USA:Jagd auf Sponsoren des Terrors eröffnet

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Der Kongress überstimmt ein Veto von Präsident Obama. Der hält das für einen schweren Fehler. Es ging um ein Gesetz das ermöglicht, Staaten zu verklagen.

Von Sacha Batthyany, Washington

Für Barack Obama war es eine Premiere und gleichzeitig eine Demütigung. Vier Monate vor Ende seiner Amtszeit wurde erstmals ein Veto des amtierenden US-Präsidenten vom Kongress überstimmt. Die benötigte Zweidrittelmehrheit in beiden Parlamentskammern erreichten die Abgeordneten problemlos. Ausnahmsweise waren sich Republikaner und Demokraten einig. Der Senat stimmte 97 zu 1, das Repräsentantenhaus 348 zu 77.

Hintergrund dieser Klatsche für den Präsidenten ist ein Gesetz, das es Angehörigen von Opfern der Terroranschläge am 11. September 2001 ermöglicht, Saudi-Arabien wegen staatlicher Unterstützung von Terrorismus zu verklagen. Das saudische Königreich, offiziell Verbündeter der USA, hat stets jede Mitverantwortung für die Angriffe der Terrorgruppe al-Qaida vor 15 Jahren zurückgewiesen. Ganz so eindeutig war die Rolle Riads bei den Anschlägen jedoch nie. 15 der 19 islamistischen Selbstmordattentäter waren saudische Staatsbürger.

Um die "Saudi Connection" ranken sich seit der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts zu 9/11 im Jahr 2002 hartnäckige Verschwörungstheorien. Darin ließ der damalige Präsident George W. Bush die Passagen über Saudi Arabien als vertraulich einstufen. Bekannt wurden die zensierten Stellen unter dem Namen: "Die 28 Seiten". Weder die CIA noch das FBI konnten saudischen Regierungsstellen eine Unterstützung der Terroristen nachweisen. Die 9/11-Kommission urteilte in ihrem Abschlussbericht 2004, Saudi-Arabien sei nicht aktiv am Anschlag beteiligt gewesen, habe aber "weggeschaut", als saudische Stiftungen, aber auch Regierungsvertreter, entweder bewusst oder fahrlässig, Geld für Terroristen spendeten.

Die Familien der Opfer drängen darauf, die Drahtzieher zur Rechenschaft zu ziehen

Familien von 9/11-Opfern dringen seit Jahren darauf, die Drahtzieher der Anschläge, bei denen etwa 3000 Menschen starben, zur Rechenschaft zu ziehen. Obama äußerte zwar sein "tiefes Mitgefühl" mit den Opfern der Anschläge, betrachtete aber das Gesetz "Justice Against Sponsors of Terrorism Act" (Jasta), gegen das er sein Veto einlegte, welches nun überstimmt wurde, als "schädlich für die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten". Zu Recht fürchtet der Präsident Klagen anderer Länder wegen des Vorgehens amerikanischer Soldaten oder US-gestützter bewaffneter Milizen. So könnte etwa amerikanisches Militärpersonal wegen der umstrittenen Drohneneinsätze in Afghanistan und Pakistan von ausländischen Gerichten belangt werden. "Das Gesetz schafft einen gefährlichen Präzedenzfall", so Obama. Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, nannte die Abstimmung im Senat "das Peinlichste", das die Legislative in Jahrzehnten getan habe.

Im Frühjahr, bei Obamas mutmaßlich letztem Besuch bei König Salman in Riad, wurde schon deutlich, dass sich das Verhältnis zwischen den USA und ihrem traditionell wichtigsten arabischen Verbündeten abgekühlt hat. Auf die Frage eines Journalisten des US-Magazins The Atlantic, ob die Saudi-Araber noch "Freunde" seien, antwortete Obama damals mit den Worten: "Es ist kompliziert."

Das Nuklearabkommen mit Iran, das Obama zu seinen wichtigsten außenpolitischen Erfolgen zählt, verleiht dem Erzfeind der Saudis in der Region neuen Auftrieb. "Saudis und Iraner müssen lernen, in der Nahost-Region als Nachbarn zu koexistieren", meinte Obama. Zur Entfremdung zwischen Riad und Washington kommt hinzu, dass die USA durch Fracking nicht mehr wie früher angewiesen sind auf saudisches Öl. Die USA erleben in den vergangenen Jahren einen regelrechten Öl- und Gasboom im eigenen Land .

Bei einem Treffen mit Veteranen Mitte der Woche schien Präsident Obama etwas geknickt zu sein über die Niederlage im Kongress, er nannte die Entscheidung der Abgeordneten "einen Fehler". Amerikanische Bürger könnten im Ausland durch das Gesetz Risiken ausgesetzt werden, wiederholte Obama seine Befürchtungen: Was, wenn andere Staaten das Gesetz als Vorwand nutzen, "um US-Diplomaten oder Angehörige von Streitkräften vor Gericht zu bringen?"

Auch der CIA-Chef fürchtet negative Folgen bei der Terrorbekämpfung

Doch Obama wird die Niederlage verschmerzen. Schaut man zurück, ist es nicht unüblich, dass das Parlament ein Veto überstimmt. Ronald Reagan passierte das neunmal, Bill Clinton zweimal. Weniger klar ist, wie das Gesetz das Verhältnis der USA zu Saudi-Arabien beeinflussen wird. John Brennan, Direktor des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, äußerte sich besorgt darüber, wie Saudi-Arabien reagieren wird. "Es wäre eine Schande, wenn dieses Gesetz die Bereitschaft Saudi-Arabiens beeinflusst, weiterhin zu unseren Partnern bei der Terrorismusbekämpfung zu gehören", sagte Brennan. Der demokratische Senator Chuck Schumer, der gegen Obamas Veto gestimmt hat, sagte: "Wenn die Saudis nichts Falsches getan haben, sollten sie das Gesetz nicht fürchten. Wenn sie Mitschuld an 9/11 haben, sollten sie zur Rechenschaft gezogen werden."

Die Regierung in Riad hatte bereits im Frühjahr gedroht, US-Vermögenswerte, etwa Beteiligungen an Immobilien und Banken, von 750 Milliarden Dollar zu verkaufen, sollte das Gesetz rechtskräftig werden. Zudem könnte sie mit ihrem Einfluss im Golf-Kooperationsrat andere Staaten der Region dazu bringen, die Mitarbeit bei der Terrorbekämpfung einzuschränken, Investitionen zu verringern oder den Zugang zu regionalen Luftwaffenstützpunkten zu erschweren.

© SZ vom 30.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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