USA:Uni besuchen, gut verdienen, Trump wählen

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Dieser Trump-Fan und Clinton-Hasser in West Virginia hat mit 44-prozentiger Wahrscheinlichkeit einen Bachelor-Abschluss. (Foto: Mark Lyons/AFP)

Neue Statistiken zeigen: Die Unterstützer des umstrittenen Republikaners sind weder ungebildet noch benachteiligt.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Donald Trumps Wähler, so ist seit dem wundersamen Aufstieg des Immobilienmoguls und Fernsehunterhalters zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner oft zu lesen, sind weiß, mäßig gebildet, gehören der unteren Mittelschicht an und verdienen spürbar weniger als der Durchschnittsamerikaner. Sie sind wütend, weil die politische Agenda ihres Landes scheinbar zunehmend von Linken, Schwarzen und Hispanics bestimmt wird, sie haben Angst vor Arbeitslosigkeit und ihrem wirtschaftlichen Abstieg. So weit, so eindeutig - allein: So stimmt es nicht.

Der Statistik-Experte Nate Silver, zugleich Gründer des Internetportals Five-ThirtyEight (nach der Zahl der Wahlmänner und -frauen, die in den USA den Präsidenten wählen) hat sich die Wahltagsbefragungen einmal genau angesehen, die in vielen Bundesstaaten während der Vorausscheidungen der beiden großen Parteien durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind erstaunlich: Trump-Wähler verdienen demnach nicht nur deutlich mehr als Sympathisanten der demokratischen Präsidentschaftsbewerber Hillary Clinton und Bernie Sanders, sie sind auch besser gebildet als der Durchschnitt der Amerikaner.

Die in den Medien und beim politischen Gegner verbreitete Formel "Weiß, dumm, Geringverdiener = Trump-Wähler", sie scheint demnach nicht aufzugehen. Das ist auch deshalb bedeutsam, weil nach Trumps unerwartetem Durchmarsch bei den Vorwahlen immer noch viele Experten mutmaßen, dass er keine Chance hat, im November tatsächlich zum Präsidenten gewählt zu werden. Motto: So viele dumme Menschen gibt es nicht einmal in Amerika. Silvers Zahlen zeigen nun, dass sich solcherlei Ignoranz am Ende rächen könnte.

Dem Statistiker kam bei seinen Untersuchungen zugute, dass die Amerikaner bei den üblichen Befragungen am Tag der Vorwahl nicht nur ihre politischen Präferenzen, sondern auch viele andere Dinge preisgeben, darunter ihren ungefähren Verdienst, ihre Lebenssituation und ihren Bildungsabschluss. Trumps Sympathisanten verfügen demnach über ein mittleres Jahreshaushaltseinkommen von etwa 72 000 Dollar. Sie liegen damit nicht nur deutlich über dem Wert für die Gesamtbevölkerung, der 56 000 Dollar beträgt, sondern verdienen auch mehr als die Anhänger von Clinton und Sanders, die jeweils auf etwa 61 000 Dollar kommen. Den höchsten Wert verzeichnete im Übrigen John Kasich, der letzte der republikanischen Mitbewerber, der sich vergangene Woche Trump hatte geschlagen geben müssen: Seine Anhänger verfügen mit rund 91 000 Dollar nicht nur über das höchste Median-Einkommen, sondern sind auch weit überdurchschnittlich gut gebildet.

"Wenn den ganzen Tag Fox News läuft, leben Sie irgendwann in einem Paralleluniversum."

Silver verwendet das mittlere oder Median-Einkommen, weil es Ausreißer nach unten und oben ignoriert und damit deutlich mehr Aussagekraft besitzt als das oft verzerrte Durchschnittseinkommen. Der Wert teilt die Einkommensskala genau in zwei Hälften: 50 Prozent der Bürger verdienen mehr, 50 Prozent weniger. Der Untersuchung zufolge waren die Trump-Wähler in allen 23 Bundesstaaten, in denen es bisher Wahltagsbefragungen gab, besser betucht als die jeweilige Gesamtbevölkerung - mal weniger wie in New Hampshire, mal mehr wie in Florida, wo die Vergleichswerte bei 70 000 und 48 000 Dollar lagen.

Es stimmt offenbar auch nicht, dass der voraussichtliche republikanische Kandidat vor allem ärmere Schichten anzieht, die vor vier Jahren gar nicht wählen gegangen sind: Der Anteil der Vorwahlteilnehmer mit einem Haushaltseinkommen von weniger als 50 000 Dollar liegt derzeit bei 29 Prozent, 2012 waren es 31 Prozent. Gleichzeitig zeigen die Zahlen, dass echte Geringverdiener, also Menschen mit jährlichen Einnahmen von weniger als 30 000 Dollar, eher Clinton und Sanders als einem der republikanischen Bewerber zuneigen.

Bleibt die oft gehörte Behauptung, Trumps Anhänger seien weniger gebildet als der Rest der Bevölkerung. Auch sie lässt sich nicht halten: Silvers Untersuchung zufolge haben 44 Prozent der Trump-Sympathisanten mit Erfolg ein College besucht, also mindestens einen Bachelor-Abschluss. Bezogen auf alle Amerikaner liegt dieser Wert nur bei 29 Prozent.

Offenbar gibt es also einen Unterschied zwischen der tatsächlichen Lebenssituation vieler Trump-Anhänger und ihrer äußerst pessimistischen Sicht auf das Land - ein Phänomen, das jüngst schon der Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman in einem SZ-Interview thematisiert hatte: "Die Menschen beurteilen die wirtschaftliche Situation nicht nach ihrer persönlichen Lage, sondern nach dem, was sie im Fernsehen hören", so Krugman. "Und wenn den ganzen Tag Fox News oder sonst ein ultrakonservativer Sender läuft, dann leben sie irgendwann in einem Paralleluniversum."

© SZ vom 11.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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