USA:Erbitterter Kampf

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Der Supreme Court berät darüber, ob Texas seine Abtreibungskliniken strenger regulieren darf - ob also schärfere Auflagen rechtens oder Schikane sind. Das Urteil könnte Auswirkungen auf Millionen Frauen haben.

Von Sacha Batthyany, Washington

In den USA wird wieder über das Recht auf Abtreibung verhandelt. Jeder Entscheid ist höchst umstritten, doch in diesem schrillen Wahlkampfjahr ist das Thema wohl noch brisanter als sonst. In dieser Woche befasste sich der Oberste Gerichtshof in Washington mit der Frage, ob ein texanisches Gesetz aus dem Jahr 2013, das Abtreibungskliniken eine strengere Regulierung vorschreibt, gegen die Verfassung verstößt.

Seit drei Jahren müssen in Texas alle Ärzte, die in Abtreibungskliniken arbeiten, an nahe gelegenen Krankenhäusern zugelassen sein; außerdem werden den medizinischen Einrichtungen bauliche Anforderungen auferlegt, die Gegner des Gesetzes als "unverhältnismäßige Schikane" erachten. Schon 19 der 40 Abtreibungskliniken in Texas mussten schließen, was den Kritikern zufolge bedeute, dass abtreibungswillige Frauen weite Fahrten und lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssten. Eine Sprecherin von "Planned Parenthood", einer Non-Profit-Organisation, die in mehr als 700 Kliniken Beratungen zur Familienplanung anbietet, aber eben auch Abtreibungen vornimmt, bezeichnete die Auflagen als "Krieg gegen die Frauen". Einziges Ziel sei es, "das Rad zurückzudrehen".

Der Supreme Court hatte Abtreibungen 1973 nach heftigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen grundsätzlich landesweit erlaubt, doch besonders konservative Staaten haben das nie wirklich akzeptiert. Inzwischen ermöglichen nur noch sieben Bundesstaaten und der Distrikt um Washington Abtreibungen ohne Einschränkungen. Nach Angaben des Wall Street Journal wurden landesweit in fünf Jahren etwa 200 Gesetze verabschiedet, die Abtreibungen erschweren, im selben Zeitraum mussten rund 160 Kliniken schließen.

Bisher urteilten die obersten Richter, Auflagen an Kliniken seien zulässig, wenn sie Frauen keine "übermäßige Belastung" auferlegen. So wollten die Richter am Supreme Court auch diese Woche wissen, wie viele Meilen Frauen in Texas zurücklegen müssten, um die nächste Klinik aufzusuchen. Der als konservativ geltende Richter Samuel A. Alito Jr., von Ex-Präsident George W. Bush nominiert, bezweifelte, dass die Schließungen der Abtreibungskliniken in Texas mit den neuen Auflagen zu tun haben. "Vielleicht fehlte ihnen einfach das Geld", argumentierte er.

Der politische Graben, der das Land spaltet, zieht sich auch durch dieses Thema, nur wird der Kampf um Abtreibung in Amerika noch erbitterter geführt als andere. Seit Jahren kommt es immer wieder auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Aktivisten der "Pro Life"-Bewegung, die Schwangerschaftsabbrüche verteufeln, versperren Ärzten den Zugang, Patienten werden im Internet mit Foto als "Kindermörder" an den Pranger gestellt. Die Sicherheitsvorkehrungen bei Einrichtungen von Planned Parenthood sind enorm. Mitarbeitern wird geraten, kugelsichere Westen zu tragen. Im vergangenen Jahr erschoss der Abtreibungsgegner Robert Dear in einer Klinik in Colorado drei Menschen. Berichten zufolge erklärte er bei ersten Vernehmungen durch die Polizei, Babys sollten "nicht mehr zerteilt" werden.

Während Hillary Clinton, die Favoritin der Demokraten für die Nachfolge von Präsident Barack Obama, sich für das Recht auf Abtreibungen einsetzt, verkündeten sämtliche republikanischen Bewerber, von Marco Rubio bis Donald Trump, Schwangerschaftsabbrüche selbst im Fall von Inzest oder Vergewaltigung verhindern und staatliche Zuschüsse an "Planned Parenthood" streichen zu wollen.

Alle blicken auf Richter Kennedy - ein Konservativer, der schon oft mit den Moderaten gestimmt hat

Das Urteil des Obersten Gerichtshofs im Fall Texas gewinnt nach dem Tod des konservativen Richters und Abtreibungsgegners Antonin Scalia vor einigen Wochen zusätzlich an Brisanz. Von den verbleibenden acht Richtern gelten vier als Befürworter und vier als Gegner. Kommt es zu einem Patt, bleibt das Gesetz in Texas bestehen. Gespannt blicken deshalb alle auf Richter Anthony Kennedy, eigentlich ein Konservativer, der schon mehrfach mit den moderaten Kollegen gestimmt hat und nun den Ausschlag geben könnte. Das Urteil, das Auswirkungen auf Millionen Frauen haben könnte, wird im Sommer erwartet und hat landesweite Bedeutung: Mehrere Bundesstaaten haben bereits angekündigt, ähnliche Beschränkungen erlassen zu wollen wie Texas.

Derweil geht der Streit um die Neubesetzung des vakanten Richterstuhls am Obersten Gerichtshof weiter. Laut Medienberichten gilt Jane Kelly, Richterin am Bundesberufungsgericht, als Barack Obamas Favoritin. Der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell forderte Obama dazu auf, diese Entscheidung dem nächsten Präsidenten zu überlassen. Die Nachfolge Scalias, so McConnell, wird die Richtung des Landes für eine ganze Generation bestimmen.

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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