Wahlgabe Abwrackprämie:Geschenke können Gift sein

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Eine kleine Geschichte der Wahlgeschenke: Wir sind gerne ein Volk von Beschenkten, aber wir verachten diejenigen, die schenken.

Heribert Prantl

Cato der Jüngere war ein Mann, der mit sich und dem Staat streng war und streng umging. Er glaubte an die Macht der Argumente und weigerte sich daher, Wahlgeschenke zu verteilen oder zu versprechen. Aber Konsul wurde er auf diese Weise nicht. Er fiel bei der Wahl durch. Das war 51 vor Christus. Das römische Volk war nämlich an Wahlgeschenke gewöhnt, nicht wenige Bürger lebten davon. So viel hat sich da in den vergangenen zweitausend Jahren nicht geändert.

2500 Euro für ein altes Auto: Die Abwrackprämie wird verlängert. (Foto: Foto: dpa)

Es ist zwar heute nicht mehr so, dass die Bürger von den Wahlgeschenken ihre Existenz bestreiten. Aber gang und gäbe sind sie nach wie vor: Eines der größten Wahlgeschenke der bundesdeutschen Geschichte wurde soeben noch vergrößert (2500 Euro erhält jeder, der sein altes Auto verschrottet und sich ein neues kauft).

Der Run auf die Prämie ist ungeheuer - wohl deswegen, weil auch diejenigen sie beantragen, die die Abwrackprämie für einen wirtschaftlichen und ökologischen Schmarren halten. Aber es ist halt so wie im Sprichwort: Dem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul und die 2500 Euro kann man in die Tasche stecken und gleichwohl die reine Lehre im Munde führen.

Abstrakt verurteilen, konkret annehmen

Mit Wahlgeschenken in der Demokratie verhält es sich so: Der Wähler verurteilt sie abstrakt, nimmt sie aber konkret gern in Anspruch. Wahlgeschenke blinken und glitzern sehr undemokratisch. Die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches haben die Stimmen der Kurfürsten gekauft; die großzügigen Wahlgeschenke der Habsburger wurden vom Geld der Fugger finanziert. König Ferdinand I. verlieh ihnen deswegen das Recht zur Prägung von Gold- und Silbermünzen. Wie die Regierung Merkel ihr Milliardengeschenk finanzieren will, ist noch nicht so klar.

In der Funktion und Bedeutung der Wahlgeschenke spiegelt sich die merkwürdige Schizophrenie des demokratischen Souveräns: Wir erwarten von der Politik alles und verachten ihr Personal zutiefst. So beklagt es nicht nur ein Wolfgang Thierse bei Diskussionen über die sogenannte Politikverdrossenheit. Es ist schon so: Der Wähler erwartet gern Wohltaten von der Politik, und geißelt dann den Wohltäter.

Wahlkampf gilt beinahe als ein Fäkalwort der Demokratie, als eine unanständige Verrichtung jedenfalls. Aber Wahlkampf gehört nun einmal dazu. Die Menagerie von heute ist ohnehin bescheidener als früher. Unter Kaiser Gordian III. sollen einmal 32 Elefanten, 60 Löwen, 10 Tiger, ein Nashorn, ein Nilpferd und 30 Leoparden in einer einzigen Wahlkampfshow aufgetreten sein. Das ist 1800 Jahre her.

Demokraten sind Voyeure

Die Menagerie von heute ist bescheidener geworden. Es gilt schon als Spektakel, wenn ein Politiker in einer Container steigt oder mit dem Fallschirm vom Himmel hüpft. Sicherlich: Wir leben in einer anderen Staatsform, wir sind aufgeklärt, wir sind Demokraten. Aber auch Demokraten sind Voyeure - so viel zu Wahlkämpfen. Und auch Demokraten sind Egoisten - so viel zu den Wahlgeschenken.

Die Demokratie ist keine Heil- und Besserungsanstalt für menschliche Gelüste, auch wenn es sicherlich so ist, dass eine Demokratie sich bei der Inszenierung von Politik mehr zurückhalten kann als andere Staatsformen. Sie verschafft sich ihre Legitimation durch Verfahren, durch die Einhaltung klarer Regeln, nicht durch Brimborium.

Mehr als Wahlwerbung

Vielleicht muss man also Wahlgeschenke daran messen, ob sie nur Brimborium sind - oder ob sie einen substantiellen politischen Zweck verfolgen, den man nicht einfach als Unfug abtun kann. Vor der Abwrackprämie gab es in der bundesdeutschen Geschichte zwei ganz große Wahlgeschenke, die beide viel mehr waren als bloße Wahlgeschenke.

Sie waren gesellschaftspolitische Großprojekte: Einmal die Einführung der dynamischen Rente durch Kanzler Adenauer im Jahr 1957. Dass Adenauer damit die Bundestagswahl mit absoluter Mehrheit gewann, mindert gewiss nicht die Bedeutung der Rentenreform als kluges Projekt sozialer Umverteilung. Willy Brandt schließlich hat als Wahlgeschenk die flexible Altersgrenze eingeführt. Aus heutiger Sicht war das ein gesellschaftspolitischer Fehler; damals war es eine gesellschaftspolitische Großtat.

Das Fazit: Wahlgeschenke sind nicht per se die Trojanischen Pferde der Demokratie.

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