Zensus 2011:Der Staat will's wissen

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Nebenjobs, Familienstand, Schulabschluss - in den nächsten Wochen müssen zehn Prozent aller deutschen Haushalte 45 Fragen beantworten, Hausbesitzer sogar noch einige mehr. Was Sie über den Zensus wissen müssen - ein Überblick.

Felix Berth

Bei der Volkszählung 2011 probieren die Statistiker etwas Neuartiges: Erstmals werden nicht mehr sämtliche Bewohner des Landes befragt. Stattdessen dürfen die Statistiker auch Daten aus amtlichen Registern verwenden. Neun Fragen und Antworten über ein bisher unbekanntes Verfahren, über Pflichten der Bürger und Ängste der Kommunen.

Ab dem 9. Mai beginnen Behörden mit der Stichproben-Befragung ausgewählter Haushalte zum Zensus 2011. (Foto: Getty Images)

Welche Fragen werden gestellt - und welche nicht?

Auf den acht Seiten des Haushaltsfragebogens stehen 46 Fragen. Es beginnt mit Adresse, Telefonnummer, Geburtsdatum; dann folgen die Themen Familienstand, Zuwanderung, Schulabschluss, Haupt- und Nebenjobs sowie der Branche, in der jemand arbeitet.

45 der 46 Fragen müssen beantwortet werden; wer dies verweigert, riskiert ein Bußgeld. Eine Antwort ist freiwillig: die nach der religiösen Überzeugung. Nicht gefragt wird nach Einkommen, Vermögen und privaten Gewohnheiten. Auch die Zahl der Geburten pro Frau und die im Haushalt gesprochene Sprache werden nicht erfasst, obwohl Wissenschaftler an diesen Themen sehr interessiert wären.

Wer wird gefragt - und wer nicht?

Zehn Prozent der Bevölkerung, die gemäß einem Zufallsverfahren ausgewählt wurden, erhalten den Haushaltsfragebogen. Den Statistikern genügt das, um viele Fragen - etwa nach dem Bildungsstand oder der Zuwanderung - für Bundesländer, Kommunen und teilweise sogar für einzelne Straßenzüge präzise zu beantworten. Ein anderer Fragebogen geht an alle Immobilieneigentümer Deutschlands. Damit soll geklärt werden, wie viel Wohnraum die Menschen in welchen Regionen haben und welche Baustandards ihre Häuser haben.

Werden auch Menschen erfasst, die nicht befragt werden?

Etwa zwei Drittel der Bevölkerung erhalten weder einen Haushaltsfragebogen noch den Fragebogen für Immobilieneigentümer. Sie werden dennoch alle beim Zensus 2011 erfasst. Denn die Volkszählung verwendet neben den Befragungen auch Registerangaben aus Einwohnermeldeämtern, von der Bundesagentur für Arbeit sowie von staatlichen Arbeitgebern, die über ihre Beschäftigten Auskunft geben.

Diese Daten werden so kombiniert, dass schließlich zu jeder Person, die in Deutschland lebt, ein Datensatz vorliegt. Er enthält Angaben zu demographischen Merkmalen, zur Wohnungssituation und zur Erwerbstätigkeit. Er enthält keine Angaben über Einkommen oder Gehälter der Person.

Warum genügt es nicht, lediglich amtliche Register auszuwerten?

Erstens sind die Melderegister fehlerhaft. Gerade in größeren Städten melden sich nicht alle Menschen ab, wenn sie wegziehen. Zweitens sind in deutschen Registern keine Angaben zur Bildung, zur Ausbildung und zur Migrationsgeschichte gespeichert - anders als zum Beispiel in skandinavischen Staaten, wo die Register so viele Angaben enthalten, dass eine zusätzliche Befragung der Menschen gar nicht nötig ist.

Wer speichert die Daten? Und wer kann darauf zugreifen?

Die Daten laufen bei den Rechenzentren der statistischen Ämter von Bund und Ländern zusammen. Das Gesetz verbietet es, dass die zusammengeführten Daten zu anderen Zwecken als denen der amtlichen Statistik verwendet werden. Deshalb gibt es - basierend auf dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 - ein "Rückspielverbot".

Demnach dürfen weder Einwohnermeldeämter noch die Bundesagentur noch die öffentlichen Arbeitgeber Informationen über die Befragten zurückerhalten. Falls eine Stadt also erfährt, dass sie fünfzigtausend Einwohner weniger hat als ausgewiesen, kann sie ihr Register nicht mit Hilfe der Zensus-Daten korrigieren.

Wer hat Angst vor den Ergebnissen?

Für eine Kommune ist es unangenehm, wenn ihr statistisch plötzlich Tausende Bewohner fehlen. Dann erhält sie weniger Steuergeld, das oft gemäß der Einwohnerzahl verteilt wird. Diesen Schwund befürchten vor allem ostdeutsche Gemeinden, aus denen in den vergangenen Jahren wahrscheinlich etliche Bewohner ohne Abmeldung weggezogen sind.

Auch Universitätsstädte erwarten deshalb Einbußen. Bundesländer kann es ebenfalls treffen: Der Länderfinanzausgleich und die Berechnung der Einkommensteuer-Anteile basieren auch auf Einwohnerzahlen. Eventuell muss sogar die Zusammensetzung des Bundesrats korrigiert werden - wie viele Stimmen ein Land dort hat, hängt von seiner Einwohnerzahl ab.

Gab es bei der Volkszählung 1987 spektakuläre Ergebnisse?

Im Bundesland Berlin (West) lebten laut Zählung von 1987 etwa 108.000 Menschen weniger als erwartet. Das hatte Folgen für den Länderfinanzausgleich, die die Berliner Bürger gleichwohl kaum unmittelbar spürten. Auch Universitätsstädte wie Münster oder Bonn erlitten finanzielle Einbußen, weil in ihren Statistiken zuvor zu viele Einwohner aufgelistet waren.

Die Zählung 1987 ergab auch, dass etwa eine Million Wohnungen weniger existierten als ausgewiesen. Solche Zahlen waren als Planungsgrundlage hilfreich, auch wenn sie keine fundamentalen Korrekturen der Politik auslösten.

Was kostet die Volkszählung?

Kalkuliert sind 710 Millionen Euro, die sich Bund und Länder etwa je zur Hälfte teilen. Die Kosten der aktuellen Werbekampagne werden mit 5,5 Millionen Euro angegeben.

Wann wird es diesmal Ergebnisse geben?

Erste Ergebnisse sollen im November 2012 vorliegen; detaillierte Auswertungen sind von Mai 2013 an zu erwarten.

© SZ vom 05.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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