Xi-Besuch in den USA:Kalter Lobster

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In Washington empfängt man den chinesischen Präsidenten Xi mit großem Pomp. Aber wegen Internet-Spionage, militärischer Kraftmeierei und der Unterdrückung von Oppositionellen ist das Misstrauen groß.

Von Nicolas Richter, Washington

Barack Obama hat viele gute Ratschläge erhalten vor diesem großen Abendessen mit seinem chinesischen Präsidentenkollegen Xi Jinping im Weißen Haus. Der republikanische Senator Marco Rubio riet, es bei einem schlichten Arbeitstreffen zu belassen (Cola, Schokoriegel) und dem Mann aus Peking mal richtig die Leviten zu lesen. Andere verlangten sogar, Xi gleich wieder auszuladen.

Obama hat natürlich keinen dieser Ratschläge befolgt; die Republikaner sind halt im Wahlkampf und noch nationalistischer als sonst. Vielmehr ist die Beziehung zwischen den USA und China aus Sicht der US-Regierung die wichtigste der Welt, Xi verdient demnach allen Pomp, und das Weiße Haus möchte sich nicht die Nuance eines protokollarischen Affronts leisten: In Peking hegen ja manche den Verdacht, die USA wollten Chinas Aufstieg verhindern, und nach jüngsten wirtschaftlichen Turbulenzen ist man in Peking noch empfindlicher als sonst. Am Freitagabend also wollte Obama seinem Gast beim Staatsbesuch den bewährten Lobster aus Maine servieren, mit Nudelröllchen und Spinat.

Zum Dessert der "Gartenbummel": handgefertigt mit gezuckerten Rosen. Mancher Republikaner hätte Xi lieber Schokoriegel und Cola in die Hand gedrückt. (Foto: Manuel Balce Ceneta/AP)

Andererseits haben die Amerikaner viel zu beklagen - Internetspionage, militärische Kraftmeierei im Südchinesischen Meer, die Unterdrückung von Oppositionellen. Obamas Asien-Berater Daniel Kritenbrink spricht von einer "ungewöhnlich komplexen Beziehung", und die US-Öffentlichkeit erwartete, dass Obama sein Missfallen zum Ausdruck bringt, damit China die Gesprächsbereitschaft nicht als Schwäche missversteht. Diese Stimmung lässt sich so zusammenfassen: Wenn also schon Lobster für Herrn Xi, dann wenigstens kalt, oder aber ohne Nachspeise. Als Obama und Xi am Freitagmittag vor die Presse traten, bemühten sie sich, die Gemeinsamkeiten zu betonen. Obama sprach von einem "extrem produktiven Treffen", Xi erwähnte einen "breiten Konsens". Obama sagte aber, das Ausspionieren von US-Firmen durch chinesische Konkurrenten "muss aufhören". Beide Regierungen hätten sich verpflichtet, diese Praxis nicht zu unterstützen, gegen Täter vorzugehen und an internationalen Regeln gegen den Diebstahl von Patenten zu arbeiten. Schon vorher hatte das Weiße Haus mitgeteilt, dass China 2017 ein eigenes landesweites System für den Emissionshandel einführen und Entwicklungsländer in ihrem Kampf gegen den Klimawandel unterstützen wolle. Wie schon bei Obamas Besuch in Peking möchten sich beide Länder - die größten Luftverschmutzer weltweit - zu Anführern für mehr Klimaschutz stilisieren, zumal Ende des Jahres eine UN-Klimakonferenz in Paris ansteht. Aus Sicht Washingtons hat sich die Kooperation auch anderswo bewährt; Beispiele sind der Umgang mit Iran und Nordkorea, die Verdopplung der US-Exporte nach China, die Verzehnfachung chinesischer Investitionen in den USA. "Die schlichte Wahrheit: Unsere beiden Länder kooperieren so eng wie noch nie", sagt Obamas Asien-Experte Kritenbrink. Seit 1980 ist das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten von null auf 600 Milliarden Dollar pro Jahr gewachsen. "Eine produktive Beziehung zu China ist ein entscheidender Bestandteil unserer Strategie für Asien und die Pazifik-Region", erklärte Obamas Sicherheitsberaterin Susan Rice. Aber es gibt aus US-Sicht auch Anlass für Klagen und Frust, und Obama möchte dies nicht beschönigen. Als er Xi am Freitag empfing, sagte er: "Ich glaube - und ich weiß, dass Sie mir zustimmen -, dass wir unsere Differenzen ehrlich ansprechen müssen. Wir in den USA glauben, dass sich unsere Firmen einen fairen Wettbewerb liefern müssen, dass Streit friedlich gelöst werden muss, dass die Menschenrechte weltweit zu achten sind." Ein Grund für das amerikanische Unbehagen ist das aggressive Auftreten Chinas. "Die Militarisierung des Südchinesischen Meeres, die Ansprüche auf neues Territorium, das provoziert andere Länder in der Region", sagt Obamas Berater Ben Rhodes. Xi versicherte in Washington, die territorialen Ansprüche Chinas vor der Küste würden weder die internationale Schifffahrt, noch Überflugrechte beeinträchtigen. Anstoß nimmt man in Washington auch an chinesischen Währungsmanipulationen oder an der Cyber-Kriminalität, vor allem am Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen, den aus US-Sicht die chinesische Regierung fördert. Das Weiße Haus erinnerte jüngst daran, dass sich niemand in den USA so stark für die Annäherung an China einsetze wie die Wirtschaft. Sollten sich US-Firmen aber von Chinas Hackern ausgeplündert und ihrer Patente beraubt fühlen, so werde dies das Vertrauen in den Geschäftspartner zerstören und Chinas Wirtschaftswachstum gefährden. Obama sagte am Freitag, China müsse nun Taten gegen Industriespione im Netz folgen lassen: "Wir werden dies beobachten." Das Weiße Haus hat zuletzt betont, wie wichtig es sei, im Gespräch zu bleiben. "Dass wir bedeutende Meinungsverschiedenheiten haben, bedeutet keinesfalls, dass uns der Dialog bei anderen Themen verwehrt ist", sagte Obamas Berater Rhodes. Am Freitag vor der Presse jedenfalls wirkte die Stimmung zwar geschäftsmäßig, aber bestimmt nicht warm.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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