USA:Volksvertreter aus dem Kampfjet

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"Ich habe Bomben auf al-Qaida und die Taliban abgeworfen": So macht Amy McGrath (hier mit ihrem Ehemann Erik Henderson) Wahlkampf in Kentucky. (Foto: James Crisp/AP)

Auffällig viele Veteranen wollen für die Demokraten bei den Kongresswahlen antreten. Der Flügelkampf in der Partei könnte sich nun verschärfen.

Von Alan Cassidy, Washington

Ein Kampfjet auf der Startbahn, ein Kampfjet am Himmel, ein Kampfjet aus der Cockpit-Sicht: Das Wahlkampfvideo von Amy McGrath gibt viele Hinweise darauf, was die Frau in ihrem früheren Leben getan hat. Und damit auch der letzte Zweifel ausgeräumt wird, sagt sie es in ihrem Video selber: "Ich bin als F-18-Pilotin 89 Einsätze geflogen, habe Bomben auf al-Qaida und auf die Taliban abgeworfen. Ich bin auf Flugzeugträgern gelandet. Jetzt kandidiere ich für den Kongress."

Ein anderes Video, ein anderer Veteran: Max Rose liegt auf einer Bahre, einen blutigen Verband um den Kopf gewickelt. Man hört einen Hubschrauber knattern, man sieht, wie seine Kameraden Rose auf einer Bahre davontragen. Er habe in Afghanistan Soldaten in den Kampf geführt, sagt Rose im Wahlkampfspot. Jetzt wolle er in den Kongress, weil es dort jemanden brauche, der Mut zu schwierigen Entscheidungen habe. "Ich werde kämpfen wie der Teufel."

McGrath und Rose sind zwei von mehr als 50 Veteranen, die bei den Zwischenwahlen im Herbst in den US-Kongress gewählt werden wollen - für die Demokraten. McGrath gewann am vergangenen Dienstag die parteiinterne Vorwahl in ihrem Wahlkreis in Kentucky, Rose könnte in New York im Juni dasselbe gelingen. Diese Leute fallen auf, weil Veteranen üblicherweise eher in den Reihen der Republikaner zu finden sind. Aber die Häufung folgt einer gewissen Logik. Um die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erobern, müssen die Demokraten mindestens 24 Sitze hinzugewinnen. Die Parteiführung zielt deshalb auf Gegenden, die eher konservativ wählen, aber wo sich die Demokraten erhoffen, von den schlechten Umfragewerten Donald Trumps zu profitieren.

Das Wahlkampfkomitee der Demokraten fördert deshalb viele dieser Veteranen. Diese zählen meist nicht zum linken Flügel der Partei, sondern stehen der Mitte näher. Unterstützt werden sie von Organisationen wie "Vote Vets" oder "With Honor". Diese argumentieren, dass mehr Veteranen helfen würden, die Blockade im Kongress zu durchbrechen - weil sie das Landesinteresse über Parteipolitik stellten. Noch in den 1970er-Jahren hatten drei Viertel der Abgeordneten im Zweiten Weltkrieg oder im Koreakrieg gedient. Heute ist laut einer Untersuchung des Pew Research Center nur noch jeder fünfte Parlamentarier ein Veteran.

Es gibt unter Demokraten zwei Sichtweisen auf diese Entwicklung. Die kurzfristige lautet: Veteranen könnten der Partei tatsächlich helfen, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu holen. Das Militär ist unter allen Institutionen des Landes die angesehenste, drei Viertel der Amerikaner geben in Umfragen an, dem Militär zu vertrauen. Da scheint es naheliegend, dort nach Kandidaten zu suchen. Ein Demokrat, der Militärdienst geleistet hat, steht auch nicht im Verdacht, abgehoben oder unpatriotisch zu sein.

Veteranen dürften im Kongress andere Prioritäten verfolgen als eine Einheitskrankenkasse

In der anderen, etwas längerfristigen Sicht birgt diese Entwicklung auch eine Gefahr. Sie hat zu tun mit den Flügelkämpfen innerhalb der Partei zwischen linken Aktivisten und dem Establishment. Diese Kämpfe könnten sich noch verstärken, wenn viele Veteranen in den Kongress gewählt werden und dort andere Prioritäten verfolgen als eine Einheitskrankenkasse oder kostenlose Collegeausbildung, Themen also, die für die Parteilinke zentral sind. Der Enthusiasmus, den die aktivistische Basis seit Trumps Wahl an den Tag gelegt hat, könnte dann rasch in Enttäuschung umschlagen. Und das wiederum würde nichts Gutes für die Präsidentschaftswahl 2020 bedeuten, bei der sich die Partei mangelnde Einheit und fehlendes Engagement nicht leisten kann.

Anzeichen dafür, dass sich der Streit verstärkt, gibt es schon jetzt. Vielerorts laufen derzeit die internen Vorwahlen, bei denen sich entscheidet, wer für die Demokraten bei der Wahl im November antritt. Das Feld ist dicht, der Wettkampf zwischen Linken und Vertretern des Establishments hart. Und zum großen Ärger der Parteilinken nimmt die mächtige Zentrale in Washington oft einseitig Einfluss - zuletzt etwa in Colorado, wo sie einen Progressiven zum Rückzug zugunsten eines Veteranen und Konzernanwalts drängte. Kara Eastman, die Anfang des Monats als Vertreterin des linken Flügels überraschend eine Vorwahl in Nebraska gewann, sagte: "Wir haben zu lange konservative Demokraten aufgestellt und dabei zugeschaut, wie sie anschließend verloren."

Es sind genau solche Debatten, die viele der Veteranen vermeiden wollten: Streit in der eigenen Partei, Streit mit der gegnerischen Partei. Bevor sie gemeinsam in den Kampf gezogen seien, hätten sich die Soldaten auch nicht nach ihren politischen Differenzen gefragt, sagt Amy McGrath, die ehemalige Kampfjetpilotin, die sich selber als Alternative zum Establishment sieht. Sondern bloß: "Wie lautet unsere Mission?" Darauf zumindest können sich die ehemaligen Soldaten und die Aktivisten aus dem linken Parteiflügel einigen: Ihre Mission ist die gleiche. Der Weg, sie auszuführen: ziemlich unterschiedlich.

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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