Dubai:Wie man Erfolg in den Sand setzt

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Dubai hat einen märchenhaften Aufstieg hinter sich: Aus dem einstigen Fischerdorf ist die Metropole der Reichen geworden. Kühne Visionen, viel Geld und eine geschickte Planung haben die Stadt der Superlative auf die Zeit ohne Öl vorbereitet.

Von Heiko Flottau

Monsieur Luc Delafosse muss ein zufriedener Mann sein. Wer kann schon von sich sagen, dass er in relativ jungen Jahren an der Spitze eines Etablissements steht, welches derzeit auf dem Globus als das Erlesenste seiner Art gilt? Monsieur Delafosse ist Direktor des Burdsch al-Arab in Dubai.

Ein Symbol des neuen Arbiens: Das Luxushotel Burdsch al-Arab. (Foto: Foto: dpa)

Wie ein großes, vom Wind gespanntes Schiffssegel ragt das Hotel der De-Luxe-Klasse 321 Meter in den Himmel. 255 Appartements und Suiten bieten den Reichen und Schönen dieser Welt genügend Gelegenheit, ihren Status zu demonstrieren. Burdsch al-Arab bedeutet so viel wie "Arabischer Turm".

Das architektonische Kleinod ist von seinen Erbauern als Symbol eines neuen Arabien gedacht. Errichtet wurde der Prunkbau auf einer eigens aufgeschütteten künstlichen Insel, 200 Meter vom Ufer entfernt. Wieviel Insel und Luxusherberge insgesamt gekostet haben, darüber schweigen alle, die man danach fragt. Denn Diskretion ist Ehrensache in einem Ort wie Dubai, welcher - so drückt sich ein ausländischer Geschäftsmann aus - ein "Staubsauger für Kapital" sein will.

Die Welt im Wasser

Fragt man Luc Delafosse nach den Gästen, zeigt sich der nicht sehr große, schlanke, freundliche Hotelier ebenfalls äußerst zurückhaltend. Denn der Franzose hat in seiner Karriere, die ihn schon ins Londoner Ritz geführt hat, gelernt, welche Auskünfte er geben darf und welche nicht.

In einer der größeren Suiten habe sich, soviel gibt er immerhin preis, gerade ein saudischer Prinz einquartiert. Und in der Präsidentensuite habe vor nicht allzu langer Zeit Ex-Präsident Bill Clinton logiert. Der Mindestpreis für eine Nacht im Symbol des neuen Arabien beläuft sich übrigens auf circa eintausend Dollar.

Bill Clinton - oder sein Geldgeber - musste rund 5000 Dollar pro Nacht überweisen, er hatte wohl ein etwas feineres Zimmer. "Sie werden sich wundern", sagt Monsieur Delafosse, "aber das Hotel ist trotz seiner hohen Baukosten ein Profitobjekt. Wir sind im Jahresschnitt zu etwa 90 Prozent ausgebucht."

Richtig verschwiegen ist Monsieur Delafosse, wenn er nach dem Eigentümer des Burdsch al-Arab gefragt wird. Ausländische Investoren, sagt er nur sehr zögernd, hätten viel Geld angelegt, vielleicht sei unter den Besitzern auch seine Hoheit Mohammed Bin Raschid al-Maktum.

Möglicherweise. Konkretes könne er leider nicht sagen. Was man versteht, denn die Hoheit ist Kronprinz von Dubai und Verteidigungsminister der Vereinigten Arabischen Emirate. Jedes dieser sieben Emirate hat übrigens einen eigenen Herrscher, und der Scheich des größten Emirates, Abu Dhabi, ist, zumindest formal, ihr Oberherr.

Drei künstliche, jeweil in Palmenform angelegte Inseln sind derzeit in Bau. Allein die ersten beiden sollen zusammen 60 Luxushotels, 4000 Villen, 5000 Appartements, dazu Yachthäfen und Restaurants beherbergen. (Foto: Foto: dpa)

Neben dem Burdsch al-Arab hat der geschäftstüchtige Kronprinz ein zweites Investitionsprojekt geschaffen: Gemeint sind die künstlichen Inseln in Palmenform vor Dubai. Drei solcher Palmeninseln, jeweils mit dem Festland durch eine Brücke verbunden, sind im Bau. Die ersten beiden, schwärmt Jacqui Josephson, sollen zusammen 60 Luxushotels, 4000 Villen, 5000 Appartements, dazu Yachthäfen und Restaurants beherbergen.

