USA:Rache macht blind

Die Tat des Boston-Attentäters war entsetzlich. Doch es wäre ein schwerer Fehler, wenn die Justiz ihn hinrichten lässt.

Von Hubert Wetzel

An der Schuld von Dschochar Zarnajew bestand nie ein echter Zweifel. Der junge Mann hatte vor zwei Jahren gemeinsam mit seinem älteren Bruder Tamerlan die Bombe beim Marathon von Boston gelegt, die drei Menschen in den Tod riss und Dutzende verletzte. Dschochar Zarnajew ist ein Mörder und ein Terrorist. Das haben jetzt die Geschworenen eines US-Bundesgerichts festgestellt. Sie sprachen den Attentäter in allen Anklagepunkten schuldig.

Das Gericht könnte nun als nächstes die Todesstrafe gehen Zarnajew verhängen. Selbst die wachsende Zahl der Hinrichtungsgegner in den Vereinigten Staaten täte sich wohl schwer damit, Gnade für den islamistisch verwirrten Attentäter zu fordern. Trotzdem gelten die bekannten, oft wiederholten Argumente gegen die Todesstrafe selbstverständlich auch im Fall Zarnajew: Den Mörder zu töten, bringt keines der Opfer wieder ins Leben zurück; es schreckt keine Fanatiker vor weiteren Anschlägen ab; es befriedigt vielmehr nur einen archaischen Wunsch: das Bedürfnis nach Rache.

Rache macht blind. Sinnvoll wäre es stattdessen, dass auch Amerika sich die Fragen stellt (und sie beantwortet), die inzwischen fast alle europäischen Länder umtreibt: Warum werden scheinbar gut integrierte junge Muslime auf einmal zu Mördern? Woher kommt ihr Hass? Und wie kann eine freie Gesellschaft sich davor schützen?

© SZ vom 10.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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