Verkehr:Ausgebremst

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Die geplante Autobahngesellschaft könnte sich verzögern, denn mal wieder gehen die Unionsparteien aufeinander los. Gestritten wird nicht nur um Macht und Einfluss innerhalb der neuen Gesellschaft.

Von Markus Balser, Berlin

Die Agenda des Verkehrsausschusses am Mittwoch schien klar. Auf der Tagesordnung stand eines der ganz großen Regierungsprojekte: die geplante Autobahngesellschaft. Es geht um viel Geld, ein hochsensibles Vorhaben und die Angst vor einer verkappten Privatisierung. Denn der Bund will Planung, Bau und Betrieb des knapp 13 000 Kilometer großen Bundesautobahnnetzes - Wert: 240 bis 270 Milliarden Euro - in eine eigene Gesellschaft auslagern. Vom Jahr 2021 an soll die "Infrastrukturgesellschaft Verkehr" für ganz Deutschland Autobahnen verwalten. Erst vor ein paar Tagen hatte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Pläne im Kabinett bekräftigt.

Der Koalition droht der nächste Streit - und wieder gehen die Unionsparteien aufeinander los

Doch nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wurde das Thema von den Parlamentariern am Mittwoch kurzerhand abgesetzt. Aus der von der Regierung erhofften raschen Billigung des Plans wird nichts. Auch der Haushaltsausschuss wird sich, anders als vom Verkehrsminister erhofft, in dieser Woche mit dem Thema nicht beschäftigen. Denn es ist Streit um das Vorhaben entbrannt, das die Regierung selbst vollmundig als die "wohl bedeutendste organisatorische Reform der deutschen Verkehrsinfrastruktur" überhaupt beschreibt. Auseinandersetzungen gibt es nicht nur um die künftigen Standorte der Gesellschaft, sondern auch um die Macht im Aufsichtsrat und den Einfluss der Beschäftigten. Ministerien streiten. Gewerkschaften gehen auf die Barrikaden. Sie halten die Pläne gar für verfassungswidrig.

Ausgerechnet die Unionsparteien gingen mal wieder aufeinander los. Das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU) warf Scheuers (CSU) Verkehrsministerium am 25. Juni per Brief vor, eine "nicht ressortabgestimmte Fassung" des Gesellschaftsentwurfs eingebracht zu haben. So geht es aus einem Brandbrief von Wirtschaftsstaatssekretär Ulrich Nußbaum an seinen Verkehrskollegen Gerhard Schulz hervor. Der Übersendung des Entwurfs an Bundestagsausschüsse widerspreche man, "bis wir hier eine Einigung gefunden haben", wettert Nußbaum. Für Ärger sorgte, dass der Entwurf aus dem CSU-Ministerium bei der Verteilung der Standorte und damit Tausender Jobs bestimmte Landesteile bevorzugt. Wenn der Bund mit der neuen Autobahngesellschaft die Planung der Fernstraßen an sich zieht, die bisher Landesbehörden und Landesbeschäftigte in seinem Auftrag erledigt haben, werden die Claims neu abgesteckt. So seien in sechs ostdeutschen Ländern nur zwei Niederlassungen vorgesehen. Das widerspricht dem Ziel des Bundes, den Osten zu stärken. Stattdessen kommt Bayern überraschend gut weg. Die Niederlassung "Ost" soll für 1450 Kilometer Autobahn nur drei Außenstellen, die kleinere Niederlassung "Südbayern" für 1330 Kilometer aber gleich vier bekommen.

Gewerkschaften sehen zudem die Rechte der Beschäftigten gefährdet. Die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Beamtenbund beklagen einen vielfachen Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte im Entwurf des Gesellschaftervertrags. Und auch der Einfluss der Ministerien im Aufsichtsrat ist umstritten. So will sich das Verkehrsministerium mit vier Kontrolleuren den größten Einfluss sichern. Finanz- und Wirtschaftsministerium sollten nach den Plänen nur je ein Mandat bekommen. Das Wirtschaftsressort reklamiert jedoch für sich und das Finanzministerium je zwei Mandate. Zwei Mandate und den Vorsitz könnten die Verkehrskollegen bekommen.

So drohen Verzögerungen, obwohl die Zeit drängt. Nach Verkündung des Haushalts Mitte Juli blieben nach Gesetz nur zwei Monate Zeit für die Gründung der Gesellschaft. Abgeordnete halten das für schwierig. Der Zeitplan werde gehalten, teilt das Verkehrsministerium mit. Es gebe weitere Gespräche mit den Gewerkschaften. Der Abstimmungsprozess mit dem Wirtschaftsministerium habe stattgefunden. Die Abgeordneten, die darüber abstimmen sollen, kennen bislang aber keine Lösung. Die Sommerpause werde nun für "weitere Gespräche mit den Fachpolitikern und den Mitgliedern des Haushaltsausschusses" genutzt, heißt es im Verkehrsministerium.

© SZ vom 05.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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