Weißrussland:Der Paria von einst besucht den Papst

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Nach der Aufhebung der Sanktionen reist Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko erstmals wieder in die EU.

Von Julian Hans, Moskau

Drei Monate nachdem die Europäische Union ihre Sanktionen gegen die Führung der Republik Weißrussland aufgehoben hat, besucht Präsident Alexander Lukaschenko erstmals wieder einen EU-Staat. Am Freitag traf er in Rom den italienischen Präsidenten Sergio Mattarella. Für diesen Samstag ist eine Audienz bei Papst Franziskus geplant. Gegenstand der Gespräche der beiden Staatsoberhäupter sei "das ganze Spektrum der Beziehungen zwischen Italien und Weißrussland" gewesen, teilte die staatliche Nachrichtenagentur Belta mit. Lukaschenko möchte Investitionen ins Land holen, das lange isoliert war und dessen Wirtschaft zuletzt stark in den Abwärtssog des großen Nachbarn Russland geraten war.

Im Februar hatte Brüssel die Sanktionen gegen Lukaschenko und etwa 170 weitere Personen in der weißrussischen Führung aufgehoben. Die Einreiseverbote waren 2010 verhängt worden, als nach den Präsidentenwahlen Demonstrationen gegen Wahlfälschungen aufgelöst und alle Gegenkandidaten verhaftet wurden.

Vor der Präsidentenwahl 2015 hatte Lukaschenko sechs politische Gefangene freigelassen. Die Wahlen verliefen ohne Zwischenfälle, wenngleich sie von der OSZE weder als frei noch als fair eingestuft wurden. Die Aufhebung der Sanktionen gilt als Zeichen, dass diese Schritte gewürdigt werden. Ebenso wurde im Westen Lukaschenkos distanzierte Haltung nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland wahrgenommen. Minsk bemüht sich um gute Beziehungen zu Kiew wie zu Moskau und bot sich als Vermittler an. Mit einer Pendelpolitik zwischen Russland und dem Westen versucht Lukaschenko, Vorteile für sein Land und sein Regime herauszuschlagen. Experten schätzen, dass Belarus jährlich etwa drei Milliarden Dollar Kredite oder anderweitige Zuwendungen braucht, um mit seiner zu großen Teilen noch sowjetisch geprägten Wirtschaft zu überleben.

Als 2009 die Sanktionen schon einmal ausgesetzt wurden, war ebenfalls der Vatikan das erste Ziel des autoritären Politikers. Die Mehrheit der Menschen in Weißrussland bekennt sich zwar zur orthodoxen Kirche, die dem Moskauer Patriarchat unterstellt ist. Etwa zehn Prozent aber sind Katholiken, die meisten von ihnen Polen und Litauer.

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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