VW:In der Wagenburg

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Im Skandal um die manipulierte Software bei Volkswagen folgt eine schlechte Nachricht auf die nächste. Das wird so weitergehen, wenn das Unternehmen nicht endlich reagiert. Wie das gehen kann, hat Siemens vorgeführt.

Von Caspar Busse

Wenn man denkt, es kann eigentlich nicht mehr schlimmer werden, setzt es auch schon den nächsten Schlag. So ergeht es der Öffentlichkeit und den Volkswagen-Mitarbeitern gerade beim Abgas-Skandal. Nur scheibchenweise tritt die ganze Wahrheit ans Licht. Das Ende dieser beispiellosen Betrugsaffäre dürfte wohl noch lange nicht erreicht sein. Die Staatsanwälte weiten ihre Ermittlungen bereits aus. Mit neuen peinlichen Enthüllungen muss stets gerechnet werden.

Gerade erst haben Audi und Porsche eingeräumt, dass auch in den größeren und teureren Autos, für die Kunden sehr viel Geld ausgegeben haben, die verbotene Software eingebaut wurde, also das Programm, mit dem die Abgaswerte manipuliert wurden. Noch vor Kurzem hatten Audi und VW entsprechende Vorwürfe der US-Behörden hart dementiert. Jetzt wird versucht, die Angelegenheit als Missverständnis darzustellen, Audi bestreitet eine vorsätzliche Täuschung. Was auch immer stimmt: Es verfestigt sich der Eindruck von Unprofessionalität und Hilfslosigkeit. So wird der Volkswagen-Konzern jedenfalls nicht das verlorene Vertrauen zurückgewinnen können, sondern möglicherweise noch tiefer im Skandal versinken.

Das Problem ist gravierend. Eine rücksichtslose Aufklärung ist derzeit keinesfalls gewährleistet - jedenfalls nicht mit dem jetzigen Management. An der Spitze des Aufsichtsrats steht seit einigen Wochen Hans Dieter Pötsch. Er war zwölf Jahre Finanzvorstand bei VW und ein Vertrauter von Konzernchef Martin Winterkorn. Hat er von den Betrügereien gewusst oder hat er nur nicht genau genug hingeschaut? Pötsch kann diesen Skandal nicht glaubhaft aufklären, weil er doch selbst irgendwie involviert ist.

Ohne Aufklärer von außen ist der Skandal nicht zu bewältigen

Gleiches gilt für den neuen Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller. Er hat sein gesamtes Arbeitsleben im Volkswagen-Konzern verbracht und fing bereits 1971 als Lehrling bei Audi an, machte Karriere, hatte das Vertrauen von Ex-Konzernchef Martin Winterkorn und von Ferdinand Piëch. Zuletzt war er Vorstandschef von Porsche, also der Marke, die nun ebenfalls vom Abgas-Skandal betroffen ist. Über Erfahrung im Umgang mit großen Krisen verfügt er nicht. Müller hat gleich zu Anfang eine "schnelle und schonungslose Aufklärung" versprochen. Doch es darf durchaus bezweifelt werden, ob er dazu überhaupt in der Lage ist.

Eine grundlegende Aufarbeitung des Skandals mit den Protagonisten Pötsch und Müller ist also kaum möglich. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass die US-Behörden sich wohl kaum auf eine wie auch immer geartete Lösung des Konflikts mit VW einlassen würden, wenn nicht auch an der Spitze ein glaubhafter Neuanfang gemacht wird. Siemens ist dafür ein gutes Beispiel: Die Bereinigung der Korruptionsaffäre hat Peter Löscher betrieben, ein Mann, der von außen kam, zusammen mit Gerhard Cromme, der neu an die Spitze des Aufsichtsrats gerückt war. Bei aller Kritik an Löscher (inzwischen im Streit ausgeschieden) und an Cromme - sie haben eine Einigung in den USA gefunden und es immerhin geschafft, Siemens wieder auf einen neuen Kurs zu bringen.

Davon ist VW noch weit entfernt. Die Beharrungskräfte in Wolfsburg sind groß, Aufklärer von außen eigentlich nicht erwünscht. Selbst der Betriebsrat unterstützt die Wagenburgmentalität. Er habe den Eindruck, es mache vielen einfach Spaß, jetzt VW-Bashing zu betreiben, sagte Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh. Mit einer solchen Einstellung schließt man vielleicht die eigenen Reihen. Einen echten Neuanfang kann man so aber kaum schaffen. Dabei ist die Lage ernst bei VW - es geht um nichts anderes als um den Erhalt des Weltkonzerns.

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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