USA:Nebel zwischen New York und Washington

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War alles nur ein Missverständnis? Amerikas UN-Botschafterin Haley lässt sich auf einen heiklen Schlagabtausch mit dem Weißen Haus ein. Unklar ist, ob es ihr schadet oder sogar nutzt.

Von Christian Zaschke, New York

Nikki Haley hat gerade den vielleicht interessantesten Schritt ihrer Karriere unternommen: Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen in New York hat sich öffentlich mit dem Weißen Haus angelegt. Das ist einerseits gewagt, weil Präsident Donald Trump es bekanntlich nicht mag, wenn jemand aus der Reihe tanzt. Das könnte sich andererseits als geschickter Zug erweisen, weil Haley damit das Zeichen nach Washington sendet, dass man ihr bitteschön mit Respekt begegne. Gut möglich, dass der Präsident zwar zunächst verstimmt ist, mittelfristig aber beeindruckt ist von der Zähigkeit seiner Frau in New York.

Am Sonntag hatte Haley verkündet, dass die USA neue Sanktionen gegen Russland verhängen würden. Aus ihrem Munde war das bedeutsam, da Haley im Moment die wichtigste außenpolitische Stimme der USA ist (der designierte Außenminister Mike Pompeo hat sein Amt noch nicht angetreten). Trump soll diese Ankündigung im Fernsehen gesehen haben und umgehend sauer geworden sein. Sanktionen? Hatte er doch noch gar nicht beschlossen. Zwar hatte das Weiße Haus bereits am Samstag intern die Botschaft ausgesandt, dass es neue Sanktionen geben werde, aber im Lauf des Sonntags hatte Trump sich offenbar überlegt, doch erst einmal auf Zeit zu spielen. Nur hatte Haley davon niemand etwas gesagt.

Nachdem sie also am Sonntag die Sanktionen angekündigt hatte, wurde darüber ausführlich berichtet. Russland protestierte. Das Außenministerium nahm daraufhin Kontakt zu Haleys Team auf und regte an, dass die Botschafterin ihre Aussage korrigiere. Das tat sie jedoch nicht. Also ließ das Weiße Haus am Montag verlauten, dass es vorerst keine neuen Sanktionen geben werde. Haley stand brüskiert da.

Am Dienstag: Auftritt von Larry Kudlow, dem wichtigsten Wirtschaftsberater des Präsidenten. "Sie war da etwas voreilig", sagte er, "sie ist eine sehr effektive Botschafterin, aber in diesem Fall mag es eine momentane Verwechslung gegeben haben." Mit dieser Aussage stand Haley nun vollends im Regen. Das Weiße Haus versuchte es so darzustellen, dass nicht Trump mal wieder über Nacht seine Meinung geändert habe, sondern ihr der rechte Überblick fehle. Und zur Übermittlung dieser Botschaft war eine der wichtigsten Figuren der Regierung entsandt worden.

Das mochte Haley nicht auf sich sitzen lassen. Über Fox News ließ sie ebenso knapp wie eisig wissen: "Bei allem Respekt: Ich verwechsle nichts." Der Präsidenten-Berater Kudlow griff daraufhin zum Telefon und entschuldigte sich. Später sagte er, dass es falsch gewesen sei zu behaupten, Haley habe etwas verwechselt - vollkommen falsch.

Die für Haley wichtigste Frage ist nun, wie Trump die Sache verarbeitet. Möglich ist, dass er akzeptiert, dass das Weiße Haus ein wichtiges Mitglied des Kabinetts nicht derart brüskieren kann. Ebenso ist möglich, dass Haley nun die Rex-Tillerson-Behandlung bekommt. Der frühere Außenminister war bei Trump in Ungnade gefallen und wurde ganz allmählich aufs Abstellgleis geschoben. Dann und wann wies Trump ihn auf Twitter zurecht, schließlich feuerte er ihn.

Bisher spielt Haley in der Regierung von Trump eine äußerst sichtbare Rolle. Den Sicherheitsrat der UN nutzt sie als ihre Bühne. In den jüngsten Debatten über den Militärschlag in Syrien lieferte sie sich mit ihrem russischen Gegenpart Wassilij Nebensja nicht nur eine rhetorische Auseinandersetzung, sondern auch ein Duell der eiskalten Blicke. Nach dem Angriff lobte sie Trump ausdrücklich als einen Mann, der - anders als sein Vorgänger Barack Obama - den Mut habe zu handeln. Das passte ins Bild, denn bisher galt das Verhältnis von Haley und Trump als ausgesprochen gut.

Mittelfristig will Haley genau dorthin, wo Trump jetzt sitzt. Das dürfte auch er gehört haben

Dass die beiden so gut miteinander klarzukommen schienen, war insofern etwas erstaunlich, als sich Haley im Wahlkampf gegen Trump gestellt hatte. Sie unterstütze Marco Rubio, und als Trump sie deshalb auf Twitter anging, beschied sie ihm auf sehr elegante Weise, dass er ein Vollidiot sei. Normalerweise vergisst der Präsident so etwas nicht.

Zu den offensten Geheimnissen in Washington zählt, dass Haley höhere Ziele anstrebt. Spekuliert wurde, dass sie vielleicht die Nachfolge von Tillerson habe antreten wollen, aber aus ihrem Umfeld verlautet, sie wolle zunächst mehr Erfahrung in New York sammeln, fernab der täglichen Grabenkämpfe in Washington. Mittelfristig will sie genau dorthin, wo Trump jetzt sitzt, und das dürfte diesem auch zu Ohren gekommen sein. Ein beliebtes Gerücht besagt, dass sie bereits 2020 gemeinsam mit dem Vize-Präsidenten Mike Pence einen Vorstoß unternehmen könnte, obwohl Trump gesagt hatte, er wolle noch einmal antreten. Da ist vermutlich nichts dran, aber allein, dass die Idee kursiert, ist eine Beleidigung für Trump.

Pence hat übrigens neulich Haleys Stellvertreter Jon Lerner als seinen persönlichen Sicherheitsberater angeheuert, ihn aber schon nach 48 Stunden wieder gehen lassen müssen. So lange hatte es gedauert, bis der Präsident herausfand, dass sein treuer Vize sich einen Berater ausgesucht hatte, der zum Anti-Trump-Flügel der Partei zählt.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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