Volkswagen:Radikale Reformen

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Der VW-Konzern steckt so tief in der Krise, dass große Veränderungen nötig sind. Die jetzige Führung muss gehen. Außerdem sollte man sich auf VW, Audi und Porsche konzentrieren.

Von Marc Beise

Noch am Dienstag hat der VW-Vorstandsvorsitzende Matthias Müller vor 20 000 Beschäftigten Durchhalteparolen verkündet. Tenor: Lasst euch durch die Berichterstattung nicht irremachen, wir haben alles im Griff. Wirklich im Griff hat Matthias Müller aber nur noch seinen Chefposten, und selbst da kann er sich, mit anderen Führungskräften, aus gutem Grund nicht mehr sicher sein.

Der Druck wird immer größer und der Kampf an drei Fronten für den Konzern fast aussichtslos. Er muss erstens seine Autos technisch wieder in Ordnung bringen. Das kostet Zeit, wird aber immerhin gelingen. Er muss zweitens den Imageschaden begrenzen. Das ist schwer, weil man Behörden und Kunden über lange Zeit belogen hat, und weil große Teile des heutigen Führungsteams damals schon Spitzenpositionen innehatten.

Müller & Co. können zwar sagen: Wir wussten von nichts. Selbst wenn das stimmte (was viele aus guten Gründen nicht mehr glauben), waren sie doch dabei. Ein neues Image aber kann, wie damals bei der Schmiergeldaffäre von Siemens, nur mit neuen Leuten gelingen. Am schwierigsten ist die dritte Herausforderung: Die anschwellende Klageflut durch staatliche und private Stellen summiert sich bereits auf viele Milliarden Euro, es kommen immer neue dazu. Das Ganze scheint uferlos zu sein - und provoziert Beobachter zu der schlimmsten aller Fragen für diesen einst so stolzen Konzern: Wird VW pleitegehen?

Der Konzern sollte sich auf drei Automarken konzentrieren

Die Antwort lautet: Wohl nicht. Zum einen werden die Gerichte aller Erfahrung nach wohl nicht jene astronomisch hohen Schadenersatz- und Strafzahlungen verhängen, auf die geklagt wird. Zum anderen haben Justiz und Behörden am Ende meist ein Einsehen; davon hat sogar der Energiekonzern BP profitiert, der nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko schon totgeschrieben wurde. Er kam mit einer Strafe von fast 20 Milliarden Euro davon, die ihn zumindest nicht in der Existenz bedroht.

Aber das Überleben wird für VW teuer werden. Deshalb sollte man sich in Wolfsburg rasch zu einer Doppelstrategie durchringen, die dort noch keiner will: Es müssen wegen Organisationsversagen alle gehen, die damals führend dabei waren, ob ihnen nun individuelle Schuld nachzuweisen ist oder nicht. Und der Konzern muss sich radikal verkleinern: Er muss - was jetzt schwer genug ist - die meisten seiner Marken abstoßen, zum Beispiel die Lastwagen-Tochter MAN Scania an die Börse bringen, Abschied von allen Weltmachtallüren nehmen ("größter Autokonzern der Welt") und sich bescheiden weit hinter BMW und Daimler auf ein weniger spektakuläres Kerngeschäft konzentrieren: Volkswagen und Audi, vielleicht noch Porsche bauen.

Alles andere muss weg. Man wird das Geld brauchen, um all die Prozesse, Urteile und Strafzahlungen durchzustehen. Wichtiger noch: VW muss sich in der Krise auf ein überschaubares Geschäft konzentrieren. Volkswagens große Zeit ist auf viele Jahre vorbei, vielleicht auf immer. Und das Desaster ist, um das klarzustellen, ganz und gar selbst verschuldet.

© SZ vom 14.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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