USA: Sarah Palin:"Fire in my belly"

Sarah Palin ist wieder da - und wie. Die Jeanne d'Arc der Rechten Amerikas nährt Spekulationen, nun doch in den Kampf um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner zu ziehen. Ihre Rivalen sind alarmiert.

Reymer Klüver, Washington

Es war ruhig geworden um sie. Fast zu still. Ab und zu mal ein Tweet aus Alaska, eine scharfe Bemerkung auf Fox News, dem Haussender der Konservativen in den USA. Aber das war es dann, was von Sarah Palin in den vergangenen Monaten zu hören war. Viele im republikanischen Establishment schlossen aus der Funkstille - gewiss mit Erleichterung -, dass sie ihre Aspirationen auf die Präsidentschaftskandidatur der Partei wohl aufgegeben habe zugunsten ihrer lukrativen Selbstvermarktung in den Medien.

File photo of former Alaska governor and vice presidential candidate Sarah Palin acknowledging the crowd during a campaign rally for McCain in Tucson

Daumen hoch: Die schrille Heroine der US-amerikanischen Konservativen Sarah Palin wird wohl als US-Präsidentin kandidieren.

(Foto: REUTERS)

Zumal Palin auch nichts von dem machte, was Bewerber um die Kandidatur für gewöhnlich tun: Geld sammeln, Berater um sich scharen, Gesicht zeigen in Iowa, New Hampshire, South Carolina, den Bundesstaaten, in denen die ersten, meist kriegsentscheidenden Vorwahlen stattfinden.

Das alles hat sich nun binnen weniger Tagen geändert. Sarah Palin ist wieder da - und wie! Amerikas Zeitungen, Blogs und die Sendungen der Nachrichtenkanäle sind voll mit Spekulationen, dass die Jeanne d'Arc der Rechten Amerikas doch in den Kampf um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner ziehen könnte. Will sie es nun also wissen, nachdem in den vergangenen Wochen niemand in der republikanischen Partei sich so recht zufrieden gezeigt hatte mit den potentiellen Präsidentschaftsbewerbern und nicht wenige, ein wenig verfrüht, in Gedanken bereits Obama den Sieg überlassen hatten?

Oder ist alles nur wieder ein neuer Publicity-Gag in einer langen Reihe gelungener Unternehmungen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu lenken? Wie immer bei Palin weiß man nicht recht, woran man ist. Sie hat die Fähigkeit, wie die einflussreiche republikanische Parteistrategin Mary Matalin formuliert, "immer wieder ein Kaninchen aus dem Hut zu zaubern".

Zunächst die Fakten, die die Phantasie beflügelt haben: Alles deutet auf eine sorgfältig geplante Kampagne hin. Als Erstes wurde Ende vergangener Woche bekannt, dass wohl die Palins die bisher namenlosen Käufer eines von Mauern umgegebenen Ranch-Hauses in Scottsdale bei Phoenix in Arizona sind (Kostenpunkt: 1,7 Millionen Dollar). Phoenix, so die sofort einsetzenden Spekulationen, biete sich in der Tat besser als Standort einer Wahlkampagne an als das weitab vom Schuss liegende Alaska.

Feuer im Bauch

Dann berichtete die konservative Nachrichten-Website Real Clear Politics am Dienstag von einem neuen Dokumentarfilm über Palins politische Karriere: ein Zwei-Stunden-Epos des konservativen Filmemachers Stephen Bannon, dessen Produktion eine Million Dollar verschlungen haben soll und das im kommenden Monat ausgerechnet in Iowa Premiere feiern soll. Real Clear Politics hatte die Geschichte exklusiv - ein klarer Hinweis darauf, dass das Palin-Camp die Sache bekannt machen wollte.

Damit bekam auf einmal eine Bemerkung aus der vergangenen Woche in Fox News ein ganz anderes Gewicht, die bis dahin kaum Beachtung gefunden hatte. Da hatte Sarah Palin auf Nachfrage mehrmals bestätigt, dass sie genug "fire in my belly" habe, also vornehm ausgedrückt, genug Leidenschaft in sich verspüre, um anzutreten. Gleichzeitig wurde bekannt, dass sie zumindest zwei enge Berater wieder eingestellt hat, die sie im Frühjahr hatte ziehen lassen.

Die Aufregung kannte kein Halten mehr, als Mitte der Woche durchsickerte, dass die Heroine der Tea-Party-Bewegung eine Bustour entlang der US-Ostküste beginnt: in einem eigens dafür in den Nationalfarben dekorierten Reisebus. Die Tour, für deren Zweck Palin keine eindeutige Erklärung abgab, beginnt am Sonntag in Washington und führt sie ausgerechnet nach New Hampshire.

Zusammengenommen machen diese Schritte klar, dass Palin mögliche Präsidentschaftsambitionen keineswegs aufgegeben hat. Entschieden indes hat sie offenkundig noch nichts. Allein das genügt schon, sie in Umfragen nach Wochen mäßiger Werte wieder auf Platz zwei unter den möglichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu katapultieren. Zugleich beweist sie, dass sie jederzeit in der Lage ist, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie sauge allen Sauerstoff ein, beschreiben republikanische Parteistrategen den Palin-Effekt - so dass die Luft für die anderen möglichen Kandidaten knapp wird.

Tatsächlich haben zumindest zwei potentielle Rivalen sofort reagiert. Die Kongressabgeordnete Michelle Bachmann, die mit Palin um die Gunst der Parteirechten konkurrieren würde, ließ wissen, dass sie Anfang kommender Woche offiziell ihre Kandidatur bekannt geben wolle. Und Mitt Romney, der bisherige Favorit unter den möglichen Bewerbern, kündigte an, dass er sich ebenfalls kommende Woche erklären werde. Ihm könnte eine Bewerbung Palins am Ende vielleicht am meisten nutzen: Die Angst vor einer Präsidentschaftskandidatin Palin könnte das bisher zögernde republikanische Parteiestablishment dazu veranlassen, sich hinter dem als Langweiler empfundenen Romney zu scharen.

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