USA und Europa:Vertauschte Rollen

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Wandel in den transatlantischen Beziehungen: Die Regierung Gordon Brown geht auf Distanz zu Washington - und Nicolas Sarkozy füllt die Lücke.

Stefan Kornelius

Seit zwei Monaten ist Gordon Brown britischer Premierminister - und tut sich nach wie vor schwer mit einer eigenen Handschrift in der Außenpolitik. Dass er, zunächst gebremst vom Terrorismus im eigenen Land, erst jetzt auf Europatournee geht, muss man ihm nachsehen. Bemerkenswert ist allerdings, dass noch nicht einmal ein Termin für den Antrittsbesuch in Washington feststeht.

Die Regierung von US-Präsident George W. Bush zeigt spitze Finger im Umgang mit dem natürlichsten ihrer europäischen Verbündeten, und auch Brown scheint die vornehme Distanz zu bevorzugen - mehr aus innerer Überzeugung als aus populistischer Not.

In Washington blieben zwei Botschaften für die Post-Blair-Zeit haften: Margret Beckett, Außenministerin unter Blair, hinterließ in den letzten Amtstagen eine kritische Ermahnung über die amerikanische Weltpolitik - offenbar um ihre Chancen für eine Weiterverwendung unter Brown zu steigern. Das Kalkül ging nicht auf. Stattdessen finden sich nun drei Kritiker der Blair-Politik in den Schlüsselposten für Äußeres: David Miliband als Außenminister, Mark Malloch Brown als sein Stellvertreter, und Douglas Alexander als Entwicklungshilfeminister.

Alexander löste vor wenigen Tagen eine Welle von Spekulationen aus, als er ebenfalls in Washington "neue Allianzen" anmahnte, auf der Basis "gemeinsamer Werte", "nicht zum Schutz vor der Welt, sondern um der Welt die Hand zu reichen". Dann belehrte er seine Zuhörer über die Bedeutung von Multilateralismus ("in einem internationalen System von Regeln") und den Wert einer globalen Zivilisation, die nach den gleichen Grundsätzen funktioniert.

Die britische Öffentlichkeit, die nach einer außenpolitischen Wende lechzt, reagierte fiebrig nervös - immerhin ist Alexander einer der engsten Vertrauten von Brown. Wie also wird sie funktionieren können, die special relationship, diese historisch begründete, liebevoll gepflegte und unter Blair überstrapazierte angelsächsische Sonderbeziehung?

Weniger Brown - mehr Sarkozy

Zentraler Baustein des Brownschen Amtsversprechens ist der Kurswechsel in der Außenpolitik. Obwohl nie explizit ausgesprochen, wurde Brown von Labour getragen, weil er mehr Distanz zu Washington in Aussicht stellte. Im Sommer werde das britische Kontingent im Irak auf 1500 Mann geschrumpft sein, stationiert am Flughafen von Basra. Die Afghanistan-Debatte hat in London gerade begonnen. Und vor allem muss sich Brown irgendwann einmal Wahlen stellen; will er das Risiko kleinhalten, dann wird er einen Termin schon im nächsten Jahr suchen und den Frische-Bonus nutzen.

All das bedeutet für Washington: weniger Brown, und mehr - Sarkozy. Denn dies ist die wenig überraschende Konsequenz der britischen Achsenpolitik: Das von Brown erzeugte Vakuum wird von dem ebenfalls neu gewählten französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy gefüllt, der seinen Geltungsdrang in einem europäischen Gleichgewicht allemal nicht ausleben kann. Schon jetzt erhöht Frankreich seine Ambitionen in Afrika, zeigt Sympathien für das Raketensystem und entdeckt Spielraum an der Seite Washingtons.

Unterschiedlicher könnten die Ambitionen gar nicht sein, die Gordon Brown und Nicolas Sarkozy für die Welt hegen. Die Deutsche Angela Merkel kann sich davon an diesem Montag ein unmittelbares Bild machen, wenn sie die beiden Politiker trifft. Auch für Merkel beginnt damit eine neue Phase. Nach einem halben Jahr auf roten Teppichen und mit manchmal schon liebedienerischen Ehrbezeugungen für ihren Führungsstil muss sie jetzt wieder das Teilen lernen. Sie sollte die Herren fragen, ob es einen Monat nach dem Brüsseler Selbstbesinnungs-Gipfel nicht Alternativen gäbe zum ewig gleichen Balance-Spiel in Europa.

© SZ vom 16. Juli 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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