Andalusien:Der Biss des Wohlgeschmacks

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Im Zeichen der Olive: Andalusiens landschaftliche und architektonische Schönheiten gehen hinunter wie Öl.

Von Johannes Bruggaier

Mitten in den weiten Olivenhainen Andalusiens bereitet ein rundlicher Herr im Hauptgebäude der Plantage eine Verkostung vor. Drei verschiedene Sorten Olivenöl gießt Teodorio Sanchez vorsichtig in drei blau gefärbte Gläser, verschließt diese und schreibt auf jedes eine Nummer.

Olivenhaine in Andalusien - wie Sand am Meer. (Foto: Foto: dpa)

Dann holt er einen Apfel hervor und reicht ihn dem verwunderten Gast. "Zur Neutralisierung des Geschmacks", sagt er. Teodorio Sanchez ist Herr über eine der größten Olivenplantagen Spaniens.

600.000 Hektar Anbaufläche kontrolliert er im Auftrag der insgesamt 52 Eigentümer. Wenn Herr Sanchez Zeit hat, lädt er Touristen zu einer Probe seines kalt gepressten Öls ein.

"Nehmen Sie nun das erste Glas und drehen Sie es vorsichtig im Kreis, damit sich die Blume entfalten kann", sagt Sanchez und lässt das Behältnis in seiner großen Hand rotieren. "Führen Sie jetzt das Glas zum Mund und probieren Sie: aber nicht zu schnell herunterschlucken, schön mit der Zunge den gesamten Mundraum auskosten!"

Kurz zögert der Debüt-Tester aus Deutschland, doch dann nimmt er einen kräftigen Schluck. Pfui Teufel, denkt er sogleich und würgt schnell das schmierige Zeug herunter. "Nun?", fragt Herr Sanchez gespannt und liefert die Antwort gleich selbst: "Schlecht, nicht wahr? Das ist eine ranzige, abgestandene, eine schlechte Probe. Testen sie das zweite Glas!"

Laientester unterwegs

Ängstlich ergreift der Laientester das zweite Glas, nimmt diesmal einen nicht ganz so großen Schluck und bereut die Zurückhaltung nicht: So abscheulich wie die erste schmeckt auch die zweite der drei Proben. Tatsächlich: "Auch dieses Öl ist ranzig, bitter und verdorben", bestätigt Herr Sanchez fröhlich und fordert zur Neutralisierung durch einen Biss in den Apfel auf.

"40 Prozent des spanischen Olivenöls wird in der Provinz Jaén produziert", sagt der Geschäftsführer - "und das, obwohl die Plantagen nur 20 Prozent der gesamten spanischen Anbaufläche ausmachen".

Die Menschen in Andalusien leben von der Olivenernte: gewiss ein harter Broterwerb, oder etwa nicht, Herr Sanchez? "Früher war es hart, bestätigt er, "Heute haben wir für die Ernte ja die Wanderarbeiter."

Eigens aus Nordafrika und Osteuropa kämen sie angereist. Von November bis Februar pflückten sie dann für ihn die Früchte. Zum Ärgernis der spanischen Olivenbauern hat die Regierung die Beschäftigung dieser Arbeitskräfte beschränkt.

Das dritte Glas Olivenöl

"Jetzt müssen wir moderne Erntemaschinen einsetzen", klagt Sanchez: "Die bereiten an vielen Stellen Probleme, weil die Abstände zwischen den Baumreihen nicht ihren Normen entsprechen." Aufwändige Umpflanzungen seien die Folge, und das alles nur wegen des neuen Gesetzes.

"Aber sie haben ja die dritte Probe noch gar nicht getestet", unterbricht der Gastgeber seine Rede. "Probieren Sie, probieren Sie!" Das dritte Glas der Olivenölprobe, so viel steht fest, muss nun das edelste Öl der Plantage enthalten, schließlich wird Teodorio Sanchez seinen Gast nicht mit ausschließlich schlechter Ware abspeisen.

Ein kräftiger Schluck aus dem blauen Glas - und erneut vermag der Tester nur mit Mühe seinen Würgereiz zu unterdrücken. Ranzig, abgestanden und bitter wie die ersten beiden, glitscht auch dieses Öl die Kehle hinunter.

"Dies ist das beste Öl unseres Anbaugebietes", ruft Herr Sanchez triumphierend aus und blickt den Besucher mit funkelnden Augen an. "Probieren Sie ruhig mehr davon, genießen sie den Geschmack erstklassigen Olivenöls aus Andalusien!" Doch der Gast fühlt sich düpiert und sucht eilig das Weite.

