Wikileaks:NSA-Interesse für die Wirtschaft

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Neue Gesprächsprotokolle zeigen die Neugierde des Geheimdienstes.

Von John Goetz, Hans Leyendecker und Christian Wernicke, Paris/München

Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung weitere Dokumente über angeblich vom US-Geheimdienst NSA abgehörte Gespräche in Frankreich veröffentlicht. Aus den Unterlagen wird deutlich, dass Wirtschaftsspionage ein zentraler Teil der Ausforschung war. So hat die NSA vor allem Feinheiten der ökonomischen und politischen Beziehungen Frankreichs zu den Mitgliedern der Spionage-Gruppe "Five Eyes" ausspioniert. Der Gruppe gehören neben den USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland an. Sensationell sind die Erkenntnisse der NSA nicht.

Kleinste Details der Entwicklung der französischen Energiewirtschaft, des französischen Haushalts und des Gesundheitswesens stießen offenkundig auf großes Interesse bei den US-Geheimdienstlern. Aus den jetzt veröffentlichten Dokumenten wird noch einmal ersichtlich, dass sich die US-Abhörer - anders als oft gemutmaßt wird - nicht für Konkurrenz-Spionage, sondern vielmehr für allgemeine Daten begeisterte. Was die Energiewirtschaft so machte, was die Telekommunikations-Industrie plante, das interessierte.

Während es in der in der vergangenen Woche veröffentlichten ersten Lieferung von Wikileaks, die in Paris für Aufregung, aber auch für Heuchelei sorgte, vor allem um die Beziehung Frankreichs zu Deutschland und das Vorgehen in der Euro-Krise ging, steht in den neuen Unterlagen, die von 2004 bis 2012 reichen, die ökonomische Lage Frankreichs im Vordergrund.

In den aus abgehörten Gesprächen zusammengestellten Unterlagen zeichnet der frühere Finanzminister Pierre Moscovici, der seit 2014 Wirtschafts-und Währungskommissar der EU-Kommission ist, ein besonders düsteres Bild der Lage.

In einem 2012 abgehörten Gespräch mit einem französischen Senator beschreibt Moscovici die Wirtschaftslage des Landes als verheerend. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil er damals öffentlich die Lage eher schönredete. Er lobt in einem abgehörten Telefonat den deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder wegen dessen Agenda und fordert dringend Reformen in Frankreich, die aber erst Anfang dieses Jahres präsentiert wurden. Die Dokumente, die jetzt von Wikileaks veröffentlicht wurden, gingen auch an US-Geheimdienststellen in Deutschland

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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