Zigarettenpackungen:Vor der Kippe steht der Schock

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Fotos von Krebslungen und Beingeschwüren sollen künftig Raucher zu Nichtrauchern machen - aber funktioniert das überhaupt?

Von Ruth Eisenreich, Berlin

Der Marlboro-Man ist tot, und im Kino haben die Coolen längst nicht mehr zwangsläufig eine Kippe im Mundwinkel klemmen. In Zukunft werden diese Bilder des lässigen Rauchers noch stärker aus der Öffentlichkeit verschwinden. Fotos von krebszersetzten Lungen und verfaulten Beinen werden dafür bald sehr präsent sein. Denn am Freitag tritt das neue Tabakerzeugnisgesetz in Kraft, mit dem Deutschland pünktlich zum Ende der Frist die Tabakprodukte-Richtlinie der EU umsetzt.

Was steht in dieser Richtlinie?

Die Richtlinie regelt detailliert, wie Zigarettenpackungen in Zukunft gestaltet sein müssen. Außerdem verbietet sie Aromastoffe, wenn diese den Tabakgeschmack überdecken. Für Mentholzigaretten gilt aber eine Übergangsfrist von vier Jahren, sie sind also noch bis Mai 2020 zu kaufen. Auch die Tabakwerbung wird beschränkt.

Wie sehen die Packungen aus, die von nun an aus dem Automaten kommen?

In den meisten Fällen genauso wie bisher, denn schon produzierte Zigaretten dürfen noch ein Jahr lang verkauft werden. Spätestens ab Mai 2017 aber soll es nur noch die neuen Packungen zu kaufen geben. Dann müssen die oberen 65 Prozent der Vorder- und Rückseite und die Hälfte der Schmalseiten mit Schockbildern und Warnhinweisen bedeckt sein. Die Päckchen müssen quaderförmig sein und mindestens 20 Zigaretten enthalten, damit die Warnungen zur Geltung kommen. Irreführende Botschaften auf den Päckchen werden verboten. Ähnliches wird für losen Tabak gelten.

Wer wählt die Schockbilder aus?

Die EU-Kommission hat 42 Fotos ausgesucht und im Anhang zu ihrer Richtlinie zur Verfügung gestellt. In Deutschland müssen die Tabakfirmen diese Bilddateien beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit anfordern und auf ihre Packungen drucken.

Den Rest der Packung dürfen die Firmen aber weiter hin individuell gestalten?

In Deutschland ja. Die EU-Richtlinie erlaubt den Staaten aber, hier strengere Regeln zu erlassen. In Frankreich, Irland und dem Vereinigten Königreich dürfen ab Mai 2017 nur noch einheitliche Packungen ohne Logos und individuelles Design verkauft werden. In England lehnte der High Court am Donnerstag eine Klage der Tabakkonzerne dagegen ab.

Der Marlboro-Mann und andere Zigaretten-Werbung darf 2020 nicht mehr auf Plakaten erscheinen. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Was ändert sich bei E-Zigaretten?

Für nikotinhaltige E-Zigaretten, die bisher relativ ungeregelt sind, gelten in Zukunft strengere Sicherheits- und Qualitätsvorschriften. Auch auf ihren Verpackungen sind künftig Warnhinweise Pflicht.

Wie wird Tabakwerbung beschränkt?

Deutschland gilt als das letzte EU-Land, in dem noch uneingeschränkt Plakatwerbung für Tabakprodukte erlaubt ist. Das wird sich nun ändern: Ab 1. Juli 2020 ist Außenwerbung für Zigaretten auch in Deutschland verboten. Im Kino darf nur noch vor Filmen geworben werden, die erst ab 18 Jahren freigegeben sind.

Was erwartet sich die EU von all dem?

Die neuen Regeln sollen "junge Menschen davon abhalten, Tabakerzeugnisse zu probieren und abhängig zu werden", heißt es von der EU-Kommission. Sie hofft auf einen Rückgang des Tabakverbrauchs um zwei Prozent innerhalb von fünf Jahren. Das soll dem Gesundheitswesen Kosten von über 500 Millionen Euro ersparen.

Halten Schockfotos Menschen wirklich vom Rauchen ab?

Da widersprechen sich die Studien - manche sehen einen Effekt, andere nicht. In Australien, das schon 2006 Schockfotos einführte und seit 2012 Einheitsverpackungen vorschreibt, rauchen deutlich weniger Menschen als in anderen westlichen Staaten. Allerdings sind Zigaretten auch in kaum einem Land so teuer wie dort.

Was hält die Industrie davon?

Naturgemäß wenig. Kleinere Hersteller würden "in existenzielle Probleme kommen", erklärt Ralf Wittenberg, Deutschland-Chef des Tabakkonzerns British American Tobacco und Vorsitzender des Deutschen Zigarettenverbands, der S üddeutschen Zeitung. Durch die Richtlinie gehe die "Vielfalt im Zigarettenmarkt verloren". Der Verband der deutschen Rauchtabakindustrie spricht von einer "Entmündigung und Bevormundung der Verbraucher".

Wie hat sich der Tabakverbrauch in Deutschland zuletzt entwickelt?

Dem Statistischen Bundesamt zufolge rauchte im Jahr 2011 jeder Deutsche noch durchschnittlich 1092 Zigaretten, im Jahr 2014 nur noch 982.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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