USA:Unamerikanisch

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Die Migrationspolitik der Regierung stößt auf scharfe Kritik: Eltern und Kinder auseinanderzureißen, sei unmenschlich, beklagen selbst Parteifreunde Trumps. Doch er verteidigt seinen Kurs.

Von Hubert Wetzel, Washington

„Wir werden uns nicht dafür entschuldigen, dass wir unsere Arbeit machen“: Heimatschutzministerin Nielsen muss Donald Trumps Politik umsetzen. (Foto: Susan Walsh/AP)

Am Montag stand Kirstjen Nielsen im Presseraum des Weißen Hauses. Die US-Heimatschutzministerin sollte erklären, warum die Behörden illegale Einwanderer an der Grenze zu Mexiko von ihren Kindern trennen. Während Nielsen redete, spielte ein Journalist eine Tonaufnahme ab, die aus einer Polizeistation in Texas stammen soll. Darauf waren weinende Mädchen und Jungen zu hören, die auf Spanisch nach ihren Müttern und Vätern riefen. Die Ministerin beeindruckte das nicht: "Wir werden uns nicht dafür entschuldigen, dass wir unsere Arbeit machen", sagte Nielsen.

Ob es tatsächlich zur Arbeit der Grenzschutzbehörden gehört, Eltern die Kinder wegzunehmen, ist derzeit Gegenstand einer empörten Debatte in den USA. Die Regierung behauptet, die Rechtslage lasse ihr keine Wahl: Da die Eltern wegen illegalen Grenzübertritts inhaftiert würden, müssten die Kinder anderweitig untergebracht werden. Sie mit ihren Vätern oder Müttern einzusperren, sei verboten. Kritiker halten das für eine Lüge: Der einzige Grund, warum die Eltern in Haft kämen, sei die Entscheidung der Regierung von Präsident Donald Trump vom Frühjahr, alle illegalen Einwanderer strafrechtlich zu verfolgen. Sie werden daher festgenommen, vor Gericht gestellt, verurteilt und gegebenenfalls abgeschoben. Ihre Kinder - es sind wohl mehr als 2000 - werden in dieser Zeit in Sammelunterkünfte für minderjährige Migranten gesteckt.

Beschlossen wurde diese harte Linie im Weißen Haus unter Federführung von Stephen Miller, einem Hardliner, der Trump in der Immigrationspolitik berät. Im April verkündete Justizminister Jeff Sessions diese neue "Null Toleranz"-Politik. Umsetzen muss sie nun Nielsen.

Die Ministerin steht dabei unter besonderer Beobachtung des Weißen Hauses. Trump misstraut Nielsen, die früher in der Regierung von George W. Bush gearbeitet hat. Als im Frühjahr die Zahl der Einwanderer an der Südgrenze stark stieg, beschimpfte der Präsident die Ministerin in einer Kabinettssitzung derart übel, dass Nielsen erwog zurückzutreten. Ihr Amtsvorgänger und Förderer John Kelly, inzwischen Stabschef von Trump und selbst so desillusioniert, dass er tagsüber lieber ins Fitnessstudio geht, als in seinem Büro zu sitzen, überredete Nielsen zu bleiben.

Die Ministerin wurde dadurch zum Gesicht einer Politik, die sie sich nicht ausgedacht hat und die immer schwieriger zu verteidigen ist. Die Phalanx der Gegner ist so breit wie bei kaum einer Entscheidung, die Trump getroffen hat. Nicht nur die Demokraten geißeln die Trennung der Familien als grausam. Auch Menschenrechtsorganisationen verurteilen sie, ebenso Juristen und Ärzteverbände, die vor seelischen Schäden bei den Kindern warnen. Sogar Trumps Frau Melania ließ eine Erklärung verbreiten, die als Kritik an der Politik ihres Mannes verstanden wurde. Drei frühere First Ladys - Laura Bush, Hillary Clinton und Michelle Obama - assistierten.

Die Politik führt dazu, dass Kinder wie dieses kleine Mädchen aus Honduras an der US-Grenze von ihren Eltern getrennt werden können. (Foto: John Morre/AFP)

Auch bei den Republikanern, die Trump sonst gut im Griff hat, wächst die Unruhe. Im November findet die Kongresswahl statt, der Partei droht der Verlust ihrer Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Die Parteiführung würde daher im Wahlkampf lieber über Erfolge reden - über die starke Wirtschaft, die niedrige Arbeitslosigkeit, die steigenden Löhne und sinkenden Steuern. Dass Bilder von kleinen Kindern, die verängstigt in Lagerhallen hocken, skeptische Vorortmütter davon überzeugen, die Republikaner zu wählen, bezweifeln Parteistrategen.

Moderate Republikaner wie Senator John McCain haben den Präsidenten bereits aufgefordert, die Trennung von Familien zu beenden. Eltern und Kinder auseinanderzureißen, sei unmenschlich und unamerikanisch. Und selbst Ted Cruz, Senator aus dem Grenzstaat Texas und ein beinharter Konservativer, der dieses Jahr überraschend heftig um seine Wiederwahl kämpfen muss, kritisierte Trump. Er will ein Gesetz vorlegen, das erlauben soll, illegal eingereiste Familien bis zu ihrer Abschiebung zusammen festzuhalten.

Doch Trump hat offenbar andere Pläne: Er will den republikanischen Kandidaten helfen, indem er die Parteibasis begeistert. Und dafür eignet sich kaum ein Thema so gut wie illegale Immigration. Es war kein Zufall, dass das Weiße Haus vor einigen Wochen eine Mitteilung veröffentlichte, in der die Mitglieder der brutalen Latino-Gang MS-13 als "Tiere" bezeichnet wurden. Die Überzeugung, dass die Basis zu ihm hält, ist auch jetzt ein Grund, warum Trump seinen Kurs verteidigt.

Doch auch Trump hat sich abgesichert. Zwischen all die Tweets, in denen er seine harte Haltung bestätigte, streute er auch einige, in denen er die Schuld an der Trennung von Eltern und Kindern den Demokraten gab. Er finde das ja ganz furchtbar, sagte er in einem Interview. Ministerin Nielsen sollte sich nicht wundern, wenn der Präsident sie plötzlich alleine lässt.

© SZ vom 20.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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