "Tja: Schmeckt, geht schnell, und der glykämische Index rockt."

Corinna Nohn, SZ vom 13./14./15.8.2011

Themendienst Reisen: Marseille

Quelle: CDT13/G. Martin-Raget/dapd

11 / 24

Mitten in ... Marseille

Bus Nummer 61 fährt in den engen Gassen von Marseille pünktlich dahin, bis er an dieser Kreuzung halten muss. Eine ältere Dame bedeutet der Fahrerin, sie wolle einsteigen. Das aber gehe nicht, signalisiert ihr diese - die Kreuzung liege zwischen zwei Haltestellen. Die Dame lässt sich das nicht bieten.

Sie tritt auf die Straße und stellt sich vor den Bus, der in der Enge nicht ausweichen kann. Mit einer Blockade will die Frau um ihre Mitfahrt kämpfen. Es entwickelt sich ein lautstarker Dialog, bei dem es grundsätzlich wird, als gehe es um die Bürgerrechte. Passend entsteht ein veritabler Aufruhr, schlichten kann niemand.

Irgendwann kommt ein Offizieller, der die richtigen Worte findet - die Frau gibt auf und steigt in den nächsten Bus, der auch längst blockiert dasteht. Für Leute, die danach einsteigen, hat der Bus dann 35 Minuten Verspätung.

Michael Tibudd, SZ vom 13./14./15.8.2011

Lotto-Jackpot klettert auf rund 23 Millionen Euro

Quelle: ddp

12 / 24

Mitten in ... München

"Doofensteuer" nennt ein Kollege das Geld, das man für den wöchentlichen Lottoschein ausgibt. Wobei es eigentlich ein Abo im Internet ist. Von dem sieht und hört man nichts, nur alle paar Wochen bekommt man eine Spielquittung. Und manchmal erfreut eine E-Mail mit dem Betreff: "Sie haben im Lotto gewonnen!". Das Ausrufezeichen macht Hoffnung auf lebensverändernde Gewinne.

Das ist gefährlich, weil man ja schon im Internet ist, wo sich das Geld stante pede ausgeben lässt. Früher hatten die Geschäfte zum Glück schon zu, wenn man abends vor dem Fernseher saß und der Fee beim Ziehen der Zahlen zusah. Jedenfalls: Vier Treffer bei sechs Kreuzen auf 49 Feldern - die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei 0,1 Prozent.

Am nächsten Tag die zweite E-Mail: Der Gewinn betrage poplige 53 Euro. Doof. Aber wenigstens steuerfrei.

Martin Wittmann, SZ vom 13./14./15.8.2011

-

Quelle: AFP

13 / 24

Mitten in ... Nanyaocun

"Ihr könnt bei meinem Bruder übernachten", hatte es geheißen, "jeder kennt meinen Bruder." Also auf nach Nanyaocun, ein kleines Dorf am Fuß der Berge in Yunnan.

Es regnet in Strömen. Auf der Straße gehen ein paar Bauern. Den Bruder kennen sie nicht. Schließlich ein offenes Hoftor. Wohnt hier Herr Zhang? Jaja, kommt nur herein, sagt eine freundliche alte Frau, oder so ungefähr; für genauere Übersetzungen reicht das Chinesisch nicht.

Eine Stunde lang sitzen die beiden durchnässten Wanderer mit dem Hausherrn bei Tee und Bananen auf dem Sofa und sehen fern. Schließlich kommt ein Nachbar vorbei, der etwas Englisch kann. Wo man denn übernachten wolle, fragt er höflich. Ach, hier? Der Gastgeber schaut überrascht bis entsetzt, als ihm diese Information übersetzt wird.

Herr Zhang findet sich später am anderen Ende des Dorfes.

Marlene Weiss, SZ vom 6./8.2011

Familienszene in der Provinz Yunnan

-

Quelle: Juraj Kopač/Kroatische Zentrale für Tourismus

14 / 24

Mitten in ... Zadar

In Zadar, einer Stadt in Dalmatien, kommt es am letzten Abend zu einem Gespräch mit Mareta, die, durch die Kraft ihres Lachens (als schiene die Sonne in der Nacht), die Befangenheit des Beginns so weit vertreibt, dass man geblendet zu reden beginnt und ohne jeden Sinn für die Lage in Kroatien von einer behaglichen Dienstreise erzählt, was, im Bestreben, sie zu beeindrucken, auf ihrem schönen Gesicht einen Schatten hervorruft und sie zur bitteren Bemerkung veranlasst, dass auch ihr Bruder Journalist sei, der aber, statt "tolle Dienstreisen" zu unternehmen, wie so viele gut ausgebildete Kroaten als Tagelöhner arbeitet, was dieses Gespräch, das in der Hoffnung geführt wurde, diese leibhaftige Sonne nach Hause zu nehmen, in die Katastrophe führt und die Erkenntnis nährt, dass die Phantasie sofort am Stachel der Realität zerplatzen kann.

