Zeitplan:Erst der Pazifik, dann Europa

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Warum die Entwicklung in den USA nun auf einmal die TTIP-Verhandlungen verzögern könnte.

Von Alexander Mühlauer

Es ist gerade eine Woche her, da klangen sie noch ganz zuversichtlich. Beim Abschluss des G-7-Gipfels auf Schloss Elmau erklärten Angela Merkel und Barack Obama, dass die Arbeit an allen TTIP-Themen umgehend beschleunigt werde. Die Grundzüge des Abkommens sollen baldmöglichst stehen - "vorzugsweise bis Ende dieses Jahres". Wie es aussieht, dürfte dies schwierig werden. Der Chefunterhändler auf amerikanischer Seite, Michael Froman, hatte nie ein Hehl daraus gemacht, dass er zuerst den Freihandelspakt mit den Pazifik-Staaten schließen will. Erst danach sind die Partner jenseits des Atlantiks dran. Europa muss also warten.

In Brüssel stellt sich nun so mancher darauf ein, dass es vielleicht doch nichts mehr wird mit TTIP, zumindest nicht in Obamas Amtszeit. "Die Chance, dass das Abkommen unter diesem Präsidenten beschlossen wird, wird immer kleiner", sagt Bernd Lange (SPD), TTIP-Berichterstatter und Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament. Es sei sehr unrealistisch, sagt Lange, dass es dieses Jahr noch etwas werde.

Erst vergangene Woche hatte sich gezeigt, wie gespalten Europa bei TTIP ist. Eigentlich hätte das Europäische Parlament über eine Resolution zu dem geplanten Abkommen abstimmen sollen. Es hätte ein starkes Signal werden können, ein Signal an die EU-Kommission, die das Abkommen federführend verhandelt - und ein Signal Richtung USA, damit die Amerikaner wissen, was die Volksvertreter in Europa denken. Doch daraus wurde nichts. Weil es zu viele Änderungsanträge gab, verwies Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) die Resolution wieder zurück in den Handelsausschuss.

Die Europa-Parlamentarier erhalten nun unverhofft mehr Zeit

Die Abgeordneten streiten vor allem um vier Buchstaben: ISDS. Diese stehen für "Investor-State Dispute Settlement" und sind ein Mittel des internationalen Rechts. ISDS erlaubt es einem ausländischen Investor gegen einen Staat, in dem er investiert hat, ein Streitbeilegungsverfahren anzustoßen, wenn er seine Rechte verletzt sieht. Meist handelt es sich dabei um Verfahren vor privaten Schiedsgerichten.

Lange, der Berichterstatter und Sozialdemokrat, sagt: "Wir wollen keine privaten Schiedsgerichte." Doch die Fraktion der Europäischen Volkspartei habe dieser Position nicht zustimmen wollen. Der Streit um den Investorenschutz spaltet auch die Sozialdemokraten. Und wenn Linke und Grüne sich mit ihrer entschiedenen Haltung gegen private Schiedsstellen durchgesetzt hätten, hätten Konservative und Christdemokraten gegen die gesamte Resolution gestimmt. Wie auch immer, ein starkes Signal hätte anders ausgesehen.

Genau darum kämpft Lange. Er muss jetzt wieder mit seinen Kollegen reden. Und er will sie davon überzeugen, dass es nun vor allem um die Verantwortung des Europaparlaments geht. "Wenn wir den Einfluss auf die Verhandlungen wahren wollen, müssen wir eine Lösung hinbekommen", sagt Lange. Eine Resolution des EU-Parlaments ist zwar nicht bindend für die weiteren Verhandlungen, aber sie ist der entscheidende Gradmesser für die Stimmung der europäischen Volksvertreter. Denn ganz am Ende muss das Parlament über TTIP abstimmen.

Doch bis es so weit ist, haben die Abgeordneten nun immerhin mehr Zeit; Zeit, um abzuwägen, was für einen Freihandel sie wollen.

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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