Die energische Britin Josephson ist in Asien aufgewachsen. Vor kurzem, erzählt sie bedauernd, musste sie einige Zeit in ihrer britischen Heimat verbringen. "Es waren die ödesten Jahre meines Lebens", bekennt die weitgereiste Frau.

Die Erlösung aus der Enge ihrer Heimat kam, als sie ein Angebot erhielt, die Öffentlichkeitsarbeit für das Palmenprojekt in Dubai zu übernehmen. Die meisten Villen und Appartements seien schon verkauft, berichtet sie. Für Taucher haben die Erbauer der Kunstinseln einen besonderen Gag parat: Jeden Tag wolle man einen kleinen Goldbarren ins Meer werfen. Wer ihn finde, dürfe ihn behalten.

Deutschland ist noch zu haben

Mrs. Josephson zeigt auf ein Relief in einem Schaukasten, auf dem 300 künstliche Inseln eine Weltkarte bilden. Das Projekt heißt "The World". Anders als die drei Palmeninseln soll "Die Welt" sieben Kilometer vom Ufer entfernt liegen und keinerlei Verbindung mit der Küste haben.

Der Preis pro Privatinsel reicht von etwa acht Millionen bis knapp 30 Millionen Euro. "Australien" ist schon verkauft, "Deutschland" ist noch zu haben. Wer eine Kunstinsel kaufen möchte, muss einen Plan vorlegen, wie er sein Privateiland gestalten will. Kaufen kann er nur eine unbebaute Insel ohne Straßen, ohne Trinkwasser, ohne elektrischen Strom.

Wer nach der Person fragt, die die sonst in Arabien vorherrschende Lethargie durch solche Dynamik ersetzt, bekommt als Antwort immer nur einen Namen zu hören: Kronprinz Mohammed Bin Raschid al-Maktum. Doch der junge Mann setzt nur fort, was sein Vater, Maktum Bin Raschid al-Maktum, einst begonnen hat.

Der war Herrscher über Dubai, als der Flecken noch ein Fischerdorf und ein, allerdings nicht ganz unbedeutender, Handelsort war. Abends habe man seinerzeit, so berichtet manch ein alteingesessener Bürger Dubais, die Kinder noch von den staubigen Straßen holen müssen, damit sie nicht von durchziehenden Beduinen auf den damals existierenden Sklavenmärkten Saudi-Arabiens verkauft würden.

In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde dann in Dubai Öl entdeckt. Aber die Vorräte waren, anders als in Kuwait, Saudi-Arabien oder Abu Dhabi, gering. Mit dem Beginn des Ölzeitalters begann daher in Dubai schon die Vorbereitung auf die Nachölära. Den Anteil des Öls am Gesamteinkommen Dubais schätzen Kenner mittlerweile auf nicht mehr als zehn Prozent.

Noch heute lebt Dubai von den Ideen Scheich Raschids. Zunächst nahm er bei der britischen Regierung ein Darlehen von mehreren hundert Millionen Pfund Sterling auf, um den Creek, einen 14 Kilometer langen Meeresarm, der sich durch Dubai schlängelt, auszubaggern. Denn bei Ebbe konnten die traditionellen Dhows, Holzschiffe, die vom Golf aus Frachten bis nach Indien, Pakistan und Sansibar bringen, nicht ankern. Heute ist der Dubai-Creek das Wahrzeichen des alten Dubai und eine wichtige Verkehrsader der Stadt.

Dann ließ Scheich Raschid im Norden den Port Raschid bauen. Heute ist dieser Hafen an der Grenze seiner Kapazität. Schließlich ließ er, noch weiter im Norden, die "Dschebel Ali Free Zone" errichten - einen Freihafen, in dem heute etwa 3000 Firmen ihre Niederlassungen haben und zollfrei Waren anlanden, die in der Region verkauft werden. "Jedes Mal", sagt man in Dubai, "wenn Scheich Raschid mit einer Idee kam, waren seine Gefolgsleute skeptisch. Und jedes Mal erwies sich sein Vorschlag als geschäftlicher Volltreffer."

Angesaugtes Kapital

Dubai will auch zukünftig mit Superlativen trumpfen. Das Erfolgsrezept: Das auf dem Globus vagabundierende Kapital der Reichen soll angesaugt und in den Luxusprojekten des Emirates gebunden werden. Man braucht nur die Scheich Said Straße in Richtung Abu Dhabi entlang zu fahren. Vor knapp einem Jahrzehnt sah man hier fast nur Wüste. Heute reihen sich futuristisch wirkende Hochhäuser aneinander - kilometerweit.

