"Dittsche"-Drehort in Hamburg:"Das perlt aber!"

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In einer kleinen Hamburger Imbissbude wird die Comedy-Serie "Dittsche" gedreht. Fans und Touristen strömen hierher und pflegen höchst eigenartige Riten.

Lisa Sonnabend

Rolf ist einer von denen, die jeden Tag nach der Arbeit hier vorbeischauen. Der 49-Jährige isst Buletten mit Kartoffelsalat, trinkt ein oder zwei Bier und wartet darauf, dass einer seiner Bekannten hereinkommt. Dann reden sie über das Abschneiden von St. Pauli, die gestiegenen Lebensmittelpreise oder den Regen draußen vor dem Fenster.

Unter der Woche scheint in der Eppendorfer Grillstation im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel alles so wie in jeder gewöhnlichen Imbissbude. Der Boden ist grau, die Wände nicht mehr ganz weiß, der Wirt kocht selber und ist mit allen per Du. Auf einem Schild im Fenster steht: "½ Grillhähnchen - 2,80". Doch seit hier seit vier Jahren jeden Sonntag die WDR-Comedy-Serie "Dittsche - Das wirklich wahre Leben" gedreht wird, hat sich so Einiges geändert.

Dittsche, gespielt von Olli Dittrich, ist ein Arbeitsloser, der in jeder Folge mit Bademantel die Imbissbude betritt, sich ein Bier bestellt und dem Wirt Ingo krude Theorien über aktuelle Themen der Welt erläutert, die er in der Bild-Zeitung gelesen hat. Das ist komisch, absurd, manchmal melancholisch - und kommt an. Die Figur Dittsche ist zu einer Unterschichten-Ikone geworden, die Imbissbude im Eppendorfer Weg 172 zu einer Kultstätte für Dittsche-Fans.

Jeden Samstagabend um 23:45 Uhr wird hier die Sendung aufgezeichnet und live im Fernsehen ausgestrahlt. Dann rücken in den Eppendorfer Weg Übertragungswagen, Kameras und die Schauspieler Olli Dittrich, Jon Flemming Olsen (Imbissbudenbesitzer Ingo) und Franz Jarnach (stummer Dauergast Schildkröte) an. Und an die 50 Dittsche-Fans. Viele kommen aus Hamburg, einige Touristen sind auch dabei.

Fast alle haben sich ein Bier mitgebracht. Nach dem ersten Schluck sagen sie: "Das perlt aber" - ein beliebter Spruch von Dittsche aus der Sendung. Während sie draußen warten, versuchen sie, einen Blick auf das Treiben in der Bude zu erhaschen. Ab und an teilen sie ihrem Nachbarn etwas mit, natürlich wird das mit "Weltidee!" kommentiert. Möchtegern-Dittsches sprechen wie Dittsche, können sich über seine Witze schief lachen und manche sehen sogar aus wie er. Zwei Fans haben sich an diesem Abend einen Bademantel übergezogen. "So, bidde", sagt der Student Torben zu seinem Freund Bernd, als er ihm eine Bierflasche reicht.

Nach der Sendung kommt Olli Dittrich zu den Fans heraus, gibt Autogramme, lässt sich fotografieren und schmeißt manchmal eine Runde Pommes Frites. Dann fahren die Kamerateams, am nächsten Morgen gehört die Imbissbude wieder dem Wirt Oliver Kammerer.

Der Umgang mit den Dittsche-Touris

Vor zwei Jahren übernahm Kammerer die Eppendorfer Grillstation. Dass dort Dittsche gedreht wird, habe ihn nicht in seiner Entscheidung beeinflusst, sagt der 37-Jährige, der davor als Koch in einem noblen Hotel arbeitete. Der Laden und die Lage hätten ihn überzeugt. "Und der Kontakt mit den Kunden gefällt mir", sagt er.

In der Vitrine liegen Schnitzel, Buletten und Nudelsalat. An der Wand hängt ein Wimpel des Baltrumer Boots-Club und Fotos von Thomas Gottschalk, Uwe Seeler und Anke Engelke zu Besuch in der Imbissbude. Der Stuhl am Tresen wackelt.

Den Hype um seine Imbissbude kann Kammerer nicht ganz verstehen. Neulich erst sei eine Familie aus Bayern hier gewesen, die ihrem Vater die Reise zum Dittsche-Drehort zum Geburtstag geschenkt hatte, erzählt Kammerer. Er schüttelt den Kopf. "An Samstagen sind bis zu 30 Prozent der Kunden wegen Dittsche hier." Kammerer nennt sie "die Dittsche-Touris". Manchmal nerve es ihn schon, wenn andauernd jemand reinkommt, ein Bier bestellt, einen großen Schluck nimmt und sagt: "Das perlt aber." Aber was soll's, Dittsche-Touris sind schließlich gut fürs Geschäft.

Noch ist die Grillstation am Eppendorfer Weg 172 in keinem Reiseführer über Hamburg verzeichnet, doch in Internetforen wird längst darüber diskutiert. Dittsche-Anhänger tauschen sich aus, wie das Essen in der Grillstation schmeckt, wie es sich anfühlt, auf Schildkrötes Platz zu sitzen und wie man am besten hinkommt. Mutige stellen Videos von ihrem Besuch im Bademantel ins Internet.

"Die Imbissbude ist sehr eigen", sagt Ine Bösche von Hamburg Tourismus. "Man kann es durchaus als Besonderheit sehen." Dass die Imbissbude einmal die Reeperbahn, den Hafen oder den Michel als beliebteste Sehenswürdigkeit Hamburgs ablösen wird, hält Bösche für sehr unwahrscheinlich. "Die Grillstation wird in den nächsten Jahren sicherlich nicht zu so einem großen Besucherstrom führen wie die neue Elbphilharmonie", sagt sie und lacht.

Auch die Stammgäste befassen sich natürlich mit dem Phänomen Dittsche. "Manchmal trifft Dittsche mit seinen Sprüchen schon die Wahrheit", sagt Rolf, dessen Wohnung zwei Stockwerke über der Imbissbude liegt. "Ich schaue die Sendung oft an." Was bleibt ihm auch anderes übrig - während dieser Zeit hat ja auch seine Lieblingsimbissbude geschlossen.

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