USA:Dreiste Provinzrichter

Alabama will keine Homo-Ehen zulassen. Das ist juristisch absurd und ein Affront gegen Washington.

Von Hubert Wetzel

Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Provinzposse: Der oberste Richter des US-Bundesstaats Alabama, ein tiefgläubiger Christ, hat die Standesämter angewiesen, keine Trauungen von gleichgeschlechtlichen Paaren vorzunehmen. Die Gesetze des Staates Alabama, so seine Begründung, beschrieben eine Ehe nur als eine Verbindung zwischen Mann und Frau. Der Richter widersetzt sich damit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten in Washington, der voriges Jahr ausdrücklich das Recht aller Menschen auf eine Eheschließung festgestellt und alle Bundesstaaten angewiesen hatte, auch homosexuelle Paare zu verheiraten.

Nun ja, Alabama, könnte man jetzt sagen. Der Südstaat gilt ja ohnehin nicht als Hort des gesellschaftlichen Fortschritts oder Heimat der Hellsten. Forrest Gump stammte aus Alabama, um einen bekannten Sprössling zu nennen. Andererseits: Dass das Bundesrecht in diesem Fall über dem Recht des Bundesstaats steht (und allemal über dem Glauben eines Richters), sollte bis in Alabamas Hauptstadt Montgomery durchgedrungen sein.

Interessanter ist die Sache weniger wegen ihrer juristischen Absurdität als wegen der politischen Dreistigkeit, mit der hier gegen "Washington" Front gemacht wird. In einer Zeit, in der die Risse in der amerikanischen Gesellschaft immer tiefer werden, ist solcher Lokalpatriotismus eine Bedrohung.

© SZ vom 08.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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