US-Wahlkampf:Clintons und Kennedys

Lesezeit: 3 min

Die Familienfirma Billary hätte neben den Roosevelts und Kennedys in die Geschichtsbücher eingehen können. Aber es gibt viel Veränderung: Die Erfolge Barack Obamas lassen den amerikanischen Politik-Adel langsam untergehen.

Kurt Kister

Der Zweikampf der Kandidatenkandidaten ist entschieden, das Rennen zwischen Barack Obama und Hillary Clinton de facto vorüber. Von sofort an beginnt das Duell ums Weiße Haus, die Konkurrenz zwischen Obama und John McCain. Noch vor ein paar Monaten erschien es fast als ausgemacht, dass nach acht Jahren Bush kein Republikaner eine Chance haben würde, dem zu Recht unpopulärsten US-Präsidenten der jüngeren Geschichte nachzufolgen.

Die Clintons, die letzten Vertreter einer großen Generation: Obamas Sieg zieht eine Erosion des amerikanischen Politik-Adels nach sich. (Foto: Foto: AP)

Dann aber war zweierlei zu beobachten: Obama und Clinton verstrickten sich in einen immer giftigeren Wahlkampf, der McCains Strategen viel Arbeit abnahm. Manche Clinton-Attacke wird an Obama bis zur Präsidentenwahl im November kleben bleiben - zumal jene, die auf Obamas politische, speziell außenpolitische Erfahrungsdefizite abzielten. Dies hat mit der zweiten Entwicklung der letzten Monate zu tun: Der besonnene, vielfach erprobte Politik-Senior John McCain, 71, wird wahrgenommen als die Erfahrung selbst, als Mr. Experience.

Anrennen gegen das Establishment

Er ist weder der unberechenbare, christlich-nationale Typ wie George W. Bush, noch ist er ein fast unbeschriebenes Blatt wie Obama. Dieses Rennen ist keineswegs gelaufen, auch wenn McCain heute schon zwei Jahre älter ist als Ronald Reagan dies beim Amtsantritt war. Das Duell McCain gegen Obama heißt das Messbare, Herkömmliche, das Sichere gegen die Erwartung, die Hoffnung, die Möglichkeit, das große Gefühl.

Auch Clinton hat vor allem gegen das große Gefühl verloren. Sie hat unterschätzt, welche Emotionen der schwarze Senator aus Illinois wecken kann, aber auch, wie sehr es ihm gegeben ist, seine eigenen Gefühle auf ein Publikum zu projizieren. Politisch unterscheiden sich die beiden Sozialdemokraten amerikanischer Prägung gar nicht so sehr, abgesehen davon, dass Hillary Clinton viel länger im Geschäft ist als Obama.

Schon zu Präsidentenzeiten ihres Gatten hieß es, letztlich hätten die beiden aus politischen Gründen geheiratet. Das ist ein wenig böse, aber nicht falsch. Die Clintons waren auf dem besten Weg dazu, sich im exklusiven Zirkel der politischen Familien Amerikas zu etablieren. Bill Clinton als 42. und Hillary Clinton als 44. Präsident sowie 1. Präsidentin der USA - was für ein Eintrag in die Geschichtsbücher.

Ein Hauptmotiv von Obamas Wahlkampf war das Anrennen gegen das Washingtoner Establishment. Das ist üblich in den USA, von Teddy Roosevelt über Reagan bis zu Bill Clinton haben das etliche getan. Zwischen Montana und New Mexico gilt "Washington" vielen als die große Hure Babylon; gegen das brüllende Selbstbewusstsein der US-Bundesstaaten ist der deutsche Föderalismusstreit ein leises Räuspern.

Als sich Bill Clinton 1991 um die Präsidentschaftskandidatur bewarb, war er der junge Gouverneur des ziemlich hinterwäldlerischen Arkansas, der gegen Washington und die Elite dort zu Felde zog. Dann kamen die Jahre der Macht, aber auch der Hybris. Heute ist die Familienfirma Billary die Verkörperung des Berufspolitikertums, der Washingtoner Elite. Der Ex-Präsident ist einer der bestbezahlten, weitest gereisten Redenhalter dieser Welt; die Senatorin war eine fleißige Politikerin, bevor sie den von ihr empfundenen Anspruch aufs Weiße Haus einlösen wollte.

Der letzte Kennedy

Dass das nicht klappen soll, hat die beiden zutiefst erzürnt. Bei Bill Clinton traten manche Charakterzüge zu Tage, die man aus den dunkleren Zeiten seiner Präsidentschaft kannte. Auch die öffentliche Auseinandersetzung darüber wurde zum Déjà-vu-Erlebnis. Gerade ist in Vanity Fair eine lange Geschichte darüber erschienen, wie sich der Ex-Präsident mit zweifelhaften Leuten und jüngeren Frauen an entfernten Orten benommen haben soll. Die Frauen, die Leute und die Orte sind heute anders als 1994, aber sonst gibt es im Westen nichts Neues.

Obamas Sieg gegen die Clintons und damit auch gegen das Establishment der Demokratischen Partei hat Bedeutung weit über das unmittelbare Ergebnis hinaus. Schon jetzt wogt die Debatte darüber, ob es richtig, gar gerecht ist, dass es wieder nur ein Mann werden wird, wenn auch vielleicht erstmals kein weißer Mann mehr.

Haben also die Frauen, linke wie rechte, wieder einmal verloren, obwohl die Chance diesmal so groß war? Als Bill Clinton Präsident war, haben viele Hillary, auch sie sich selbst, in einem Atemzug mit Eleanor Roosevelt genannt, der feministischen Frau des Kriegspräsidenten. Die hätte damals wirklich keine Chance gehabt. Nun ja, heute gibt es in Amerika zwar Carrie Bradshaw und Ali McBeal im Fernsehen, aber regierende Frauen hat man eher im alten Europa.

Es ist nur ein dummer Zufall: Zur gleichen Zeit, da die Clintons, Amerikas neureiche First Family, ihren Rückschlag erleiden, liegt der Patriarch von Amerikas alter sozialdemokratischer First Family darnieder. Der 76-jährige Senator Ted Kennedy musste sich einer Gehirnoperation unterziehen, und erstmals in der Geschichte der Kennedys scheint es niemanden zu geben, der das politische Erbe antreten kann. Gerade die Amerikaner in all ihrer Individualität sind von dieser Form des US-Adels, des alten wie des neureichen, fasziniert. Am Rande der Präsidentschaftskampagne kann man auch die Erosion dieses Adels beobachten. Es gibt viel Veränderung.

© SZ vom 04.06.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Wissen, wann es reicht
:Es ist Zeit zu gehen

Nach den US-Vorwahlen in Indiana und North Carolina denkt Hillary Clinton noch lange nicht ans Aufhören. Obwohl sie keine Chancen mehr als US-Präsidentschaftskandidatin hat. Sie ist nicht die einzige Politikerin, die nicht weiß, wann es reicht. Eine Bildergalerie derer, die nicht wissen, wann es vorbei ist

Jetzt entdecken

Gutscheine: