Hotels in den USA:Der Magieverkäufer

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Klaus Ortlieb prägt seit zwei Jahrzehnten die New Yorker Hotelszene. Als Nächstes will er den Amis zeigen, wie deutsche Gemütlichkeit geht.

Tobias Moorstedt

Klaus Ortlieb ist, wie er sagt, ein Kontrollfreak, was in Amerika selbstverständlich als Tugend gilt. Unermüdlich rennt der deutsche Hotelier in diesen Tagen durch seinen neuen gläsernen Turm in New York, trippelt Treppen hinunter, streicht prüfend über das Geländer, ruft einer Mitarbeiterin zu, dass im vierten Stock noch die Aschenbecher fehlen (er hat sie selbst entworfen) zirkuliert durch die langen Gänge und die 145 Räume - wie ein Geist, der keine Ruhe findet.

Carlos Zapata entwarf den asymetrischen Glasturm. (Foto: Foto: Cooper Square Hotel)

Wenn er im Erdgeschoss ankommt und die Terrassenbar betritt, müsste er eigentlich jedesmal in Ohnmacht fallen: Neben seinen Bambus-Bouquets und Designermöbeln hängen die Wäscheleinen der Nachbarn. Die schicke Glas-Stahl-Optik kollidiert mit den rußschwarzen Ziegeln der Nachbarschaft, mit rostigen Feuerleitern und überfüllten Mülltonnen.

Klaus Ortlieb aber sagt: "Wir sind eben mitten im East Village. Man kann sogar durch die Fenster der Nachbarn blicken. Da hinten wohnt eine ziemlich dicke Frau."

Sein Cooper Square Hotel in Manhattan ist noch nicht fertig, aber es nimmt schon Gäste auf, denn in diesen Zeiten kann es sich niemand mehr erlauben, auf Dollars zu verzichten. Das Penthouse und das von Marcel Wanders entworfene Restaurant müssen noch zu Ende renoviert werden, und unter die Gäste mischen sich immer wieder Maler und Installateure. Soft opening nennt man das in der Branche, eine Zwischenzeit, "in der sich das Haus und die Umgebung aneinander gewöhnen können".

Wie ein schimmerndes Raumschiff ist der asymmetrische Glasturm - ein Entwurf von Carlos Zapata - in der rauen Ziegellandschaft des East Village gelandet, dem ehemaligen Glasscherbenviertel im südlichen Manhattan. Gleich gegenüber befindet sich das Hauptquartier der linken Zeitungslegende Village Voice, ein paar Hundert Meter die Straße hinab lärmte bis vor wenigen Jahren der Punk-Tempel CBGBs.

Es ist ein denkbar schlechter Zeitpunkt für die Eröffnung eines Fünf-Sterne-Hauses. Zwar ist Klaus Ortlieb seit seiner Ankunft in Manhattan im Jahr 1992 zu einem der erfolgreichsten Hoteliers der Stadt geworden, aber das 115 Millionen Dollar teure Cooper Square Hotel "ist meine schwerste Geburt". Das liegt zum einen an der Weltwirtschaftskrise, in welcher die Controller in der Buchhaltung ihrem Namen Ehre machen und jede Dienstreise auf dem Prüfstand steht. Zum anderen musste Ortlieb auch mit "schläfrigen Behörden und aufsässigen Nachbarn kämpfen, wie ich sie eher in Deutschland vermutet hätte".

Vor allem die selbstbewussten Anwohner des East Village haben Ortlieb mit Demonstrationen und Klagen das Leben schwergemacht, weil sie befürchteten, dass das Luxushotel die Mietpreise in der Umgebung in die Höhe treiben und noch mehr Luxusboutiquen und Brasserien anlocken würde, in der ein Glas Weißwein 20 Dollar kostet.

New York
:"Big Apple"

Fluchtpunkt, Moloch, Faszination - die Stadt, die niemals schläft und ihre vielen Gesichter.

Zwei Anwohner weigerten sich gar, ihr Stadthaus zu verlassen, sodass der 21 Stockwerke hohe Glasturm um ein 100 Jahre alte Stadthaus herum wachsen musste; dessen ehemaliges Erdgeschoss und der erste Stock bilden nun die Lobby und die Bar, ein separater Eingang führt zu den alten Wohnungen.

Ortlieb hat mittlerweile Gefallen an der Notlösung gefunden. "Ein Hotel muss sich in seine Umgebung einpassen", sagt er, "es gibt schon zu viele, in denen man vergisst, in welcher Stadt man sich eigentlich befindet."

Klaus Ortlieb stammt aus dem Schwarzwald. Dort lernte er in den Siebzigern in den Kur-Palästen der Höhenstraße vier Jahre lang das Hotelhandwerk. Dann wechselte er nach London ins Claridge's. Von da zog er weiter gen Westen, nach Los Angeles, von 1982 an leitete er das Mondrian in West Hollywood - als jüngster General Manager des Landes.

