USA:Nach Iowa

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Die Vorwahl hat endlich begonnen, jetzt zählen nur Resultate. Iowa gibt einen Vorgeschmack, mehr auch nicht. Die Religiösen und die Radikalen haben Konjunktur, nicht aber die Großmäuler.

Von Hubert Wetzel

Antworten sollte die Wahl bringen, doch jetzt hagelt es Fragen: Was sagt Donald Trumps Niederlage in Iowa aus? Ist das sein Ende? Ist nun Ted Cruz, der Gewinner der ersten republikanischen Vorwahl, der Favorit für die Präsidentschaftskandidatur? Oder doch Marco Rubio, der starke Drittplatzierte? Was ist mit den Demokraten? Reicht Hillary Clintons haarfeiner Vorsprung vor Bernie Sanders?

Oder ist ihr mühsamer Sieg ein Menetekel? Wer ehrlich ist, antwortet auf all diese Fragen: keine Ahnung. Denn die Wahrheit ist: Mehr als einige vage Lehren für den Rest des Wahljahres lassen sich aus den Ergebnissen von Iowa kaum ziehen. Diese Vorwahl ist nach Monaten des Gedröhns allenfalls ein erster Praxistest, in dem sich die bisherigen Hypothesen über Wähler und Kandidaten an einem ganz bestimmten Segment des Wahlvolkes abgleichen lassen. Iowa ist kein End-, sondern der Ausgangspunkt, die Wahl dort schließt nichts ab, sondern setzt vielleicht etwas in Gang oder verändert die Richtung des bisherigen Wahlkampfes. Die tatsächlichen Ergebnisse sind dabei mindestens so wichtig wie die erfüllten, übertroffenen oder enttäuschten Erwartungen. All das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man jetzt schneidige Vorhersagen liest, was die Wahl in Iowa für welchen Kandidaten bedeutet.

Die US-Wahl hat begonnen, die Deutungsmaschine läuft

Was also bedeutet Iowa für welchen Kandidaten? Beginnen muss man bei den Republikanern. Erste Lehre: Ja, für Trump, den Mann, der nie, nie, nie verliert, ist die Niederlage ein Rückschlag, aber doch eher peinlich als gefährlich. Es wird Trump zutiefst ärgern, dass seinem goldglänzenden Namen in den nächsten Tagen das hässliche Wörtchen loser beigestellt werden wird. Doch Iowa ist sicher nicht sein Ende.

Trump passt nicht besonders gut nach Iowa - ein mehrfach geschiedener, ideologisch windiger New Yorker Milliardär in einem Staat voller bodenständiger, bibeltreuer, konservativer Christen. Der richtige Mann für diese Wähler ist Ted Cruz, man sollte das Ergebnis daher so sehen: Cruz hat mit seinem Sieg die Minimalanforderung erfüllt, um, wie man so sagt, im Rennen zu bleiben. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Zweite Lehre: Jener Teil der Republikaner, die nicht dem platten, polternden Populismus von Trump oder dem scharfen, frömmelnden Konservatismus von Cruz anhängen, sondern von beiden Extremisten abgeschreckt werden, ist größer als gedacht. 23 Prozent der Stimmen hat Marco Rubio bekommen, also der Kandidat, der noch am ehesten so etwas wie ein Gemäßigter ist. Das ist ein überraschender, sehr solider dritter Platz - freilich hinter zwei Rechtsaußen, die zusammen 52 Prozent der Stimmen erhielten. Bevor man also jetzt plötzlich Rubio zum Favoriten erklärt, sollte der vielleicht zwei, drei Vorwahlen wirklich gewonnen haben. Schafft er das aber in den nächsten Wochen, dann wird man sagen: Iowa war für Rubio der Beginn des Aufstiegs.

Dann die Demokraten. Die dritte Lehre aus Iowa lautet: Jener Teil der demokratischen Anhänger, die vom geldscheffelnden Politkonzern Bill & Hillary genug haben, ist überraschend groß. Noch nicht so groß, dass es Hillary Clinton aus der Bahn werfen könnte. Aber doch so groß, dass jeder zweite Demokrat am Montagabend lieber für einen 74 Jahre alten, zerzausten Senator aus Vermont stimmte als für Clinton.

Vor acht Jahren unterlag Clinton in Iowa immerhin noch einem Herrn namens Barack Obama, was ja im Rückblick keine Schande war. Nach dem Zittersieg über Sanders ist klar: Clinton kann es sich vielleicht gerade noch leisten, die Vorwahl nächste Woche in Vermonts eigenwilligem Nachbarstaat New Hampshire zu verlieren, wo Sanders weit vorne liegt. Dann aber müssen große Siege her.

Es gibt Kommentatoren in den USA, die erklären den Erfolg des, wie er sich selbst nennt, "demokratischen Sozialisten" Sanders vor allem bei jungen Leuten damit, dass die eben nicht mehr wüssten, was Sozialismus in der Praxis bedeute. Wahrscheinlich aber stimmt eine andere Deutung: Clinton, die altgediente Kämpferin, die im Lauf ihrer Karriere irgendwie schon für alles und gegen alles gewesen (und nebenbei sehr reich geworden) ist, zieht nicht mehr so wie erhofft. Erfahrung, Kompetenz, Wissen, Ernsthaftigkeit und Ausgewogenheit - das sind Qualitäten, die in diesem Wahljahr wenig zählen. Die Amerikaner haben zweimal den ernsthaften, gebildeten und ausgewogenen Barack Obama zum Präsidenten gewählt. Besonders beliebt ist er bei ihnen nicht mehr. Dieses Jahr sind Dampfplauderer und Haudraufs gefragt.

Von Iowa ziehen die Kandidaten nun nach New Hampshire ins nächste Gefecht. Trump und Clinton hinken ein wenig. Schwer verwundet ist niemand.

© SZ vom 03.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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