VW-Abgasaffäre:Hollywood in Wolfsburg

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Alle Vorwürfe zurückgewiesen: Verkehrsminister Alexander Dobrindt. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Welche Rolle spielen Niedersachsens Ministerpräsident Weil und Bundesverkehrsminister Dobrindt in dem Skandal?

Von Markus Balser, Max Hägler

Dass Volkswagen guten Stoff für Drehbücher liefert, haben TV-Macher längst erkannt. Die Produktionsfirma des Schauspielers Leonardo DiCaprio sowie die großen Paramount Studios haben sich schon kurz nach Bekanntwerden des Skandals in den USA vor eineinhalb Jahren die Filmrechte für ein geplantes Buch über den Aufstieg und den tiefen Fall des Autokonzerns gesichert.

Dass Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in diesem Plot einen spannenden Auftritt bekommen würde, war nicht unbedingt zu erwarten. Er galt bislang als Randfigur. Die Regierungsparteien hatten ihn als eine Art Entlastungszeugen für den Auftritt im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestags am Donnerstag vorgesehen und geladen. Als einen, der für die Seriosität der Politik steht.

Doch Weils Rolle wird gerade umgeschrieben. Seit ein paar Tagen steckt er mittendrin in der Geschichte um die schmutzigen Motoren und Intrigen. Vor knapp zwei Wochen wurde bekannt, dass Ex-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch mehrere Kontrolleure bei Ermittlern beschuldigt haben soll, bereits im Frühjahr 2015 von den Machenschaften bei VW gewusst zu haben, also viel früher als bislang bekannt. Unter ihnen: Stephan Weil. Hätte der VW-Patriarch recht, wäre das eine Katastrophe für den Konzern. Denn erst im September 2015 gab VW zu, ein Problem mit Dieselmotoren zu haben. Gerne hätten Leute aus seiner Partei Weil wegen der Wendung den Auftritt erspart, heißt es in der Opposition. Doch die wollte am Termin festhalten.

Und so nimmt der Zeuge Weil am Donnerstag im Anhörungssaal E 700 im Paul-Löbe-Haus des Bundestags Platz. Ihm gegenüber sitzt ein gutes Dutzend Abgeordnete des Bundestagsausschusses zur Abgasaffäre. Sie wollen wissen, was wahr ist in dieser Affäre - und was gelogen.

Weil beginnt damit, das entscheidende Wochenende zu schildern, an dem der Skandal ruchbar wurde. An jenem Samstag, dem 19. September, habe er nicht etwa von der Konzernspitze vom Riesenskandal erfahren, sondern am Abend aus der "Tagesschau". "Ich konnte das nicht einordnen", sagt Weil. Einen Anruf aus Wolfsburg bekam Weil nicht, dabei ist er gleich dreifach mit VW verbunden, wie er dem Ausschuss erklärt: Als Ministerpräsident des Stammlandes des weltgrößten Autokonzerns, als Mitglied des Aufsichtsrates und als Repräsentant eines wichtigen Aktionärs: Niedersachsen hält 20 Prozent am Unternehmen. Enger geht es kaum.

Und dennoch sah und hörte er über den Fall nur indirekt. "Übers Wochenende hinweg gab es immer mehr Berichte." Als er am Montag immer noch keine Informationen von dort erhalten habe, so Weil, habe er in Wolfsburg anrufen lassen. Dann erst sei ihm nach und nach der ganze Schlamassel geschildert worden: elf Millionen Autos mit betrügerischer Software. Einen "der größten Schadensfälle, auch Skandale der deutschen Wirtschaftsgeschichte", nennt er es. Geärgert habe es ihn, dass ihn der Vorstand nicht früher eingebunden habe. Später habe sich die Chefetage entschuldigt.

Die Vorwürfe Piëchs weist Weil scharf zurück. Alle von ihm genannten Personen hätten die Vorwürfe zurückgewiesen: Die beiden mutmaßlichen Kronzeugen und die vier VW-Oberen, denen Piëch dann davon erzählt haben will. "Ich habe im September 2015 von Dieselgate erfahren - nicht früher", sagt Weil. "Ich meine, sagen zu können, der Gegenbeweis ist erbracht." Eine Hauptrolle im Dieseldrama sieht die Opposition im Deutschen Bundestag schon seit Monaten indes bei Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Grüne und Linke werfen der Regierung in der Affäre zu große Nähe zur Industrie und mangelnden Aufklärungswillen vor. Dobrindt weist alles zurück. "Keine andere europäische Regierung hat so eine Vielzahl von Messungen veranlasst", sagt der CSU-Mann. Die Bundesregierung und er selbst hätten erstmals am Wochenende des 19. September 2015 von Manipulationsvorwürfen gegen VW erfahren, wie Weil aus den Medien. Bei einem Treffen mit VW-Chef Martin Winterkorn habe er Einzelheiten erfahren und die Kanzlerin informiert. Auch der Bundesregierung gegenüber legte VW offenbar nicht alle Karten auf den Tisch. "Das Ausmaß der Affäre war uns da noch nicht klar", sagt Dobrindt. Das wurde dafür am Donnerstag deutlich. Alle Volkswagen mit manipulierter Abgasreinigung könnten Dobrindt zufolge in Deutschland bis zum Herbst umgerüstet sein. Das seien 2,5 Millionen Autos des Konzerns aus Wolfsburg. Die Hälfte habe inzwischen ein Software-Update, das die Abgasmanipulation beende. Die Aufklärung geht derweil weiter. Nächster Zeuge im Abgas-Ausschuss: Kanzlerin Angela Merkel.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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