Mit anderen Worten: Eine Reise aus dem Kosmos des alten europäischen Luxushotels in die überdrehte Sphäre des postmodernen Designhotels.

In den neunziger Jahren arbeitete Ortlieb für die Hotelmogule André Balazs und Ian Schrager, eröffnete zusammen mit Balazs in einem alten Lagerhaus in Soho das legendäre Mercer Hotel - der erste Vorposten der Mode- und Luxusmeute, die den Stadtteil seitdem fest unter Kontrolle hat. Später baute er zusammen mit Partnern auch das Rivington Hotel in der Lower Eastside. Und jetzt eben den neuen Turm im East Village.

Nicht das Zimmer ist das Zentrum, sondern die Lobby

Mit diesen Häusern ist in den vergangenen Jahren auch ein neues Hotelgenre entstanden, das der Maxime folgt: Jede Oberfläche muss gestaltet werden. Hoteliers wie Schrager, Balazs oder Ortlieb arbeiten deshalb mit Designern wie Philippe Starck oder Marcel Wanders, beschäftigen manchmal gar einen Casting-Direktor aus dem Filmgeschäft, der dafür sorgt, dass das Personal auf den Erinnerungsfotos der Gäste aussieht wie ein Hollywood-Ensemble.

Nicht von ungefähr sind Hotels wie das Mondrian oder das Rivington weniger für ihre Geschichte oder ihren Service berühmt als für ihren Look und die Szene, die sich dort bewegt. Das Zentrum ist nicht mehr das Zimmer, sondern die Lobby, die Bar, die Party. "Ich verkaufe keinen Schlaf", wie es der ehemalige Studio 54-Betreiber Ian Schrager einmal ausdrückte, "ich verkaufe Magie."

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:Die Penthouse Suite im Four Seasons Hotel in New York

Die neuen Luxushotels konkurrieren nicht mit dem Waldorf Astoria oder dem New York Plaza, den zivilen Palästen, in denen sich das Bürgertum im frühen 20. Jahrhundert unter Kristalllüstern und goldenen Stuck-Ornamenten seiner neuen Macht versicherte. Ortlieb wirbt um "die kreative Elite und den modernen Nomaden" - um Menschen also, die in ein Hotel nicht einziehen wollen wie ein König, sondern so, als seien sie bei guten Freunden in einer fremden Stadt zu Besuch.

Nur: Immer mehr dieser modernen Nomaden müssen aufgrund der Finanzkrise sesshaft werden. 2008 war die Buchungsquote der 60 000 Hotelzimmer in Manhattan gesunken - das erste Mal seit vielen Jahren. Geplante Hotelprojekte wie das Shangri La in Midtown oder das Nobu in Lower Manhattan wurden verschoben oder gestoppt, und auch das Cooper Square Hotel verlangt für ein Zimmer nun nicht mehr 425, sondern nur noch 275 Dollar.

Doch laut Ortlieb ist New York der stärkste Hotelmarkt der Welt, die Buchungsquote läge auch in der Krise noch bei über 80 Prozent (der US-Durchschnitt ist 60,7 Prozent).

Kein klassischer Check-in

Was kann man tun, um sich von den anderen abzuheben, noch mehr Service zu bieten, noch origineller und exklusiver zu sein? Ortlieb will dem Gast "das Gefühl nehmen, eine Nummer zu sein" und verzichtet deshalb auf den klassischen Check-in. Es gibt keine Lobby, in welcher der Gast anstehen muss, um seinen Schlüssel zu bekommen. Es gibt stattdessen eine verwinkelte Mischung aus Bibliothek, Kaminzimmer und Wohnbereich. Moderne Designermöbel mischen sich mit gedeckten Farben und dem einen oder anderen Vintage-Element, wie einem großen, abgetretenen Perserteppich oder 5000 Secondhandbüchern.

Ein Zuhause fern der Heimat

Der Gast bekommt einen Begrüßungsdrink, während das Personal hinter den Kulissen das Geschäftliche erledigt; ohne Unterschrift, ohne Kassengeräusch, nur per Kreditkarte. Die Zimmer haben keine Nummern, stattdessen zeigt ein Display an der Tür den Namen des Gastes an. Ortlieb hat bei seinem Konzept den Prozess des Nachhausekommens an sich selbst genau beobachtet: das Zutreten der Tür, das erleichterte Ausschnaufen, die vertrauten Handbewegungen.

Ein Zuhause fern der Heimat will Ortlieb schaffen und betont dabei ein deutsches Wort, für das es im Englischen keine Entsprechung gibt: "Gemütlichkeit".

Womöglich ist es das, wonach sich die Menschen in New York in den nächsten Jahren am meisten sehnen.

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