Weißrussland:Kritiker in Minsk gewählt

Erstmals seit 16 Jahren sind wieder zwei Politiker der Opposition in das Parlament gewählt worden. Demokratisch war die Wahl deshalb zwar nicht, wie die OSZE bestätigt. Das Ergebnis gilt jedoch als weiteres Zeichen, dass der autoritäre Staat auf den Westen zugeht.

Von Frank Nienhuysen, München

Zum ersten Mal seit 16 Jahren sind in Weißrussland wieder Oppositionspolitiker in das Parlament gewählt worden. Anna Konopazkaja von der Vereinigten Bürgerpartei sowie die regierungskritische Jelena Anissim gewannen ein Mandat für das 110 Sitze umfassende Abgeordnetenhaus, die übrigen Sitze gingen an regierungstreue Kandidaten. Der Chef der Bürgerpartei, Anatolij Lebedko, sagte, Konopazkajas Erfolg zeige, dass die Opposition bei einer ehrlichen Stimmenauszählung gewinnen könne. Er machte auch klar, dass dies in seinen Augen keine freie Wahl gewesen sei. Ob Konopazkaja ihr Mandat auch tatsächlich annimmt, will sie an diesem Dienstag bekannt geben. Das Ergebnis gilt als symbolisches Zeichen, dass die weißrussische Führung um Präsident Alexander Lukaschenko zu mehr Kooperation mit dem Westen bereit ist. "Es ist ein kleiner Schritt, aber noch nicht genug, um substanziell die Beziehungen zum Westen zu verbessern", sagt Wolfgang Sender, Leiter des für Weißrussland zuständigen Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung. Weißrussland steckt in einer schweren Wirtschaftskrise und sucht einen Ausgleich mit der EU und den USA, um sich von ihnen auch finanzielle Unterstützung zu sichern. Brüssel, Washington und Organisationen wie der Internationale Währungsfonds hatten immer wieder mehr Demokratie in Weißrussland angemahnt. Minsk will ihnen nun entgegenkommen und Lockerungen im Umgang mit der Opposition demonstrieren. Die OSZE stellte am Montag Fortschritte und "sichtbare Bemühungen" fest, kritisierte aber auch eine "intransparente Wahlkampagne". Weißrussland habe "noch einen gewissen Weg zur Erfüllung demokratischer Standards zu gehen".

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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