Marc Hoch, SZ vom 6./7.8.2011

Europa Italien Markenartikel Fälschung, AFP

Quelle: AFP

15 / 24

Mitten in ... Fethiye

Hochsommer in der türkischen Hafenstadt Fethiye. Durch die Boutiquen marschieren Touristinnen auf Handtaschenjagd. Sie suchen Hermès, Balenciaga, Prada - mehr oder weniger gut gefälscht. Eine deutsche Urlauberin in weiß-pinkem Strandkleid baut sich plötzlich vor den fremden Frauen aus der Heimat auf. An ihren Armen baumeln lederne Hermès-Fakes: links gelb, rechts grau. Die Frau bittet um Entscheidungshilfe.

Ehemann, Tochter und Sohn warten in einer Sofaecke. Die Frauen raten ihr zur gelben Tasche. Ach, das sei ja witzig, amüsiert sich die Frau, Sohn und Gatte hätten nämlich die graue empfohlen.

Da springt der Filius vom Sofa hoch. "Ich habe nur gesagt, dass ich die auch gut finde", jault der Teenager. "Ich bin jetzt seit einer Woche jeden Tag in diesem Laden. Ich will einfach nur, dass du dich endlich entscheidest!"

Caroline Ischinger, SZ vom 6./7.8.2011

TÜRKEN IN BERLIN

Quelle: DPA/DPAWEB

16 / 24

Mitten in ... Berlin

Neulich beim türkischen Gemüsehändler in Kreuzberg. Der junge Verkäufer sieht übernächtigt aus. Eine hübsche junge Frau betritt den Laden, sieht den Mann und sagt: "Na, die letzte Nacht durchgemacht?" Der Verkäufer gähnt und sagt: "Nein, seh ich so aus?" Die Frau erinnert sich: "Ach, ist ja Ramadan, deshalb wohl."

Der junge Mann wird wach: "Bist du Muslima?" Die Antwort kommt so unerwartet, dass sich alle türkischen Männer im Laden umdrehen: "Nein, ich bin Jüdin. Ich komme aus Israel." Für einen Moment herrscht Stille.

Ein paar Tage später dieselbe Konstellation. Die junge Frau sagt: "Na, heute sehen Sie aber nicht mehr so müde aus." Der Mann sagt: "Heute kein Ramadan." Die Frau versteht die Welt nicht mehr: "Kein Ramadan?" Der Mann wiegt Tomaten und sagt: "Heute kein Bock auf Ramadan."

Thorsten Schmitz, 6./7.8.2011

-

Quelle: AFP

17 / 24

Mitten in ... Buenos Aires

Manchmal begegnet uns in Buenos Aires ein leibhaftiger Rockstar, er wohnt in der Nähe. Man kann ihn ohne weiteres als zweitlegendärsten lebenden Argentinier nach Diego Maradona bezeichnen, denn in Argentinien ist Charly García so berühmt wie Bob Dylan und Mick Jagger zusammen.

Er hat einen zweifarbigen Schnauzbart, grau und braun, und einmal sprang der Sänger aus dem neunten Stock in den Hotelpool. Quietschfidel kam er unten an. Nachher ging's wegen allerlei Genussmittel noch gefährlicher bergab, aber er füllt wieder Stadien, seine Texte weiß jeder Besucher auswendig.

In einer Kneipe wollte er die ganze Nacht singen, es gab eine Prügelei. Sein Comeback nach dem Absturz hieß "Unterwasserkonzert" und eine Tour "Die Rache", Höhepunkt war ein Auftritt bei minus zwei Grad in Ushuaia auf Feuerland. Wilder Typ, der Charly.