Demnächst sollen die Kapitalkräftigen dieser Welt ihre Dollars, Euros und Pfunde in ein Finanz- und ein Medizinzentrum und in eine gläserne, gekühlte Wintersporthalle stecken. Weitere Milliarden sollen in 38, etwa 100 Meter hohe Wohntürme mit 3000 Appartements fließen. Höhepunkt der weltweiten Kapital-Akquisition soll der "Burdsch al-Dubai", der Dubai-Turm, werden - ein Koloss von 800 Metern Höhe, der den Sears Tower in Chicago und die Petronas-Türme in Kuala Lumpur um einiges überragen wird.

Doch Dubai muss einen Preis für seinen womöglich allzu rasanten Sprung in die Zukunft bezahlen. Schon fragen manche, ob der sich im Dubai-Turm manifestierende Ehrgeiz nicht ein Zeichen von Hybris sei und dem Größenwahn der alten Babylonier ähnele, sozusagen ein überflüssiger Turmbau zu Babel in Neuauflage.

Erst einmal müsse man die mit dem Investitionswahn geschaffenen Probleme lösen und vor allem den drohenden Verkehrskollaps verhindern. Etwa 800 000 Autos bewegen sich auf den Straßen der Stadt. Erst spät haben die Herren Dubais den Bau einer Metro beschlossen. Sie soll, meistens überirdisch, zunächst in zwei Linien die wichtigsten Zentren miteinander verbinden.

Dennoch: In vielem hat sich Dubai eine Spitzenstellung erkämpft - und das vor allem auch mit ausländischer Hilfe. Es gibt ungefähr 800.000 Ausländer aus rund 150 Ländern, die sich hier niedergelassen haben. Von den insgesamt eine Million Einwohnern sind also nur 20 Prozent selbst aus Dubai. Zuwanderung gehört also zum Lebensprinzip.

Ohne Ausländer könnte die Stadt nicht existieren- nicht ohne den französischen Hotelier Luc Delafosse zum Beispiel, und auch nicht ohne den pakistanischen Taxifahrer Ibrahim aus Peschawar. Der ist Angestellter einer einheimischen Firma, chauffiert Jahr für Jahr Fahrgäste durch Dubai, verdient vielleicht 3000 bis 4000 Dirham, etwa 750 Euro im Monat, ernährt damit seine vielköpfige Familie, die er alle zwei Jahre für zwei bis drei Monate besucht.

Ibrahim geht es noch verhältnismäßig gut - anders als Tausenden von Bauarbeitern, die das nach Dubai fließende Kapital der Wohlhabenden in der Kühle des Winters, besonders aber in der feuchten Hitze des Sommers in den Beton, den Marmor und das Glas all der Luxusprojekte gießen. Viele von ihnen leben in Camps, und viele von ihnen haben manchmal monatelang keinen Lohn bekommen. Ein Skandal sei dies, ließ sich neulich der Polizeichef von Dubai vernehmen, ein Skandal, der umgehend behoben werden müsse.

"Wir haben keine Sklavenarbeiter hier", verteidigt sich Abdul Rahman Rahman al-Mutaiwee. Er ist Direktor der Handelskammer von Dubai. Sein weitläufiges Büro liegt in einem der futuristischen Hochhäuser. Wenn, so argumentiert er, die Gastarbeiter in Dubai nicht bessere Lebensbedingungen hätten als in ihren Heimatländern, dann wären sie nicht gekommen.

Bestehende Probleme werde man umgehend lösen. Und das Erfolgsrezept von Dubai? "Wir halten nichts von Steuern und hohen Abgaben", sagt er: "Hinter dem wirtschaftlichen Erfolg steht die Harmonie zwischen der Regierung und der Geschäftswelt."

Globalstadt Dubai. In den Bars der Hotels sieht man Einheimische trotz des islamischen Alkoholverbots unbesorgt ihr Heineken, Fosters oder Guinness trinken. Spät abends bieten im Geschäftsviertel des Stadtteils Bur Dubai schlanke Mädchen aus Asien diskret ihre Dienste für die kommenden Stunden an.

Moralische und wirtschaftliche Liberalität sind in Dubai offenbar zwei Seiten einer Medaille. Doch bisher funktioniert das System Dubai. Nicht einmal ein Parlament, wie es im Oman, in Bahrain und in Kuwait existiert, gibt es hier. Dubai steht vor allem für Geld, für hohe Türme und für hochfliegende Pläne.

© SZ vom 29.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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