Wahlkampfstratege Jeffrey Berman:Obamas Eichhörnchenstrategie

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Pedantische Kleinarbeit statt Wahlen nach Zahlen: Wie der eher unscheinbare Wahlrechtsexperte Jeffrey Berman den richtigen Plan für Barack Obama ausgetüftelt hat.

Christian Wernicke

Große Geister brauchen kleine Helfer. Jeffrey Berman ist recht klein, obendrein unscheinbar und überaus verschwiegen. Der 50-jährige Anwalt bevorzugt es, in der Kulisse zu arbeiten. Als Werkzeuge dienen ihm Taschenrechner, Computer und Papier.

Jeffrey Berman, der unbesungene Held der Obama-Kampagne (Foto: Foto: AP)

Viel Papier: In Bermans Schreibtisch lagern Wähleranalysen von fast allen 435 Kongress-Wahlkreisen und, wichtiger noch, jene bisweilen recht eigenwilligen Regeln, nach denen Amerikas Demokraten in jedem der 50 US-Bundesstaaten ihre Delegierten für den Wahlparteitag und zur Kür ihres Präsidentschaftskandidaten bestimmen.

Keiner kennt die diversen Statuten so exakt wie Barack Obamas "Direktor für Delegiertenauswahl" - und kein Kandidat hat so gehorsam den taktischen Vorgaben seines Experten für juristische Feinheiten und Fußnoten gehorcht wie der schwarze Senator aus Chicago.

Jeffrey Berman sei "der unbesungene Held der Obama-Kampagne", pries diese Woche Washingtons Insiderzeitung Politico. Es war dieser Mann mit dem rundlichen Gesicht und den silbergrauen Haaren, der dem Himmelsstürmer Obama mit pedantischer Kleinarbeit den Weg wies zu seinem Aufstieg. Berman wusste aus langjähriger Erfahrung, wo sein Kandidat im Marathon der Primaries am meisten Delegiertenstimmen einsammeln konnte.

Zusammen mit Obamas Kampagnen-Manager David Plouffe, einem Kumpanen aus früheren Wahlschlachten, unterwarf er seinen Kandidaten einer Strategie des fleißigen Eichhörnchens: Nicht in Partei-Hochburgen wie New York oder Los Angeles wühlte sich Obama nach vorn - es war die mühsame Feldarbeit in südstaatlichen Kleinstädten oder in der demokratischen Diaspora von Utah, Idaho und Kansas, die dem anfänglichen Außenseiter den inzwischen uneinholbaren Vorsprung bescherte.

Berman hatte schlicht seine Hausaufgaben gemacht. Wie schon vor 25 Jahren in Harvard: Dort schrieb er bereits 1983 seine Diplomarbeit über Verfassungsprobleme der US-Vorwahlen.

Anschließend diente der überzeugte Demokrat dem Ex-Astronauten und US-Senator John Glenn und später dem Kongressabgeordneten Dick Gebhardt. Doch die Ambitionen der beiden Männer scheiterten, Berman zog sich zurück aus der Politik.

Unglaublich organisierte Maschine

Er verdiente sein Brot als Wirtschaftsanwalt und Telecom-Lobbyist in Washington, bis ihn Anfang 2007 Obama um Hilfe bat. Berman schlug ein, zog in die Wahlkampfzentrale nach Chicago und sieht seine Frau und seine vier Kinder seitdem nur noch selten.

Eine "unglaublich organisierte kleine Maschine" sei dieser Jurist, loben ihn Kollegen. Gewieft und mit langem Vorlauf habe Berman wiederholt Vorwahl-Distrikte aufgespürt, in denen Obama ein, zwei Delegiertenstimmen zusätzlich erringen konnte. Dann hing Berman oft nach Mitternacht am Telefon, um Obamas Truppen zu mobilisieren.

Wie wertvoll dieser Mechaniker der Macht für Obama ist, illustriert der Vergleich mit dem Clinton-Lager: Mark Penn, inzwischen geschasster Chefanalyst der ehemaligen First Lady, glaubte bis kurz vor dem Super Tuesday am 5.Februar, bei der Primary in Kalifornien würden sämtliche Delegiertenstimmen allein dem Sieger zugeschlagen. Ein fataler Irrtum, den Clinton bitter bezahlte (und für den sie ihrem Consultant bis heute ein Millionenhonorar schuldet).

Berman wusste es besser. Obamas Niederlage samt der rettenden, weil proportionalen Stimmverteilung im Westküstenstaat hatte er einkalkuliert. Am Tag danach entwarf Berman eine Prognose für sämtliche noch verbleibenden Primaries, samt der Vorhersage eines Gesamtsieges für den Senator. Die Modellrechnung des kleinen Mannes ging auf: Obama, der Delegiertenfischer, erfüllte Bermans Plan seitdem in 20 von 22 Rennen. Fünf Vorwahlen stehen noch aus - und alle Umfragen verheißen Berman, dass er auch dort recht behalten wird.

© SZ vom 15.05.2008/bavo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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