Verkehr:"Blaue Plakette" für Dieselautos gestoppt

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Eigentlich wollte Umweltministerin Hendricks den Kommunen erlauben, Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß aus Innenstädten zu verbannen. Doch nach vielen Protesten gibt sie ihr Vorhaben nun auf.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat ihren Vorschlag einer Blauen Umwelt-Plakette für Dieselfahrzeuge vorerst zurückgezogen. "Die Diskussion hat sich verschärft", sagte ihr Sprecher als Begründung für Hendricks' Entschluss, nicht länger an der umstrittenen Kennzeichnung für schadstoffarme Wagen festzuhalten.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte Hendricks' Rückzug "fahrlässig". Der nötige Kurswechsel der Autoindustrie bleibe so aus. Auch Umweltverbände wie Greenpeace und BUND kritisierten die Abkehr von der Plakette scharf. Hendricks scheue den Streit mit Industrie und Verkehrsminister, sagt der Chef der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch. Nachdem in den vergangenen Monaten bereits Automobilverbände und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Plakette als "mobilitätsfeindlich" abgelehnt hatten, griffen zuletzt auch Vertreter des Baugewerbes, des Handwerks und von mittelständischen Unternehmen den Vorschlag der Ministerin an. Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des deutschen Baugewerbes, Felix Pakleppa, ließ sich vor einer Woche mit einem Fahrrad auf einer Baustelle fotografieren und warnte, eine Blaue Plakette in den Innenstädten verhindere "komplett das Bauen".

Hendricks hatte den Kommunen per Verordnung ermöglichen wollen, Dieselfahrzeuge, die viel Stickoxid ausstoßen, aus bestimmten Stadtgebieten auszuschließen. Im Gespräch waren örtliche Fahrverbote für Lkw und Dieselwagen ohne die Abgasnorm Euro 6, Autoverbände sprachen von 13 Millionen Dieselfahrern. Hendricks' Sprecher entgegnet, dass nur ein Bruchteil von ihnen tatsächlich ein Stadtgebiet meiden müsste. Dagegen seien "mehr als 400 000 Menschen von zu hohen Stickoxidwerten betroffen". Etwa 80 Städte hätten mit der Blauen Plakette die Luftqualität verbessern können.

Im April hatten die Umweltminister aller Bundesländer Barbara Hendricks auf einer Sondersitzung in Berlin gebeten, den Kommunen die Diesel-Plaketten zu ermöglichen. Schließlich seien die zu hohen Emissionen dieser Fahrzeuge "der wesentliche Grund", dass viele Städte die EU-Abgasgrenzen überschritten, hieß es in dem Länderbeschluss. Wegen der hohen Schadstoffbelastung führt die Europäische Kommission zur Zeit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland.

Verkehrsminister Dobrindt nennt die Blaue Plakette dennoch einen "falschen politischen Ansatz". Verbote seien nicht wirkungsvoll, vielmehr müsse man "Fahrzeuge, die sich ständig im Stadtverkehr befinden, etwa Taxis, Busse, Behördenfahrzeuge" auf umweltfreundlichere Antriebe umstellen. Auch die Verkehrsminister der Länder begrüßten den Stopp. Bei einer Konferenz Anfang September soll eine Arbeitsgruppe einen Kompromiss "mit einer breiten Akzeptanz" finden. Im federführenden Ressort in Bremen denkt man über zeitlich begrenzte Fahrverbote nach. Die SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann warnt jedoch vor hohen Kosten durch Bürokratie.

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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