Flug-Sicherheit:Urteil weckt Zweifel an Flüssigkeits-Verbot

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Nach einem gescheitertem Terror-Prozess in London fordern Fluglinien erneut das Ende der Kontrollen. Sicherheitsexperten sind entsetzt.

Wolfgang Koydl

Einige der irritierenden Unannehmlichkeiten, denen Flugpassagiere in aller Welt ausgesetzt sind, verdanken sie Terroristen aus Großbritannien: Wegen Richard Reid müssen sie bei der Sicherheitskontrolle die Schuhe ausziehen, und einer achtköpfigen Gruppe aus den Midlands ist es zu danken, dass Lippenstift, Zahnpasta, und Softdrinks aus dem Handgepäck verschwunden sind.

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Doch nun sollen diese und andere Flüssigkeiten, wenn es nach dem Willen der Fluggesellschaften geht, wieder zugelassen werden - zur hellen Bestürzung von Anti-Terror-Experten und Sicherheitskräften. Grundlage der erneut und mit mehr Nachdruck vorgetragenen Forderungen der Fluglinien ist ausgerechnet das Urteil eines Londoner Gerichtes.

Nach sechsmonatiger Verhandlungsdauer befand eine Jury im High Court des Südost-Londoner Stadtteils Woolwich Abdulla Ahmed Ali, Aqssad Sarwar und Tanvir Hussein für schuldig, sich verschworen zu haben, um gemeinschaftlich einen Mord zu begehen.

Das Strafmaß, das zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt werden soll, liegt in diesem Fall gemeinhin bei lebenslanger Haft. Die drei Männer hatten gemeinsam mit fünf weiteren Komplizen versucht, aus Wasserstoffperoxid und Zucker Flüssigsprengstoff herzustellen, der in Plastikflaschen als Getränk getarnt werden konnte.

Keine Einigkeit unter den Geschworenen

Doch trotz des Schuldspruches von Woolwich zeigten sich Staatsanwaltschaft, Polizei und Politik "bestürzt" über das Urteil. Denn die Geschworenen erzielten keine Einigkeit im wichtigsten Anklagepunkt: Sie fanden nicht genügend Beweise dafür, dass die Angeklagten geplant hätten, ihre Bomben an Bord mehrerer Transatlantikflüge detonieren zu lassen - was von den Beschuldigten stets bestritten worden war.

Darüber hinaus wurden vier Mitverschwörer lediglich wegen des eher banalen Straftatbestandes der Erregung öffentlichen Ärgernisses für schuldig befunden. Dieses Ärgernis erregten die Männer, so die Jury, indem sie Märtyrer-Videos produzierten, in denen sie sich ihres Verbrechens brüsteten und die nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft nach der Tat veröffentlicht werden sollten.

Die Angeklagten hatten zugegeben, die Videos produziert zu haben, zugleich aber beteuert, dass es sich um einen "Witz" gehandelt habe. Der achte Mann der Gruppe wurde freigesprochen. Die Geschworenen hatten einen Mangel an stichhaltigen Beweisen festgestellt.

Diesen Vorwurf kann die Anklage, die sich das Recht auf einen neuen Prozess vorbehalten hat, nicht nachvollziehen. Sie war überzeugt gewesen, mit den Videos, dem Material zum Bombenbau sowie zahlreichen Bild- und Tonaufnahmen hinreichend Beweise vorgelegt zu haben.

Sicherheitsexperten in Großbritannien und in den USA hatten die Verschwörung mit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon vom September 2001 verglichen.

Fahndungspannen

Eindeutig widersprach man in London Berichten, wonach unterschiedliche Ansichten britischer und amerikanischer Ermittler über das Vorgehen gegen Terrorverdächtige indirekt schuld an dem Ausgang des Prozesses gewesen seien.

Am 9. August 2006 nahm die pakistanische Polizei auf Drängen des amerikanischen Ministeriums für Heimatschutz den mutmaßlichen Mitverschwörer Rashid Rauf fest. Danach mussten die Briten schneller handeln als ihnen lieb war und die Verdächtigen im Vereinigten Königreich verhaften.

Normalerweise wartet Scotland Yard, bis definitiv genügend Beweise vorliegen, während die Amerikaner eher präventiv handeln. In diesem Fall jedoch sei dies "kein Problem" gewesen, teilte eine Regierungsquelle mit. Es habe zwar "unterschiedliche Ansichten" in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien gegeben, wann man die Ermittlungen abschließen sollte. "Aber wir hatten das Gefühl, dass unser Beweismaterial überwältigend war."

Als erste Fluggesellschaft hat Virgin Atlantic auf der Basis des Urteils eine Überprüfung des seit August 2006 geltenden Flüssigkeitsverbotes gefordert. Die Airlines hatten stets geklagt, dass die strengen Kontrollen britische Flughäfen unattraktiv machen. Außerdem wiesen sie auf zusätzliche Kosten in dreistelliger Millionenhöhe hin, welche die Überwachung des Verbotes verschlungen habe.

© SZ vom 11.9.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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