Peter Burghardt, SZ vom 30./31.7.2011

Wettrasieren in Buchen

Quelle: picture-alliance/ dpa

18 / 24

Mitten in ... München

Morgens auf dem Weg zur Arbeit. Die Menschen in der U5 stehen so dicht gedrängt, dass ich an die Tür gepresst werde. Man vermeidet hier beinahe demonstrativ jeden Blickkontakt, weil sich die erzwungene Nähe so besser ertragen lässt.

Doch eine junge Frau, die ein Stück weiter im Gang eingepfercht ist, guckt - oder soll man sagen: starrt? - in meine Richtung. Sie ist etwa 20, lange blonde Haare. Meint sie mich? Sie schickt jetzt ein breites, ein fast unverschämtes Lächeln durch den Gang. Sie meint mich, kein Zweifel. Und sie wiederholt das Lächeln mit geradezu professionellem Charme. Wer wäre nicht geschmeichelt?

Die U-Bahn hält, die Blonde schiebt sich zur Tür und - weiter lächelnd - dicht an mir vorbei. Dann deutet sie auf mein Gesicht: "Du hast da was am Ohr." - "Wie bitte?" - "Ja, ist das Rasierschaum? Sieht etwas albern aus, am besten, du machst es weg."

Marten Rolff, SZ vom 30./31.7.2011

A man stands in front of a fence with flowers near the destroyed government building's area in Oslo

Quelle: REUTERS

19 / 24

Mitten in ... Oslo

In der Innenstadt von Oslo kann man die Trauer riechen. Sie duftet nach Rosen. Das Blumenmeer vor dem Dom überdeckt eine Straße und eine Trambahntrasse, der Verkehr wird umgeleitet. Blüten überall: Vor dem Rathaus, dem Gericht, dem Parlament, an den Absperrgittern um die Ruinen des Regierungsviertels.

Eine dänische Touristin, die erst gezögert hatte, nach den Anschlägen überhaupt nach Oslo zu reisen, sagt verwundert: "Es ist so schön."

Als am Montag gut 100.000 Menschen zum Trauermarsch in die Stadt strömten, waren die Blumenläden binnen Stunden ausverkauft. Doch was fängt man mit all den Blüten an, wenn sie welk sind? "Sie werden mit Respekt behandelt", versichert die Stadtverwaltung. Per Hand werde man sie aufsammeln, sie getrennt verwahren. Eine Idee ist, die Blumen zu kompostieren - und die Erde in einer Gedenkstätte zu verwenden.

Gunnar Herrmann, SZ vom 30./31.7.2011

Pressekonferenz nach Sitzung des Parteirates Fischer

Quelle: picture-alliance / dpa/dpaweb

20 / 24

Mitten in ... Augsburg

Ein Fahrradladen. Die Schlange ist lang - Samstagnachmittag, selbst schuld, man ist ja zu blöd, nur einen Handgriff am Rad allein zu machen. Plötzlich stürmt ein Mann - Mitte 60, weißer Rauschebart, beeindruckender Bauchumfang, zu knappes Shirt, blaue Baseballmütze - in den Laden.

Er missachtet die Schlange und ruft: "He, Sie? Schnell! Haben Sie so eine Klammer?" Die Kunden murren, der Verkäufer antwortet: "Was für eine Klammer?" Der Mann: "Etwas, womit ich meine Kappe an meinen Ohren oder Haaren befestigen kann. Sie fällt beim Fahren immer runter." Der Händler schmunzelt. "Leider nicht." Der Mann stürzt keifend wieder hinaus: "Herrgott, ihr seid doch ein Radl-Laden, zefix!"

Der Verkäufer flüstert: "Deppen gibt's!" Vor der Tür erwischt ein Windstoß den aufgebrachten Basecap-Träger. Seine Mütze segelt sanft zu Boden.

Marco Maurer, SZ vom 30./31.7.2011

Berghütte Berg Knigge Reiseknigge Benimmregeln für Hütten Benimm

Quelle: dpa/dpaweb

21 / 24

Mitten auf dem ... Jochberg

Über 2000 Höhenmeter ist man per du, heißt es, egal, ob man etwa mit seinem Chef, dessen Frau oder einem Fremden unterwegs ist. Weil: Die Höhenluft verbindet, dort oben sind alle gleich, zusammen ist man weniger allein und so fort. Gut, die Sintersbacher Wasserfälle in Tirol liegen nicht einmal auf 1500 Metern, aber Berg ist Berg, und so grüßt man die Familie beim Überholen mit einem lässigen "Servus". Der Einheimische, ein furchterregend athletischer Glatzkopf, grüßt nicht zurück, sondern erwidert ein barsches "Kennen wir uns?".

