USA:Nähe, die Millionen wert ist

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Der Anwalt von Präsident Trump kassierte aus Beraterverträgen viel Geld. Michael Cohen wickelte die Geschäfte mit der Scheinfirma ab, über die er Porno-Akteurin Stormy Daniels zahlte.

Von Alan Cassidy, Washington

Nach dem Wahlsieg von Donald Trump träumte Michael Cohen, sein Anwalt, Großes. Ein wichtiges Amt in der Regierung, eine einflussreiche Stelle im Weißen Haus, als Stabschef des Präsidenten vielleicht: Irgendetwas müsste für ihn, Cohen, der sich seit vielen Jahren allerlei Problemen Trumps angenommen hatte, doch abspringen. Als klar wurde, dass kein Job-Angebot kam, entschied sich Cohen für einen anderen Weg: Er versuchte, seine Nähe zum neuen Präsidenten zu Geld zu machen. Es funktionierte: Mindestens 4,4 Millionen Dollar erhielt Cohen seit November 2016 von mehreren großen Unternehmen, darunter vom Schweizer Pharmakonzern Novartis und von einer Firma mit Verbindungen zum russischen Oligarchen Viktor Wekselberg.

Öffentlich gemacht hat die Zahlungen diese Woche Michael Avenatti, der seinerseits Anwalt der Pornodarstellerin Stormy Daniels ist. Er tat es in einem Dokument, das er auf Twitter stellte. Diverse US-Medien haben die Zahlungen überprüft, die involvierten Unternehmen haben sie bestätigt. Sie gingen alle an die Briefkastenfirma Essential Consultants, die Cohen eingerichtet hatte, um Daniels Schweigegeld zu überweisen, damit diese nichts mehr über eine angebliche Nacht mit Trump erzählte.

Die Geldströme sind aus zwei Gründen interessant: Sie zeigen erstens, wie Lobbying in Trumps Washington aussieht. Und sie stehen zweitens im Fokus des Sonderermittlers Robert Mueller, der eine mögliche russische Einflussnahme auf Trumps Wahl untersucht. Am meisten Geld erhielt Cohen laut dem Dokument Avenattis von Novartis. 1,2 Millionen Dollar bezahlte der Konzern zwischen März 2017 und Februar 2018 für Cohens Dienste. Man habe sich von ihm Rat in gesundheitspolitischen Fragen gewünscht, sagte ein Novartis-Sprecher. Im Wahlkampf hatte Trump das Ende von "Obamacare" angekündigt, den Umbau des Gesundheitswesens also. Immer wieder hatte Trump zudem über die hohen Medikamentenpreise in den USA geschimpft. Als er dann ins Weiße Haus einzog, habe man wissen müssen, was er vorhabe, heißt es beim Basler Pharmariesen.

Worin Cohens Dienste genau bestanden, ist nicht ganz klar. Nach Darstellung von Novartis habe sich nach einem einzigen Treffen im März 2017 gezeigt, dass Cohen nicht liefern könne, was man sich von ihm erhofft hatte. Trotzdem ließ der Konzern die monatlichen Zahlungen von 100 000 Dollar bis zum Ablauf des einjährigen Vertrags weitergehen. Im Januar 2018 nahm Novartis-Chef Vas Narasimhan dann beim Weltwirtschaftsforum in Davos an einem Abendessen mit Trump teil. Mit dem Engagement Cohens hatte dies laut Novartis jedoch nichts zu tun. Narasimhan sei auch noch gar nicht im Amt gewesen, als man dieses eingegangen sei. "Im Nachhinein war das ein Fehler", sagte ein Konzernsprecher über das Mandat an Cohen.

Geld bezog der Anwalt auch von anderen Unternehmen. Der Telekom-Gigant AT&T bezahlte ihm laut New York Times 600 000 Dollar. 150 000 Dollar erhielt er vom Flugzeughersteller Korean Aerospace Industries. Sie gaben an, von ihm Beratung in "regulatorischen Angelegenheiten" erhalten zu haben sowie "allgemeine Einblicke" in die Regierung Trump. Unüblich ist solche Lobbyarbeit in Washington nicht.

Cohen war ja auch optimal positioniert für das, was die Amerikaner "influence-peddling" nennen, das rechtlich grenzwertige Hausieren mit Einfluss: Niemand hatte mit Trumps Wahl gerechnet, auch nicht die gewöhnlich so vernetzten Lobbyfirmen. Das machte einen wie Cohen interessant, der Trump so gut kennt wie wenige. Dass all die Geschäftsbeziehungen nun öffentlich werden, ist indes peinlich für die betroffenen Unternehmen und steht im Widerspruch zu Trumps Gerede davon, er wolle den Sumpf in Washington trockenlegen.

Unangenehmer ist für Trump wohl, dass sich auch Robert Mueller für die Zahlungen an Cohen interessiert. Als heikel herausstellen könnte sich da eine weitere Transaktion: Die New Yorker Investmentfirma Columbus Nova hat 500 000 Dollar an Cohens Briefkastenfirma überwiesen. Zwischen Columbus Nova und dem russischen Oligarchen Viktor Wekselberg gibt es enge Verbindungen; er gehört zu den Kreml-nahen Geschäftsleuten, die kürzlich mit US-Sanktionen belegt wurden. Geführt wird Columbus Nova von Wekselbergs Cousin, beide waren Gäste an Trumps Amtseinführung.

In Washington fragen sich deshalb einige, ob es sich bei den Zahlungen um Entgelt für Lobbyarbeit handelt, wie sie offenbar auch Novartis, AT&T und anderen vorschwebte. Oder ob die Geldflüsse Teil größerer Unterstützung russischer Kreise für Trump sind: Wenn sie etwa dazu dienten, das Schweigegeld an Stormy Daniels zu refinanzieren, das viele als Wahlkampfausgabe sehen. Russland und die Pornodarstellerin: Aus zwei Affären würde plötzlich eine.

© SZ vom 11.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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