Washington:35 Jahre Mahnwache - Amerikas beharrlichste Demonstrantin ist tot

Lesezeit: 2 min

Picciotto auf einem Bild im September 2013 - im Hintergrund ist das Weiße Haus zu sehen. (Foto: AP)
  • 35 Jahre lang harrte Concepción "Conchita" Picciotto gegenüber vom Weißen Haus in einem Zelt aus. Sie protestierte gegen die Verbreitung von Atomwaffen.
  • Von Anhängern als Heldin verehrt, nannten sie Kritiker teils gar krankhaft.
  • Nun starb Picciotto in einem Obdachlosenheim.

Ihr kleines Zelt mit der milchigen Kunststoffplane ist selbst auf Google Maps relativ gut zu sehen. Auf dem rötlich gepflasterten Bürgersteig zwischen dem Lafayette Square und der Pennsylvania Avenue - jener Straße, die an der Nordseite am Weißen Haus vorbeiführt.

Hier harrte seit 1981 Concepción de Martin Picciotto aus. Nur etwa 100 Meter von ihr entfernt residierten nacheinander Ronald Reagan, George Bush, Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama.

Doch das Ende von dessen Amtszeit hat Picciotto nicht mehr erlebt. Die Friedensaktivistin starb am Montag in einem Obdachlosenheim mit geschätzt 80 Jahren. 35 Jahre lang hatte sie vor ihrem von selbst gebastelten Schildern umgebenen Zelt gegen Kriege und die Verbreitung von Atomwaffen protestiert. Im schwülen Washingtoner Sommer wie im verschneiten Winter. Damit war sie wohl die beharrlichste Demonstrantin, die Amerika je gesehen hat.

Picciotto im März 2006 mit einem Plakat, das Präsident George W. Bush als Terroristen bezeichnet. (Foto: dpa)

Was trieb die aus Spanien ausgewanderte Frau an? Der Washington Post zufolge ist über ihr Leben vor 1960 fast nichts bekannt. In New York arbeitete sie demnach zunächst in einer Zweigstelle der spanischen Botschaft. 1969 heiratete sie einen Italiener, mit dem sie eine Tochter adoptierte. Dieses Kind wurde ihr offenbar von den Behörden weggenommen. Sie warf ihrem Mann vor, zusammen mit Ärzten, Anwälten und der Regierung eine Intrige gegen sie gesponnen zu haben. Nachdem sie zu dieser Überzeugung gelangt war, reiste sie 1979 zum ersten Mal nach Washington. Sie hoffte, die Abgeordneten dort könnten ihr helfen. Doch daraus wurde nichts. Picciotto sagte, sie habe das Mädchen zuletzt als Kleinkind gesehen.

"Wir hoffen, dass sie Frieden findet, wo immer sie sein mag"

Dann gab sie den Kampf um die Tochter auf. Kurz darauf traf sie William Thomas, jenen Aktivisten, der eine Mahnwache vor dem Weißen Haus ins Leben gerufen hatte. Seit 1981 stand sie an seiner Seite. Wenn sie schon nicht ihrem eigenen Kind helfen könne, dann wenigstens anderen Kindern, sagte sie. Außerdem wolle sie verhindern, "dass die Welt zerstört" werde.

Picciotto, die auch "Conchita" oder "Connie" genannt wurde, war nicht unumstritten. Von Anhängern als Heldin gefeiert, bezeichneten sie Kritiker als töricht oder gar krankhaft. Sie selbst, sagte Picciotto, werde von der Regierung verfolgt. Dieser gab sie eine Mitschuld an ihren körperlichen Leiden. Ellen Thomas, die Frau von Picciottos Mitstreiter William Thomas, sagte der Washington Post 2013, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liege. Picciotto habe möglicherweise psychische Probleme, die nicht behandelt wurden. Doch sie lobte auch ihr Engagement und ihr Durchhaltevermögen.

Als William Thomas 2009 starb, machte Picciotto weiter. Nach einem Unfall im Jahr 2012 war sie auf die Hilfe jüngerer Aktivisten angewiesen. "Connies Gesundheitszustand war in den vergangenen beiden Jahren nicht gut", erklärte die Gruppe The Peace House, der Picciotto angehörte. "Wir hoffen, dass sie Frieden findet, wo immer sie sein mag." Am Dienstag übernahm ein Mitstreiter ihren Posten. Vor dem Zelt steht nun ein Schild: "Concepcion R.I.P" - Ruhe in Frieden, Concepcion.

"Conception, Ruhe in Frieden" - steht auf dem Plakat. (Foto: AP)
© SZ.de/mane/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: