USA:Hinter dem Horizont verschwunden

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Elf Tage später als angekündigt, nimmt die US-"Armada" samt Flugzeugträger Kurs auf Nordkorea - bluffte Präsident Trump oder war es eine Panne?

Von Hubert Wetzel, Washington

Vom früheren US-Präsidenten Bill Clinton gibt es ein Zitat: "Es ist kein Zufall, dass bei einer Krise die erste Frage in Washington immer lautet: Wo ist der nächste Flugzeugträger?" Clinton meinte das so: Wenn irgendwo auf der Welt eine Krise ausbricht und die Vereinigten Staaten ihre militärische Handlungsfähigkeit beweisen müssen, ist die Entsendung eines Flugzeugträger-Verbandes ein probates Mittel - fünf Dutzend Kampfjets und eine Flotille von Kriegsschiffen machen Eindruck. Und weil die Wege auf See weit und lang sind, schickt man am besten den Träger los, der ohnehin möglichst nahe dran ist am Krisenherd.

Zumindest hat man das so gemacht, als Clinton Präsident war. Heute ist Donald Trump Präsident. Und wie sich nun herausstellt, laufen Flottenbewegungen in der Ära Trump anders ab: Es gibt eine Krise, der Präsident verkündet markig, Amerika schicke "eine Armada". Und nach einer Woche fragt sich die Welt: Wo eigentlich ist der Flugzeugträger?

Der Reihe nach. Vor elf Tagen, am 9. April, teilte das für den Pazifikraum zuständige US-Regionalkommando mit, der Flugzeugträger USS Carl Vinson und seine Begleitflotte aus Zerstörern, Fregatten und U-Booten habe Singapur verlassen und Kurs nach Norden genommen. Das war insofern eine wichtige Nachricht, als "im Norden" von Singapur die koreanische Halbinsel liegt. Dort bereitete der nordkoreanische Dikator Kim Jong-un einen weiteren Nukleartest vor, den Trump verhindern wollte. Die Entsendung der Carl Vinson wurde, zusammen mit getwitterten Warnungen des US-Präsidenten, als Zeichen gewertet, dass Trump zu einem Militärschlag gegen Kim bereit ist.

Einige Beobachter glauben, dass Trump schlicht geblufft hat. Aber das wäre riskant gewesen

Und das war offenbar auch genau der Eindruck, den Trump erwecken wollte. Über Tage ließen US-Vertreter die Welt in dem Glauben, die Carl Vinson sei auf dem Weg zur koreanischen Küste. "Wir schicken eine Armada, sehr mächtig", sagte Trump am 11. April persönlich. "Wir haben Unterseeboote, sehr mächtig, viel mächtiger als der Flugzeugträger."

5000 Kilometer weit weg: Der Flugzeugträger USS Carl Vinson nähert sich jetzt erst Koreas Halbinsel. (Foto: MC3 Shantece Gonzalez/AFP)

Am 15. April veröffentlichte die US-Marine dann ein Foto: ein grauer Stahlkoloss mit der gut lesbaren Kennnummer 70, der sich durch ruhiges, blaues Wasser schiebt, am Horizont ist bergiges Land zu sehen. Wie die Marine mitteilte, handelte es sich dabei um die Carl Vinson - Kennung: CVN-70 -, die die Sundastraße passierte, eine Meerenge zwischen Sumatra und Java. Der Träger, der eigentlich vor Korea erwartet wurde, schipperte also gut 5000 Kilometer von dem Ort entfernt herum, wo er laut US-Regierung hinfahren sollte - noch dazu mit südwestlichem, statt nördlichem Kurs. Am 17. April berichtete die Zeitschrift Defense News darüber.

Was genau die Verwirrung verursacht hat, ist unklar. Einige Beobachter halten es für möglich, dass Trump schlicht geblufft hat, als er von der entsandten Armada redete. Das wäre eine höchst riskante Sache gewesen, denn offensichtlich war die Navy nicht eingeweiht, sonst hätte sie nicht Fotos vom wahren Standort der Carl Vinson veröffentlicht. Flugzeugträger haben den großen Vorteil, dass sie unsichtbar sind, sobald sie hinter dem Horizont verschwinden. Für Militärexperten sind daher genau diese offiziellen Fotos eine der wichtigsten Quellen, um herauszufinden, wo Amerikas Flugzeugträger sich aufhalten.

SZ-Karte (Foto: SZ-Karte)

Auch China, Nordkoreas Verbündeter, müsste den Pazifikraum - seinen Hinterhof - eigentlich so gut im Auge haben, dass es weiß, ob ein US-Flugzeugträger nun im Japanischen Meer oder in der Java-See unterwegs ist. Allerdings hat Peking, wenn es Bescheid wusste, stillgehalten - vielleicht weil auch China keinen weiteren nordkoreanischen Atomtest sehen wollte.

In Washington versuchten Regierungsvertreter, den Wirrwarr mit "Kommunikationsproblemen" zwischen Pentagon und Weißem Haus zu erklären. Das Pazifikkommando soll die Entsendung der Carl Vinson nach Norden zu früh bekannt gegeben haben. Es sei stets geplant gewesen, dass sie zunächst noch an Manövern vor Australien teilnehmen sollte. Das aber klingt kaum glaubwürdig. Denn um Druck auf Nordkorea zu machen, war es ja gerade notwendig zu suggerieren, ein US-Träger habe den Kurs geändert und sei mit voller Kraft auf dem Weg zum Kriseneinsatz. Kim musste daran glauben, dass die Carl Vinson zu ihm unterwegs sei - und zwar am vergangenen Wochenende, als sich der Konflikt zwischen Amerika und Nordkorea zuspitzte, nicht erst Tage später.

Was immer die Wahrheit ist - zuverlässigen Medienberichten zufolge ist die USS Carl Vinson jetzt mit Kurs Nordnordost auf dem Weg nach Korea. Wirklich.

© SZ vom 20.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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