Werkstattbericht zu Merkel-Interview:Anmerkungen mit grüner Tinte

Angela Merkel im SZ-Interview

Bundeskanzlerin Angela Merkel beim SZ-Interview in ihrem Büro im Kanzleramt

(Foto: Regina Schmeken)

Wie lief eigentlich das Interview mit der Bundeskanzlerin ab? Und was passierte danach? Über wachsende Textmengen, viele Gegenleser und Merkel-Vorgänger Schröder, der die Journalisten-Nerven strapazierte.

Von Nico Fried, Berlin

Es ist 14.15 Uhr am Freitagnachmittag, als der erlösende Anruf kommt: Das Sekretariat des Regierungssprechers teilt mit, dass die Autorisierung des Interviews mit Angela Merkel abgeschlossen sei. Man werde den Text jetzt mailen. Merkel und ihre Leute liegen damit 15 Minuten über der vereinbarten Frist - ein tolerabler Wert.

Zweieinhalb Stunden bleiben jetzt noch für letzte Verhandlungen mit Steffen Seibert, dann wird das Interview auf die Seite gestellt, mit einer Überschrift versehen. Bildtexte sind zu schreiben und eine Nachricht für die Seite 1 zu destillieren. Es sind die letzten Handgriffe eines viertägigen Prozesses. Die Bearbeitung von Kanzlerinterviews ist gelegentlich nervenaufreibend - vor allem am Ende.

Kaffee, Wasser, los geht's

Am Dienstagnachmittag führen drei SZ-Redakteure das Interview mit Angela Merkel. Mit dabei ist auch die Fotografin Regina Schmeken. Knapp eine Stunde dauert das Gespräch in Merkels Büro, wenig Smalltalk vorneweg, Kaffee, Wasser, los geht's.

Die Kanzlerin wirkt konzentriert, der G7-Gipfel in Elmau ist das wichtigste Thema, aber auch die Enthüllungen über die NSA und den BND kommen zur Sprache - ebenso wie der Vorwurf, Merkel habe im Wahlkampf 2013 die Unwahrheit über ein angeblich geplantes No-Spy-Abkommen mit den USA verbreiten lassen.

Nach dem Interview schreibt jeder Redakteur einen Teil des Gespräches auf, Stefan Kornelius, Chef der SZ-Außenpolitik, fügt die Teile zusammen, kürzt sie, gibt sie zur Absprache wieder an die Kollegen in Berlin. Am Mittwochabend erhält Regierungssprecher Steffen Seibert das Manuskript.

Jetzt beginnt die Autorisierung, ein Verfahren, das es fast nur in Deutschland gibt: Die Politiker können ihre Aussagen präzisieren, streichen, kürzen. Manchmal bleibt vom eigentlichen Gespräch kaum noch etwas übrig. Die Redaktion kann verhandeln, aber die Politiker haben über ihre Antworten das letzte Wort. Im schlimmsten Fall bleibt nur eins: Das ganze Interview wegschmeißen.

Cameron kommt, das Interview liegt

Ein Interview mit der Kanzlerin lesen nicht nur Seibert und Merkel. Es geht im Zweifel durch viele Hände, durch die zuständigen Fachabteilungen, zu engen Mitarbeitern - und am Schluss noch einmal zu Merkel. Mit grüner Tinte macht sie letzte Anmerkungen, wenn sie noch welche hat. Eines ist jetzt schon klar: Der Text ist länger geworden, muss gekürzt werden, sonst muss das Interview ohne Foto erscheinen.

Aber Merkel ist da keine Ausnahme: Interviews mit deutschen Politikern kommen fast immer länger zurück, als sie die Redaktion verlassen haben. In diesem Punkt liegt zum Beispiel Merkels Vize Sigmar Gabriel weit vor der Kanzlerin. Bei ihm werden aus 300 Zeilen schon mal 450.

Am Freitag muss das Interview zurück zur Süddeutschen Zeitung. Merkel hat den Text auf dem Schreibtisch. Doch dann kommt David Cameron, der britische Premier, Gespräch, Mittagessen, Pressekonferenz. Die Uhr tickt, das Interview liegt.

Ein Gespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder kam vor einigen Jahren erst eine halbe Stunde vor Redaktionsschluss zurück - der Alptraum für alle beteiligten Redakteure. Merkel ist schneller. Um 14.15 Uhr läutet das Telefon.

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