USA:Mit zweierlei Maß

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Donald Trump besucht Angehörige der Opfer des Las Vegas-Attentats. Doch anders als bei islamistischen Terrorangriffen hält sich der Präsident in seiner Reaktion auffallend zurück und will erst einmal abwarten.

Von Sacha Batthyany, Washington

In Las Vegas trauern Passanten um die 58 Opfer, die während eines Countrymusik-Konzerts von einem 64-jährigen Rentner aus der Region erschossen worden waren. Unter den Opfern waren viele Familien und Paare. (Foto: Mark Ralston/AFP)

Drei Tage nach dem Blutbad in Las Vegas, bei dem der Schütze Stephen Paddock 58 Menschen tötete und 500 verletzte, sind US-Präsident Donald Trump und First Lady Melania in die Casinostadt nach Nevada gereist. Sie sprachen mit Patienten und Ärzten, später mit Polizisten und Helfern. "Wir sind für euch da", sagte Trump nach einem Besuch im University Medical Center und fügte hinzu, dass er Überlebende des Massakers ins Weiße Haus eingeladen habe. In einer kurzen Rede im Polizeihauptquartier der Stadt lobte Trump den Mut der Helfer. Auf die Frage, ob er offen sei für eine Diskussion über strengere Waffengesetze, sagte er: "Darüber sprechen wir nicht heute."

Trump ist nicht gerade bekannt für seine Empathie und "kein Präsident der Umarmung", wie es das Wall Street Journal ausdrückte. Auf seinen Reisen in die Hurrikan-Katastrophengebiete nach Texas oder jüngst nach Puerto Rico inszenierte er sich als eine Art Sheriff, der nach dem Rechten sieht und versprach, es werde sich bald alles bessern. Der Hurrikan habe "unser Budget ein bisschen durcheinandergebracht", sagte Trump in Puerto Rico am Dienstag - und wurde für seine wenig mitfühlenden Worten prompt kritisiert.

Nach der verheerenden Schießerei will Trump erst einmal abwarten

Kritik gab es auch für Trumps abwartende Haltung was strengere Waffengesetze betrifft. Sie stehe im Gegensatz zu seinen Übersprungshandlungen, wenn es sich um ein islamistischen Terrorangriff handle, schrieb der Kolumnist Thomas Friedman in der New York Times. Nach dem Attentat 2015 in San Bernardino, Kalifornien, bei dem 14 Menschen ums Leben kamen, forderte Trump ein Einreiseverbot für sämtliche Muslime. Nach der Terrorattacke in London im Juni dieses Jahres schrieb er auf Twitter, es brauche "zusätzliche Sicherheitsstufen". Doch nun, nach dem tödlichsten Massaker in der Geschichte der USA, will Trump erst einmal abwarten.

Die Republikaner hatten schon in der Vergangenheit sämtliche Vorstöße für mehr Waffenkontrollen blockiert und sich geweigert, etwas gegen die Waffenepidemie in den USA zu unternehmen. Anders klang es bei den Demokraten in diesen Tagen. Es sei "unsere moralische Verpflichtung", etwas zu unternehmen, schrieb Fraktionsführerin Nancy Pelosi in einem offenen Brief. "Gerade jetzt, da der Präsident mit den Opferfamilien spricht und Eltern besucht, die ihre Kinder verloren haben, ist es Zeit, über Waffen zu sprechen", sagte Jacky Rosen, demokratische Abgeordnete aus Nevada.

Unterdessen werden immer mehr Details über den Schützen und die Tat bekannt, nur Paddocks Motiv bleibt nach wie vor unklar. Seine Freundin Marilou Danley, 62, soll sich Medienberichten zufolge während des Attentats auf den Philippinen aufgehalten haben, wohin Stephen Paddock nur Tage vor dem Massaker 100 000 Dollar überwiesen haben soll. Danley wurde mittlerweile vom FBI in Los Angeles vernommen. Gemäß ihrem Internetprofil arbeitete Danley von 2010 bis 2013 in einem Casino als Kellnerin und Hostess, wo sie Stephen Paddock, einen guten Kunden und regelmäßigen Spieler, kennenlernte. Danley zog 2015 bei Paddock ein, in dessen Haus in Reno, der Schütze hatte noch ein weiteres Haus in der Kleinstadt Mesquite. "Es war ein ruhiges und zurückgezogenes Paar", sagen Nachbarn in Reno, die dachten, Paddock sei womöglich krank, "weil er immer zu Hause war".

Stephen Paddock, Sohn des Bankräubers Benjamin Hoskins Paddock, zeitweise einer der meistgesuchten Männer in den USA, hat seine Tat offenbar minutiös geplant. Er hatte mehrere Zimmer ausprobiert, die verschiedenen Festivals studiert, hieß es auf CNN. Das Massaker am Sonntag dauerte gemäß Polizei zwischen neun und elf Minuten. An einzelnen der 23 Schusswaffen, die die Polizei in seinem Zimmer fand, waren Vorrichtungen angebracht, um schneller schießen zu können - in den USA ist das legal zu kaufen. Es gibt Werbefilme, die zeigen, wie man sein halbautomatisches Gewehr mit wenigen Kniffen in Kriegsgeschütze verwandelt. Paddocks Waffen feuerten 800 Schüsse pro Minute ab. Nach jedem dieser Massaker rufen die Kommentatoren, wie krank die Waffenverehrung in den USA doch sei, doch zwei Wochen später scheint alles wieder vergessen zu sein.

Bevor Paddock das Feuer aus dem 32. Stock des Hotels Mandalay Bay auf die Besucher des Konzerts eröffnete, soll er Videokameras im Flur des Hotels installiert haben. "Vermutlich wollte er über sich nähernde Sicherheitsleute im Bild sein", sagte Sheriff Joseph Lombardo. Als die Polizei das Zimmer Nummer 32135 stürmte, war Paddock, dem ein Arzt vor Wochen Valium verschrieben haben soll, tot. Nachdem er wahllos in die Menge geschossen hatte, hatte er sich das Leben genommen.

© SZ vom 05.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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