Hallstatt:Hartes Idyll

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In Hallstatt kämpften Protestanten lange um ihren Glauben. Es war letztlich dem Salzbergbau geschuldet, dass es in der Region schon im frühen 16. Jahrhundert zu heftigen religiösen Auseinandersetzungen kam.

Von Johanna Pfund

Es gibt mehrere Möglichkeiten, Hallstatt zu sehen. Da ist die Idylle: liebevoll gepflegte Häuser mit Holzbalkonen und winzigen Gärtchen, die wie Schwalbennester am steilen Ufer des Hallstätter Sees kleben. Gässchen, versteckte Passagen, verwinkelte Treppenaufgänge versetzen die Besucher in eine Art Märchenwelt. Es ist ein faszinierender Anblick - der wie Salzburg, Venedig oder Neuschwanstein Unmengen an Touristen anzieht. Man kann aber auch sehen, weshalb der Ort am unzugänglichen Ende eines kalten Bergsees entstand, und wie man hier gelebt hat - und das war nicht immer idyllisch.

Das Salz ist es, dem die gut 750 Einwohner zählende Gemeinde am Nordfuß des Dachsteinmassivs ihr Entstehen verdankt. Vermutlich schon seit 7000 Jahren wurde auf dem Berg, der steil aus dem See aufragt, das seltene Gut gewonnen. Eine Epoche, die Hallstatt-Zeit wurde nach dem oberösterreichischen Ort benannt, später kamen die Kelten, dann die Römer. Wer einen Eindruck davon bekommen will, sollte ins lokale Sportgeschäft gehen. Dachsteinsport Janu wollte 1987 einen Heizungskeller bauen und stieß dabei auf einen archäologischen Schatz - auf römische Mauern, Relikte einer mittelalterlichen Schmiede, keltische Gefäße. Die Überreste wurden freigelegt und ins Sportgeschäft integriert - im Erdgeschoß finden sich die Regale mit Schäfchenpullovern und Kleiderständer mit Dirndl, im Keller das Museum.

Der Salzbergbau war es auch, der letztlich in der Region zu religiösen Auseinandersetzungen führte. Die Knappenarbeit war schwer, das große Geld verdienten die Salzverweser. Die Lehren Martin Luthers fielen daher im Salzkammergut innerhalb weniger Jahre auf fruchtbaren Boden: Um 1530 war der evangelische Glaube schon fest etabliert im Salzkammergut. "Der Knappenlohn betrug nur 40 Kreuzer in der Woche", erzählt Fremdenführerin Regina Scheutz. Da war kein Geld übrig, um sich den Ablass zu erkaufen - eine Praxis, die Luther ja abschaffen wollte. Dank des regen Salzhandels gelangten auch die Luther-Schriften schnell ins Oberösterreichische.

Eine fahrende Händlerin, Brigitte Wallner aus Gosau nahe Hallstatt, schmuggelte Bibeln ins Tal. Lange sahen die Herrscher, die katholischen Habsburger, zu. "Man war hier relativ tolerant, weil man die Leute für die Salzindustrie brauchte", erzählt Scheutz. Doch unter Karl VI. war Schluss damit: Es hieß, katholisch werden oder auswandern. "Aber die Leute hier waren schon immer stur und knopfert", sagt Scheutz. Also bekannten sie sich in Scharen zu ihrem Glauben. Und so mussten zwischen 1734 und 1737 mehr als 600 Frauen, Männer, Kinder ihre Heimat in Hallstatt, Bad Goisern und Gosau verlassen. Per Schiff wurden sie nach Siebenbürgen, ins heutige Rumänien, gebracht. Die Saline wurde angewiesen, die Leute nicht mehr zu beschäftigen, damit sie ihren Hausstand auflösen konnten - für damalige Verhältnisse eine humane Sache. Den Schladminger Protestanten erging es schlechter. Ihnen wurden die Kinder weggenommen, um sie "katholisch zu machen".

In Höhlen und auf den Almen feierten die Evangelischen heimlich ihre Gottesdienste

Aber die Protestanten im Salzkammergut ließen sich nicht unterkriegen. Sie lebten unter Tarnung weiter: "Sie hatten Gebetbücher, die Habermänner, die wie Holzstücke aussahen und die man bei ungebetenem Besuch in die Holzkiste legte, Gebetbücher, die man in den Ärmel schieben konnte, oder sie wanderten hinauf zu den Almen, um dort heimlich Gottesdienst zu feiern", erzählt Sieglinde Scheutz, Mitarbeiterin im Heimatmuseum von Bad Goisern am Hallstätter See, das dem Thema ab Juli eine Ausstellung widmet. Die Höhlensysteme des Kalkgebirges boten Schutz, in dem die Hallstätter, Gosauer und Goiserer Protestanten ihren Glauben feiern konnten. Erst mit dem Toleranzpatent von Joseph II. im Jahr 1781 brachen bessere Zeiten für die Protestanten an.

In Hallstatt bauten sie bald eines der Gebetshäuser, die mit dem Patent zulässig wurden. Heute ist es erkennbar als Christuskirche mit Turm, direkt am See. Zunächst aber sah das Gebetshaus aus wie ein Wohnhaus. Es durfte keinen Turm haben, der Eingang ging zur Seitengasse hinaus, die Fenster durften nicht rund sein.

Ein Stück oberhalb der protestantischen Christuskirche thront die katholische Mariä-Himmelfahrt-Kirche von Hallstatt. Auch sie spricht Bände - davon, dass es zwei Arten von Hallstättern gab. Die Salzfertiger, also die reichere Schicht, stifteten den spätgotischen Flügelaltar, gleichberechtigt daneben steht der Hochaltar, den die Knappen und Knechte stifteten. "Beide Gruppen saßen je vor ihrem Altar", erzählt Regina Scheutz. Auf dem Friedhof liegen alle miteinander - Reiche und Arme, Katholiken und Protestanten. Oder sie liegen im Beinhaus am Rande des Friedhofs. Ein Blick hinein lässt den Betrachter zunächst erschauern: Hunderte Totenschädel liegen, meist mit Blütenranken bemalt und mit Namen beschriftet rund um den Altar und auf breiten Regalbrettern an den Seitenwänden. Der Raum unter den Flächen ist gefüllt mit Knochen. "Weil der Platz knapp wurde auf dem Friedhof, hat man das Beinhaus im 18. Jahrhundert eingerichtet", erzählt Regina Scheutz. Die Toten wurden zunächst beerdigt, nach zehn bis 15 Jahren hat man die Knochen ausgegraben, in der Sonne bleichen lassen und dann ins Beinhaus gebracht - geordnet nach Familien übrigens. Erlaubt ist das bis heute.

Weniger gruselig als traurig ist die Geschichte der Kerntragweiber, an die ein Bild in einer Seitengasse des Ortes erinnert. Das waren die Frauen, die im 19. Jahrhundert die Salzkerne von den Abbaugebieten am Berg die 700 oder 800 Höhenmeter hinuntertrugen zu den Schiffen. Viele hatten Kinder, und sie gaben den Kleinen ein in Schnaps getränktes Tuch statt Schnuller - damit sie schliefen. Erst als Erzherzogin Sophie beim Verlobungsausflug ihres Sohnes Franz Joseph mit Sisi das Elend sah, wurde abgeholfen. Die Kinderbewahranstalt gibt es noch, sie heißt heute Kindergarten, dort spielen, recht idyllisch, Kinder.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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