Wahlkampf:Kurz und scharf

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SZ-Karte; Quelle: APA Brenner (Foto: SZ-Karte)

ÖVP und SPÖ überbieten sich gegenseitig mit populistischen Forderungen gegen weitere Asylsuchende. Da staunt selbst die rechte FPÖ.

Von Cathrin Kahlweit

Anfang Juli, wenn die Sommerferien beginnen, verlassen die Wiener fluchtartig die Stadt, eine gewisse Ruhe und Gelassenheit kehrt ein. Aber in diesem Jahr ist vieles anders, denn am 15. Oktober wird gewählt. Zumindest die politische Klasse hat daher ihre Sommerfrische abgesagt und mit einem Wahlkampf begonnen, der so giftig und so heftig zu werden droht wie nie. Die Schließung des Brenner (ein SPÖ-Vorstoß), eine mutmaßlich manipulierte Studie zu islamischen Kindergärten (ein ÖVP-Problem) und die radikale Kürzung der Mittel für Flüchtlinge (eine FPÖ-Idee) sind derzeit nur drei jener Themen, mit denen das Gift im Land verteilt wird, und es werden nicht die letzten sein.

Schon die zurückliegenden Wahlkämpfe hatten das Land gespalten in zwei Lager: in diejenigen, die für, und diejenigen, die gegen die FPÖ waren; in beiden Fällen waren die Gegner der Rechtspopulisten am Ende in der Mehrzahl gewesen. Diesmal ist es ein Dreier-Rennen, und der Rechtspopulist Heinz-Christian Strache, lange als sicherer Kanzler gehandelt, keucht der Konkurrenz hinterher. Denn ein neuer Player ist im Spiel: Außenminister Sebastian Kurz, 30, der mit einer "Liste Sebastian Kurz - die neue Volkspartei" startet, hinter der die ÖVP steht. Jetzt gilt er den Meinungsforschern als möglicher Wahlsieger.

Die SPÖ hat daher, um nach der Wahl nicht mit der verachteten Kurz-ÖVP koalieren zu müssen, die Tür zur FPÖ aufgemacht. SPÖ-Kanzler Christian Kern gilt als wenig begeistert von dieser - auch an der Basis höchst umstrittenen - rot-blauen Variante, daher läuft sich im Hintergrund auch sein Parteifreund, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil warm. Das ist deshalb wichtig zu wissen, weil Kurz und Doskozil sich derzeit ein populistisches Rennen um potenzielle FPÖ-Wähler liefern, bei dem selbst die FPÖ nur noch staunend daneben steht.

Doskozil hat angekündigt, "angesichts der Migrationsentwicklung in Italien" müsse Österreich vorbereitet sein - und deshalb wissen lassen, er werde gleich mal 750 Soldaten und vier Panzer an den Brenner schicken. Im Falle eines Alarms sei die Truppe innerhalb von drei Tagen voll einsatzfähig. Begründet wird das unter anderem mit der Bedrohung, die von den nach Norden drängenden Migranten ausgehe.

Aber die Zahl derer, die derzeit pro Tag in Tirol aufgegriffen werden, liegt im niedrigen zweistelligen Bereich. Die Zahl der Asylanträge in Österreich hat sich auf dem Niveau von 2014 eingependelt. Österreich wird daher in diesem Jahr wohl unterhalb der selbst gesetzten Obergrenze von 35 000 Asylanträgen bleiben. Von den Flüchtlingen, die innerhalb der EU verteilt werden sollen, hat das Land mit Verweis auf seine hohe Belastung 2015 (bis auf eine kleine Gruppe Minderjähriger) keine aufgenommen. Die martialischen Gesten Doskozils wirken angesichts der Fakten daher unangemessen - erklären sich aber aus dem wahlkampfbedingten Wettlauf um die schärfste Migrationspolitik, den bis dato Sebastian Kurz zu gewinnen schien. Der hat gleich mal ausgerichtet, der Brenner müsse "geschützt" werden und seinen Botschafter in Italien erklären lassen, man treffe Vorsorge für den "Ernstfall". Die Schließung der Mittelmeerroute und die Kürzung von Entwicklungshilfegeld für afrikanische Staaten, die bei der Bekämpfung der Flüchtlingstrecks nicht kooperieren, hat er bereits gefordert.

Kanzler Kern brachte dann am Mittwoch ein wenig Ruhe in die hysterische Debatte: Österreich werde aktuell keine Grenzkontrollen auf dem Brenner einführen, und auch ein Einsatz des Bundesheeres stehe nicht unmittelbar bevor, sagte er. Derzeit gebe es keine Truppen und kein militärisches Gerät auf dem Brenner. Man habe nur, für einen möglichen Bedarfsfall, einen Notfallplan beschlossen.

Kurz, Hoffnungsträger der "neuen Volkspartei", liegt in Umfragen derzeit fast zehn Prozentpunkte vor Strache und Kern. Sollte er sich so weit vorn halten, könnte er sich den Partner im Herbst aussuchen. Wien wettet für diesen Fall auf eine schwarz-blaue Koalition. Aber der junge Mann hat gerade mit einem Skandal zu kämpfen, der an seinem Saubermann-Image kratzt. Der Außen- und Integrationsminister hatte 2015 eine Studie über islamische Kindergärten in Auftrag gegeben und seither immer wieder darauf Bezug genommen. Darin wird die Integrationsfeindlichkeit zahlreicher Einrichtungen belegt. Nun hat die Wochenzeitung Falter aber Unterlagen veröffentlicht, die zeigen, dass Beamte des Außen- und Integrationsministeriums offenbar massiv Eingriffe in der Studie vorgenommen haben; augenscheinlich wurden die Ergebnisse unzulässig zugespitzt.

Eine "Mogelpackung" - so nannte FPÖ-Chef Strache den jungen Konkurrenten Sebastian Kurz. Strache selbst ist in einer ungewohnten Rolle, denn er muss die Populisten in den anderen Parteien übertrumpfen. Daher fordert Strache nun, für Menschen, die noch nie in die Sozialsysteme eingezahlt hätten, solle es in Zukunft nur noch ein Dach über dem Kopf, Sachleistungen - und 40 Euro im Monat geben. Das müsse reichen.

© SZ vom 06.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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