200 bis 400 Liter Öl gewinnen die Besitzer der "Hacienda La Laguna" aus einem Hektar Olivenbäumen. Einen großen Teil davon exportieren sie ins Ausland - einen zu großen bisweilen. Deshalb musste Spanien im vergangenen Jahr Olivenöl aus Griechenland importieren, weil die eigenen Vorräte aufgrund der Exporte nicht mehr ausreichten.

Für die kommende Öl-Saison im Jahr 2004 sei aber kein Engpass zu befürchten. "Es hat im Frühjahr so viel und so lange geregnet wie seit vielen Jahren nicht mehr. Das verspricht eine sehr gute Ernte."

Wer dem riesigen Olivenbaumwald in der Provinz Jáen entrinnen will, dem bietet sich nur eine Möglichkeit: die Flucht in die Stadt. Nach Úbeda zum Beispiel. Die Kleinstadt nahe Baeza mit ihren kleinen Gässchen und alten Gebäuden ist zwar keineswegs vergleichbar mit den historisch bedeutsamen Städten der Region wie Granada oder Cordoba.

Zeichen vergangener Größe

Doch manche unscheinbaren Bauten eröffnen einen weitaus tieferen Einblick in die Geschichte Andalusiens, als es die weltbekannten Sehenswürdigkeiten in den großen Touristenzielen vermögen. Die Kirche El Salvador del Mundo an der zentralen Plaza de Vázquez de Molina ist ein solches Bauwerk.

Für die Einwohner ist ihre Kirche mit der eindrucksvollen Renaissance- Fassade ein Zeichen vergangener Größe. Denn nicht etwa für die örtliche Gemeinde war El Salvador del Mundo einst bestimmt, sondern für die Familie eines einzigen Mannes: Francisco de los Cobos, Staatssekretär unter Spaniens König Karl V. Stararchitekt Diego de Siloé hatte das Gotteshaus 1536 eigens für den hochrangigen Politiker entworfen, der gleichfalls bedeutende Renaissance-Baumeister André de Vandelvira war mit der Ausführung des Projekts betraut.

Die reiche Ornamentik reicht von der Decke herab nur bis etwa zur Mitte der Kirchenwände. Senkt der Besucher den Blick, bieten sich ihm kahle, zerkratzte Wände und schwarze Brandflecken. Die schöne Kirche hatte im spanischen Bürgerkrieg als Garage und Stall gedient, manche Seitenkapellen nutzten die Soldaten als Feuerstätte oder Müllkippe.

Fröhliche, rotwangige Engel

Priego de Cordoba ist einzig über eine eng sich windende Bergstraße zu erreichen. Der unbekannte Ort wirbt mit ihren neobarocken Kirchen des 18. Jahrhunderts und nicht zuletzt mit ihrem ganzen Stolz, einem großen Brunnen.

Der Besucher erlebt dort Kitsch in Reinkultur, wie ihn die ortsübliche Volkskunst hervor bringt. Fröhliche, rotwangige Engelchen blicken munter von der Decke der Kirche de la Aurora. Schnörkel und Voluten, Silber und Gold wohin man schaut. Was die Ausmaße des Brunnens anlangt, hat die Werbung nicht zu viel versprochen: Vier große Becken mit treppenförmigen Übergängen durchströmt das Wasser, nicht weniger als 139Wasserspeier sind an den Seiten des im 18.Jahrhundert erbauten Mammutbrunnens angebracht.

In der Mitte des zweiten Beckens thront ein marmorner Neptun mit Dreizack. "Quelle des Königs" nennen die Einwohner dieses Monstrum. Ganz im alten Stil ist das Hotel-Restaurant "Castillo de Santa Catalina" gehalten, das auf einem Berg über der gleichnamigen Hauptstadt der andalusischen Provinz Jaén thront.

Das Castillo de Santa Catalina gehört zu den "Paradores". Am Rande von Jaén hat die Organisation die alte Burg zu einer Herberge der gehobenen Klasse aufgepeppt.

Bei einer Flasche gutem Rotwein bekommt der Gast hier Spezialitäten aus der Region serviert. Wachtelschenkel und Rindfleisch, alles in Olivenöl gebraten, würzig, delikat. Was sonst? Man sollte es als Laie nur nicht pur trinken wollen.

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Informationen

Anreise: Mit Iberia von Frankfurt oder München nach Granada über Madrid ab 403 Euro. Weiter mit dem Mietauto auf der A 323 in die Provinz Jaén.

Unterkunft: Hotel Parador de Jaén, Castillo de Santa Catalina, 23001 Jaén, Tel. 0034/95 323 00 00, Preise zwischen 88 und 110 Euro die Nacht im Doppelzimmer.

Weitere Auskünfte: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Schubertstraße 10, 80336 München, Tel. 089/5307460

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