USA:Aus Mangel an Gift

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Die Kammer für Erschießungskommandos im Staatsgefängnis von Utah kommt künftig wohl wieder zum Einsatz. (Foto: Trent Nelson/AP)

Der US-Bundesstaat Utah erlaubt Hinrichtungen durch Erschießungskommandos. Auch andere Staaten suchen nach Alternativen zur Giftspritze, weil ihnen die tödlichen Cocktails ausgehen, die immer weniger Firmen zu liefern bereit sind.

Von David Hesse, Savannah

Es ist eine nicht lang vergangene Geschichte, die da wiederkehrt in Utah. Die letzte Hinrichtung durch ein Erschießungskommando fand im Juni 2010 statt: Ronnie Lee Gardner, zum Tod verurteilt wegen Mordes, wollte unbedingt durch Gewehrkugeln sterben. Sein mormonischer Glaube verlange Blutsühne, erklärte Gardner damals - und drohte Utah mit einer Klage, sollte der Staat auf der Giftspritze beharren. Die Behörden zögerten. Erst 2004 hatten sie die Erschießungspraxis wegen anhaltend schlechter Presse eingestellt. Schließlich aber lenkten sie ein. Gardner war schon 1985 verurteilt worden, lange vor dem Erschießungsstopp. Er sollte sein Kommando haben.

Schützen waren rasch gefunden: Fünf Polizeibeamte meldeten sich freiwillig. Gegen Mitternacht wurde Gardner, 49 Jahre alt, in einer eigens eingerichteten Kammer auf einem Stuhl festgezurrt. Links und rechts waren Sandsäcke gestapelt, die Abpraller abfangen sollten. Das Gesicht des Sträflings wurde mit einer Kapuze verhüllt, über seinem Herz eine runde Zielscheibe angebracht. Die Beamten legten an mit Winchester-Gewehren des Kalibers 30, eine der fünf Waffen war mit Platzpatronen bestückt, sodass später niemand eindeutig verantwortlich gemacht werden konnte. Nach kurzem Countdown feuerten die Schützen aus sieben Metern Entfernung. Ein Mediziner prüfte Gardners Puls und Pupillen, dann erklärte er den Mann für tot. "Ronnie Lee Gardner wird nie wieder töten", verkündete der damalige oberste Staatsanwalt der Presse.

Utah aber tötet weiter - wenn es sein muss, dann mit Blei. Am Montag hat der republikanische Gouverneur des US-Bundesstaates, Gary Herbert, ein Gesetz unterzeichnet, das Hinrichtungen durch Erschießungskommandos wieder zulässt. Zwar werden Häftlinge das Gewehr nicht einfordern können; die Giftspritze bleibt Standard. Doch sollten die bewährten Medikamente einmal nicht zur Verfügung stehen, so stünde dem Staat eine Ausweichmethode zur Verfügung. Erschießungen seien vielleicht "ein bisschen grausig", sagte Gouverneur Herbert, doch die Exekutive sei zur Exekution nun einmal verpflichtet. Seine Henker soll niemand stoppen.

Damit ist Utah der einzige der 50 US-Staaten, der Erschießungskommandos zulässt. Oklahoma sieht die Methode nur für den Fall vor, dass die Giftspritze landesweit verboten wird. Alternativen zur Chemie aber sucht man vielerorts: Im Staat Washington kann ein Todeskandidat den Strick erbitten, in New Hampshire behält sich der Staat das Hängen vor. In Oklahoma laufen zudem Bemühungen, eine Gaskammer einzurichten. Und in immerhin acht Bundesstaaten kann der Todeskandidat bis heute wählen, ob er durch Gift oder auf dem elektrischen Stuhl sterben möchte. Sieben Kandidaten haben sich in den letzten zehn Jahren für Strom entschieden; zuletzt wurde 2013 ein Mann in Virginia elektrokutiert. Tennessee will den Stuhl vermehrt einsetzen. Seit vergangenem Jahr darf der Staat Häftlinge auch gegen deren Willen mit Strom hinrichten, wenn keine geeigneten Giftpräparate zur Hand sein sollten.

Der Rückgriff auf solch brachiale Methoden geschieht unter Druck. Europäische Pharmafirmen boykottieren den US-Hinrichtungsbetrieb und liefern keine tödlichen Substanzen mehr. Präparate wie Thiopental und Phenobarbital werden knapp. Manche Bundesstaaten experimentieren mit neuen Medikamentencocktails, mit hässlichen Folgen. In Oklahoma erwachte der Mörder Clayton Lockett voriges Jahr mitten in der Hinrichtung, fing unter Schmerzen an zu sprechen. Erst nach 43 inuten war er tot. In Arizona rang Joseph Wood fast zwei Stunden lang mit dem Tod. Die Kritik an solchen Versuchen am lebenden Häftling wächst. Amerika scheint das Töten verlernt zu haben.

Manche Befürworter der Todesstrafe halten Erschießungskommandos für die Lösung ihrer Probleme. Ausgebildete Schützen könnten dies doch "schneller und anständiger" erledigen als jede Spritze, sagt etwa der Republikaner Paul Ray, der das Gesetz in Utah angeregt hat. Die breite Öffentlichkeit allerdings hat Umfragen zufolge Mühe, Erschießungen als normalen Teil der US-Justiz zu akzeptieren. Diese Art des Tötens verbindet man mit Militärregimen, nicht mit den Vereinigten Staaten, dem Leuchtturm der freien Welt.

Einige Gegner der Todesstrafe begrüßen die Rückkehr zur Brutalität indessen. Nur angesichts solch blutiger Exekutionen, argumentieren sie, werde die Bevölkerung endlich erkennen, dass Hinrichtungen immer barbarisch sind. Die Illusion der sauberen Tötung gehöre zerschmettert.

© SZ vom 25.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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