Wirtschaft:Führungschaos bei der Bahn

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Verärgert tritt Konzernchef Grube zurück, weil der Aufsichtsrat seinen Vertrag nur um zwei Jahre verlängern will. Jetzt hat die Bundesregierung ein Problem: Es gibt keinen Nachfolger.

Von Markus Balser, Berlin

Der überraschende Rücktritt von Konzernchef Rüdiger Grube stürzt die Deutsche Bahn in heftige Turbulenzen. Grube verlässt das Unternehmen mit sofortiger Wirkung. Während einer entscheidenden Aufsichtsratssitzung war am Montag nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ein Streit über Details der eigentlich geplanten Vertragsverlängerung mit dem Manager eskaliert. Der bundeseigene Konzern mit weltweit 300 000 Angestellten und rund 40 Milliarden Euro Umsatz steht damit plötzlich ohne Chef da. Dabei sollte es bei der vertraulichen Sitzung in der Berliner Bahnzentrale am Morgen eigentlich nur noch um die letzten Unterschriften gehen. Ein Kompromiss sah vor, dass der 65-Jährige drei statt nur zwei weitere Jahre an der Spitze bleiben darf, dafür aber auf die von ihm geforderte Gehaltserhöhung von zehn Prozent verzichtet. Grube verdient rund 900 000 Euro. Mit Boni liegt sein Gehalt bei 1,4 Millionen Euro. Doch nach mehrstündigen Diskussionen rückte das Gremium von den Plänen ab und konnte sich nur auf zwei Jahre zusätzlich einigen. Verärgert habe der Bahnchef daraufhin hingeworfen, heißt es in Bahnkreisen. Grube stand seit Mai 2009 an der Spitze des Unternehmens. Sein aktueller Vertrag lief eigentlich noch bis Ende 2017. Für die Bundesregierung und den Konzern ist der plötzliche Ausstieg des Managers nach monatelangen Vertragsverhandlungen ein Desaster. Denn einen Plan B und einen Nachfolger gibt es nicht. Im Aufsichtsrat und auch in der großen Koalition herrschte deshalb am Montag Fassungslosigkeit. "Das ist eine so nicht zu erwartende Wendung", sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Die Nachfolge müsse "möglichst zügig" geklärt werden.

Doch genau daran gibt es Zweifel. Zwar gilt Ex-Kanzleramtschef und Unionspolitiker Ronald Pofalla im Bahn-Vorstand als möglicher Kronprinz. Noch aber dürfte ein Wechsel an die Konzernspitze zu früh kommen. Erwartet werden komplizierte politische Debatten über die Nachfolge. Über die Besetzung des Postens werde in der Koalition entschieden, sagte der designierte SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz am Montag. SPD und Union verfolgen bei der Bahn derzeit jedoch unterschiedliche Ziele. Vorerst soll Finanzvorstand Richard Lutz kommissarischer Bahnchef werden. Die Bilanz Grubes fällt gemischt aus. Er übernahm die Führung nach der Affäre um die massenhafte Ausspähung von Mitarbeiter-E-Mails unter seinem Vorgänger Hartmut Mehdorn und brachte wieder Ruhe in den Konzern. Er hat zudem die Digitalisierung der Bahn vorangetrieben - spürbar war das für Fahrgäste etwa bei der Einführung des kostenlosen Wlan zu Jahresbeginn.

Seit 2009 führte Rüdiger Grube das Unternehmen. Seine Bilanz ist durchwachsen. (Foto: Hans Christian Plambeck/laif)

Doch zuletzt war die Kritik an den Problemen der Bahn lauter geworden. Rund 160 Millionen Verspätungsminuten hatte sie im vergangenen Jahr eingefahren. Das Geschäft mit Fahrgästen und Gütern auf der Schiene geriet zunehmend unter Druck, weil billiges Benzin Autos, Busse und Lkws billiger machte. Der Schuldenberg des Konzerns ist in so besorgniserregende Höhen gewachsen, dass die Bundesregierung einen Milliardenbetrag in die Bahn stecken muss.

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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