Wahl in Hamburg:Blutgrätsche vom Vorgänger

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Die Bundes-CDU hat die Bürgerschaftswahl in Hamburg schon abgeschrieben. Bürgermeister Ahlhaus kämpft verzweifelt gegen miserable Umfragewerte an - und muss nun auch noch eine Blutgrätsche ausgerechnet von seinem Vorgänger Beust aushalten.

Die Parteistrategen in der Hamburger SPD-Zentrale an der Kurt-Schumacher-Allee können ihr Glück kaum fassen. Erst begibt sich Hamburgs beliebter Dauer-Bürgermeister Ole von Beust in den vorzeitigen Ruhestand, bringt seine CDU damit an den Rand des Abgrunds, und dann liefert er als Privatier seinem verzweifelt wahlkämpfenden Nachfolger Christoph Ahlhaus auch noch eine echte Blutgrätsche. "Die Rückkehr zu einer konservativen Politik ist nicht erfolgversprechend", sagt er mitten im Kurzzeit-Wahlkampf für die vorgezogene Bürgerschaftswahl am 20. Februar in einem Hörfunk-Interview über die von Ahlhaus und Parteichef Frank Schira verordnete Abkehr von einer liberalen Großstadtpolitik.

Fluch der Karibik? Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus bei einer Wahlkampfveranstaltung der CDU am Samstag (Foto: dapd)

Und als ob das noch nicht reichte, bringt er quasi zum Auftakt der sieben Landtagswahlen in diesem Jahr auch noch die wegen seines als überflüssig empfundenen Abgangs vergrätzte Bundes-CDU erneut auf die Palme: "Wenn mir klar gewesen wäre, dass die Züge so aufeinanderzurollen und es knallt, hätte ich auch noch bis zum Ende der Legislatur machen können", sagt er.

Bekanntermaßen hat Beust aber genau das nicht getan. Der Architekt von Deutschlands erster schwarz-grüner Koalition auf Landesebene beging im August vergangenen Jahres - wie böse Zungen behaupten - in schwieriger Zeit Fahnenflucht, um nach rund neun Jahren im Amt auf Sylt ausspannen zu können. Für die CDU Hamburg war das der Anfang vom bislang vorläufigen Ende.

Selbstbewusste Sozialdemokraten

Noch während der 100-Tage-Schonfrist für Neulinge stellten die Grünen Beusts Nachfolger Ahlhaus den Stuhl vor die Tür und ließen die Koalition nach rund zweieinhalb Jahren platzen. Während sie selbst sagen, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei, erklären sich Kritiker das plötzliche Aus eher mit dem Wunsch der Grünen, an den bundesweit guten Umfragewerten ihrer Partei partizipieren zu wollen. Und in der Tat: Während die sich schmählich verlassen fühlende CDU nach einem Wahlergebnis von 42,6 Prozent 2008 nun vor Werten von maximal 26 Prozent schaudert, freuen sich die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Anja Hajduk über beinahe doppelt so viel Zuneigung wie bei der Wahl vor knapp drei Jahren.

Der eigentliche Gewinner des schwarz-grünen Kollapses dürften jedoch die Sozialdemokraten sein. So verkündet SPD-Chef Olaf Scholz noch am Tag der Scheidung: "Ich will Bürgermeister werden." Und mit Umfragewerten jenseits der 40 Prozent im Kreuz lässt der frühere Bundesarbeitsminister mit - wie Kritiker bemerken - an Überheblichkeit grenzendem Selbstbewusstsein keinen Zweifel daran, dass er seine SPD nach rund zehn Jahren aus der Opposition erlösen will. Ja, er sagt sogar, dass er nicht nur diese, sondern auch gleich die nächste Wahl 2015 zu gewinnen gedenke. Als Koalitionspartner hat er sich bislang die Grünen ausgeguckt - sofern er überhaupt einen braucht, wie Scholz sagt.

Für die Bundes-CDU hätte das alles nicht sein müssen. Hamburg galt mit Ole von Beust als sichere Bank und der Abgang des 55-Jährigen erbost dem Vernehmen nach selbst Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel noch heute. Denn sechs Wahlen in den Ländern hätten ihr in diesem Jahr völlig gereicht. Nun fängt ihr Wahlkampf nicht erst im Frühjahr mit den Vorbereitungen auf Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im März an. Sie muss sofort ran. Das ist für die Bundespolitik insgesamt eine enorme zusätzliche Belastung und für die schwarz-gelbe Koalition im Bund eine harte Prüfung.

Brav gibt sich nun also in Hamburg Berliner Politprominenz wie Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) oder die Kanzlerin selbst die Klinke in die Hand. Ahlhaus wird in der Partei geschätzt. Große Chancen werden ihm aber dennoch nicht eingeräumt. Auch deshalb versucht die CDU, die Landtagswahl in Baden-Württemberg am 27. März als den eigentlichen Auftakt zu werten, wo sie sich wieder im Aufwind wähnt. Und im Stammland von Union und FDP ist der Ausgang der Wahl bundespolitisch tatsächlich auch wichtiger. Kippt dort Schwarz-Gelb, wird es für FDP-Chef Guido Westerwelle innerparteilich eng und wohl auch ziemlich unruhig in der Koalition.

Ahlhaus kämpft währenddessen in Hamburg unvermindert weiter, sagt tapfer Sätze wie "Die Wahl ist noch lange nicht entschieden" oder "Wir haben alle Chancen, die Bürgerschaftswahl im Sinne der Stadt, im Sinne der CDU zu entscheiden". Mut machen und das Parteimotto "Gerade jetzt CDU" pflegen, lautet die Devise.

Etwas schwierig scheint da nur die Musikauswahl zum Einmarsch der Matadore bei Großveranstaltungen der CDU: Hat sich die Union doch dafür in der Stadt des Welthandels und des ersten großen Piratenprozesses in Deutschland seit Störtebeker vor rund 600 Jahren ausgerechnet die Titelmelodie von Fluch der Karibik ausgesucht.

© Markus Klemm und Kristina Dunz, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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