Zum Tod des Altkanzlers:Helmut Kohl: Freund, Feind und Rivale

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Helmut Kohl und die Figuren aus seinem engsten Kreis. (Foto: SZ)

Der einstige Kanzler holte viele Persönlichkeiten in die Politik - und zerstritt sich mit einigen Vertrauten. Ein Blick auf den Menschensammler Helmut Kohl und die Figuren aus seinem engsten Kreis.

Von SZ-Autoren

Vieles in Helmut Kohls Leben war unmäßig, ja maßlos. Kohl war ein Dröhner, ein Pruster, ein Anranzer und ein Polterer. Freunde und Begleiter haben ihn aber auch als jovialen und geselligen Menschen erlebt. Kohl konnte fordernd und herrisch sein, aber genauso charmant und einfühlsam. Eines war der Mann aber nie: alleine. Kohl sammelte Menschen um sich, er baute - so würde man heute sagen - ein eigenes soziales Netzwerk.

Kohl kannte sie alle - vor allem die aus der Politik, der Industrie, den Kirchen. Die waren ihm wichtig. Künstler oder Professoren bedachte er gerne mit Spott. In Notizbüchern und Taschenkalendern, bevorzugt jenen seines Heimat-Konzerns BASF, notierte er Namen und Daten. Geburtstage wurden in seinem Büro besonders ernst genommen. CDU-Honorationen aus der Kreisebene erzählten vom Anruf des Parteivorsitzenden zum Jubeltag.

Kohl sammelte große Geschichten und kleine Peinlichkeiten. Am liebsten waren ihm Lebensdetails seiner Begleiter. Wenig verwunderlich, dass er am liebsten Biografien las. Es gehört zum Legendenschatz, dass er in den Runden zur Morgenlage von den Büchern berichtete, die er in der Nacht verschlungen hatte.

Sein persönliches Umfeld ordnete Kohl nach einem simplen und nicht unüblichen Raster: Freund und Feind. Kohl entwickelte eine hohe Sensibilität für Loyalität und den Grad der Gefolgschaft. Sein Gedächtnis für die Feinheiten im Beziehungsgeflecht war elefantös. Kohl verdrängte nichts - und er vergab selten.

Heimatverständnis und Bodenständigkeit waren wichtige Auswahlkriterien für die Zugehörigkeit zu Kohls Kosmos. Pfälzer verfügten über einen Dialekt-Bonus, aber Kohl ließ im Zweifel Heimat überall entstehen: In Hamburg befahl er "Labskaus für alle", in Bayern überbot er Franz Josef Strauß in Urtümlichkeit. Wer sich Kohls Herrschaftsprinzip nicht fügen wollte, musste mit seinem ewigen Misstrauen rechnen. Kohl unterhielt sein Küchenkabinett im Kanzleramt - Büroleitung, Berater, engste politische Begleiter. Er vertraute auf ausgewählte Figuren im eigentlichen Kabinett. Die Familie und der Kreis privater Ratgeber und Freunde bildeten eine eigene Kategorie. So entstand ein lebendiger Organismus, aus dem viele ausgestoßen und immer neue hinzugezogen wurden. Kohl begegnete allen mit immer hungriger Neugier - und nicht wenige verzehrte er.

© SZ vom 17.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Zum Tod des Altkanzlers
:Kohls Weggefährten erinnern sich

Helmut Kohl war nie alleine - er sammelte stets Menschen ums sich. Als Freund, Begleiter und Mentor konnte er fordernd und herrisch, aber auch charmant und einfühlsam sein.

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