Vatikan:Nicht protokollfest

Der Papst agiert spontan - auch deshalb wird er geliebt.

Von Andrea Bachstein

So geht das also, wenn sich die Kanzlerin über jemanden ärgert. Sie ruft ihn an und schimpft ihn aus - selbst wenn es der Papst ist. Dies hat, der Zeitung Corriere della Sera zufolge, Franziskus selbst erzählt. Nun fragen sich viele, was diplomatische Gepflogenheiten noch gelten, wenn selbst der Pontifex vertrauliche Telefonate an Journalisten weiterträgt. "Etwas wütend" sei Merkel gewesen, soll er gesagt haben, weil er in Straßburg Europa mit einer unfruchtbaren Frau verglichen habe.

Kaum hatte der Corriere diese Geschichte in die Welt gesetzt, ließ Merkels Regierungssprecher wissen, die Kanzlerin erinnere sich nicht an den Anruf. Sprich: Der Papst schwindele. Dann stellte auch der Vatikan klar: Merkel hat nicht angerufen. Die beiden waren vielmehr wohl bei einer Privataudienz auf das Thema gekommen. Ein Aperçu nur, aber typisch für Franziskus. Es ist unwahrscheinlich, dass er Merkel als überheblich vorführen wollte. Er plaudert halt gerne, formuliert frei - und stürzt den Vatikan so ab und an in Verlegenheit.

Franziskus sieht das Protokoll eher als Vorschlag denn als Zwang an. Er erlaubt sich Freiheiten, das ist sein Stil. Viele sind begeistert, weil er sich erfrischend vom Kuriensprech absetzt. Öffentlichkeitsarbeiter im Vatikan mögen beten, Franziskus solle nicht mehr mit Journalisten plaudern. Aber dem Papst erteilt man keine Benimmrügen. Merkel weiß das.

© SZ vom 11.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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