USA:Papier-Hamster

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Die Ordnung trügt: US-Präsident Trump zerreißt gern Schreiben und wirft sie weg. Selbst die Fetzen aber gehören dem Staat und müssen aufbewahrt werden. (Foto: Brendan Smialowski/AFP)

Präsident Trump zerreißt gern Zettel und wirft sie weg. Doch selbst Schnipsel müssen gesammelt und ins Archiv gebracht werden.

Von Hubert Wetzel

Ordnung muss sein. Aber welche Ordnung? Für Donald Trump zum Beispiel sieht Ordnung so aus: ein leerer Schreibtisch. Wenn der amerikanische Präsident sich im Oval Office fotografieren lässt, dann sitzt er zumeist hinter einer spiegelblanken Fläche aus poliertem Holz. Keine wirre Zettelwirtschaft, kein Papierkram, der herumliegt, sondern alles abgearbeitet, abgeräumt, abgelegt, abgeheftet. Die Botschaft ans Volk: Der Souverän war fleißig.

Doch diese Ordnung trügt. Wie ja so vieles trügt, wenn es um Donald Trump geht. In Wahrheit ist Trump weder ein besonders fleißiger noch ein besonders ordentlicher Präsident. Wenn sein Schreibtisch stets schön leer und aufgeräumt aussieht, dann liegt das auch daran, dass Trump offenbar ein sehr wirkungsvolles Ablagesystem erfunden hat: Papiere, von denen er meint, er brauche sie nicht mehr, zerreißt der Präsident einfach und wirft sie weg. Manchmal reißt er sie nur einmal in der Mitte durch, manchmal zerfetzt er sie in kleine Schnipsel. Manchmal wirft er die Reste in den Papierkorb, manchmal lässt er sie auf den Boden fallen. Was mit den Überbleibseln passiert, interessiert ihn nicht.

Jeder zerrissene Schnipsel wird aufgehoben und ins Nationale Archiv gebracht

Andere Menschen, die für die Regierung der Vereinigten Staaten arbeiten, haben freilich andere Vorstellungen von Ordnung. Für sie gilt der Presidential Records Act, ein Gesetz, das 1978 vom Kongress beschlossen wurde. Es schreibt vor, dass praktisch jedes Stückchen Papier, das ein US-Präsident vom 20. Januar 1981 an - dem ersten Amtstag von Ronald Reagan - in den Händen gehalten hat, aufzubewahren und zu archivieren ist. In welchem Zustand diese Papiere sind, ist egal - sie gehören, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, dem amerikanischen Staat, nicht dem Präsidenten persönlich. Wenn also Donald Trump zum Beispiel Anmerkungen an den Rand eines Zeitungsartikels gekritzelt, ein Redemanuskript überarbeitet oder den Brief eines Bürgers schriftlich kommentiert hat, dann muss dieses Stück Papier aufgehoben und in den National Archives abgelegt werden, auch wenn der Präsident meint, es gehöre zerrissen und weggeworfen. Selbst ein Schreiben des demokratischen Fraktionschef im Senat, Chuck Schumer, soll Trump zerfetzt haben.

All das ist hart am Rande der Illegalität. Wie das Internetmagazin Politico herausgefunden hat, gibt es im Weißen Haus deswegen Angestellte, zu deren täglichen Aufgaben es gehört, all die Papierfetzen aufzusammeln, die der Präsident in seinen Büro- oder Privaträumen hinterlässt. Anders lasse sich nicht garantieren, dass der Presidential Records Act umgesetzt wird. Alle Versuche, Trump selbst zu einem sorgfältigeren Umgang mit Dokumenten zu bewegen, seien gescheitert, schreibt die Zeitschrift. Später werden die mal größeren, mal kleineren Papierreste in ein Nachbargebäude geschafft, in dem die Verwaltungsabteilungen des Weißen Hauses untergebracht sind. Dort sind dann mehrere Archivmitarbeiter damit beschäftigt, die Schnipsel wieder zusammenzusetzen und mit durchsichtigem Klebeband - sogenanntem Scotch tape, die amerikanische Variante des Tesafilms - zu fixieren. Anschließend können die wiederhergestellten Papiere ins US-Staatsarchiv gebracht werden.

Für einen erfahrenen Verwaltungsangestellten, der um die 66 000 Dollar im Jahr verdient, ist diese Art von Bastelarbeit natürlich demütigend. "Das mussten wir unter der Trump-Regierung ertragen", klagte einer der von Politico zitierten Archivare. "Für mich war das die niedrigste Form von Arbeit, das kommt gleich nach dem Leeren der Mülleimer." Mit der Presse hat der Mann allerdings nur geredet, weil die Trump-Regierung sich dann eine noch größere Demütigung für ihn ausdenken konnte: Im Frühjahr wurde er plötzlich entlassen, ohne Vorwarnung, ohne Angaben von Gründen, ohne Pension.

© SZ vom 12.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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