So in die Schranken gewiesen, wandert man weiter, eingeschüchtert bis empört. Bei der nächsten Rast begegnet man sich wieder. "Tut mir leid wegen vorher", sagt der Mann nun, "Ich hab halt 'dacht, ihr wärt Preißn." Und man kontert furchtlos (in Gedanken): Als ob das die Sache besser machte, du Hund, du.

Martin Wittmann, SZ vom 23./24.7.2011

Ratgeber Gesundheit: Joggen liegt bei Frauen im Trend

Quelle: Jens-Ulrich Koch

22 / 24

Mitten in ... München

Na, was machen die Schwabinger Muttis denn heute? Aha. Rückbildung im Englischen Garten. Zehn Blondinen joggen samt Nachwuchs im Kinderwagen einer Personal-Trainerin hinterher. In Zweierreihen. Die Muttis haben lange, blondgefärbte Haare, die mit einem Haargummi am Hinterkopf zusammengehalten werden. Die meisten von ihnen tragen ein iPhone am Gesäß. Die Personal-Trainerin: "Und jetzt den Kopf nach links leicht beugen." Die Muttis beugen ihren Kopf nach links.

Die Personal-Trainerin: "Und jetzt den Bauch ganz straff anziehen." Die Muttis ziehen den Bauch an. Hinter ihnen staut sich ein Rudel Fahrradfahrer. Hey, könnt ihr eure Rückbildung nicht auf dem Spielplatz machen? Endlich, der Weg wird breiter. Jetzt schnell überholen. Die Personal-Trainerin ruft: "Und jetzt treten wir zur Seite aus."

Martin Zips, SZ vom 23./24.7.2011

Urteil im Prozess um Rockermord

Quelle: dpa

23 / 24

Mitten in ... Bitterfeld

Eigentlich bin ich recht friedlich. Aber es gibt Dinge, die unvermittelt Aggressionen in mir auslösen. Auf der A9, kurz vor Bitterfeld, nähert sich das Auto, in dem ich als Beifahrerin sitze, einer Gruppe Motorradfahrer, alle mit dem gleichen Aufnäher hinten auf der Jacke. In Frakturschrift steht da: "Kampfkraft Sachsen". (Name geändert, ich will ja keinen Krieg provozieren.) "Nazis, das sind sicher Nazis!", rufe ich empört und strecke den Bikern durchs Fenster den Mittelfinger entgegen.

Mein Begleiter am Steuer wird blass und fährt den Rest der Strecke nach München mit 220 Kilometern pro Stunde durch. Zu Hause googeln wir gemeinsam den Gangnamen. Der Verfassungsschutzbericht erwähnt zwar keine rechtsradikale Gesinnung, dafür aber "extreme Gewaltbereitschaft". Mein Begleiter parkt seitdem nicht mehr direkt vor seiner Haustür.

Judith Liere, SZ vom 23./24.7.2011

Sophies Welt - Nirgendwo ist Hannover so grün wie in Herrenhausen

Quelle: picture-alliance/ gms

24 / 24

Mitten in ... Hannover

Hannover glänzt nicht unbedingt mit Highlights. Laut Ursula von der Leyen sind die Hannoveraner vor allem stolz auf "Bahlsen-Kekse und ihren Zoo". Dummerweise fangen die eigenen Kinder bei Besuchen immer an zu singen: "Nix ist doofer als Hannover." Was man ihnen untersagen muss, da Hannoveraner in Hannover in der Überzahl sind - und solche Reime selbst aus zarten Mädchenkehlen komisch rüberkommen könnten.

Dabei verfügt Hannover im Sommer über ein weiteres Highlight: das Kleine Fest im Großen Garten. In den Herrenhäuser Gärten verzaubern starke Frauen, unakrobatische Akrobaten und andere Kleinkünstler auch die eigenen Kinder. Finale: ein Feuerwerk. Seither ist Ruhe mit dem despektierlichen Reim. Die Kinder singen nun, nicht mehr ganz so rund, aber sozialkompatibler: "Nix ist toller als Hannover."

Lars Langenau, SZ vom 23./24.7.2011

© Süddeutsche Zeitung/dd/kaeb
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: