US-Präsident und Europa:Barack Hussein und der Nahe Osten

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Im Nahen Osten betritt der neue US-Präsident heikles Terrain: Er will im Atomkonflikt auf Iran zugehen und riskiert Streit mit Israel.

Tomas Avenarius und Thorsten Schmitz

Der "neue Nahe Osten" gehört zu den schwierigsten Hinterlassenschaften des Anti-Terror-Kriegers George W. Bush. Die USA führen Krieg im Irak und in Afghanistan, die arabische und islamische Welt ist radikalisiert, der weltweite Öl-Bedarf steigt.

Amerikanische Soldatinnen im afghanischen Stützpunkt Bagram jubeln vor dem Fernseher über den Wahlsieg Obamas. (Foto: Foto: Reuters)

Und den USA schlägt flächendeckend Ablehnung entgegen. Barack Obama gibt sich daher gesprächsbereit mit dem Erzfeind Iran, will zudem die US-Armee in eineinhalb Jahren aus dem Irak abziehen. Er trägt mit dem Mittelnamen "Hussein" sogar einen muslimischen Vornamen. Das wird aber angesichts der vielen Krisenherde nicht reichen für eine neue Nah- und Mittelostpolitik.

Ganz oben auf der Problemliste steht Iran: Angeblich kann Teheran in spätestens zwei Jahren Atombomben bauen. Nachdem weder die Androhung militärischer Gewalt noch Sanktionen die Iraner zum Einlenken bei ihrem angeblich zivilen Nuklearprogramm bewegen, hat Obama drei Möglichkeiten. Er kann, wie er es angekündigt hat, einen radikalen Neuanfang versuchen: Dann müssten alle Fragen auf den Tisch. Also nicht nur das Nuklearprogramm und das Hegemonialstreben der Golf-Macht Iran, sondern auch ein Ende der US-Isolationspolitik gegenüber Teheran. Das würde in den USA und in Israel auf Widerstand treffen.

Eine Alternative wäre es, Irans Atomanlagen zu bombardieren, mit den bekannten Risiken. Der dritte Weg könnte sein, die Perser ihre Bombe bauen zu lassen und Israel und die arabischen Golf-Staaten unter den US-Nuklearschirm zu nehmen. Ein Neuanfang scheint die beste Lösung zu sein, eine Erfolgsgarantie hat Obama aber nicht. Teheran hat erklärt, dass eine Annäherung Irans an die USA nicht auf der Agenda steht.

Besorgte Anrufer

Genau davor aber fürchtet man sich in Israel. Bereits Wochen vor dem Wahlsieg Obamas nahmen Mitarbeiter des israelischen Außenministeriums Kontakt zu Obamas Entourage auf - aus Sorge. Außenministerin Tzipi Livni, so berichten israelische Medien, habe sich Klarheit verschaffen wollen, wie ernsthaft Obama nach einem Sieg den Dialog mit Teheran suchen würde.

In Jerusalem ist man besorgt darüber, dass Obama mit den Iranern reden könnte ohne die Vorbedingung, dass sie ihr Atomprogramm zunächst stoppen. Davon abgesehen aber, sagte ein Mitarbeiter im Außenministerium am Mittwoch, sehe man der Zusammenarbeit mit Obamas Regierung zuversichtlich entgegen. Es würden keine großen Veränderungen in der Nahost-Politik erwartet. Der Friedensfahrplan des Nahost-Quartetts sei das einzig gültige Konzept zur Versöhnung zwischen Israel und den Palästinensern.

Auch im Irak hat Obama wenig Spielraum: Der von ihm angekündigte Truppenabzug ist nur möglich, wenn der Irak eine starke Zentralregierung hat und eine Armee, die Sicherheit garantiert. Sollte das Land 2010 noch instabil sein, ist ein Totalabzug unrealistisch. Den Irak befrieden können die USA zudem nur, wenn die Nachbarn Iran und Syrien mitspielen. Ein begrenzter Truppenabzug erscheint jedenfalls wahrscheinlich. Allerdings müsste Bagdad das von Bush ausgehandelte Stationierungsabkommen unterschreiben.

Im Libanon gewinnt derweil die anti-israelische Hisbollah im Schulterschluss mit Syrien und Iran immer mehr Macht; auch Staatschef Michel Suleiman betreibt eine Annäherung an Syrien. Prowestliche Kräfte verlieren an Boden. Obama könnte die islamistische Hisbollah nur einbinden, wenn er sich von Israel abwenden würde - was undenkbar ist. Realistisch wäre es, die innerlibanesische Rolle der Hisbollah anzuerkennen, sie aber von Angriffen auf Israel abzubringen. Dazu müsste Obama Jerusalem aber dazu bewegen, israelisch besetzte Gebiete an den Libanon zurückzugeben.

Eine Schlüsselrolle spielt Syrien. Präsident Baschar al-Assad ist einerseits interessiert an Friedensgesprächen mit Israel. Er gibt aber andererseits den Verbündeten Irans. Um Assad aus dieser Allianz zu lösen, müsste Obama einen Frieden zwischen Israel und Syrien vermitteln. Und eng verknüpft mit der anti-westlichen Politik Irans und Syriens ist das Palästina-Problem. Um den Nahen Osten also zu befrieden, müsste der neue Präsident im Weißen Haus das amerikanische Verhältnis zu Israel überprüfen. Er müsste engste Beziehungen zu Israel pflegen, aber nicht jedes Verhalten der einzigen Nahost-Atommacht gegenüber den Arabern dulden. Frieden in Palästina und mit Syrien bleiben Grundvoraussetzungen für Stabilität.

Israels Außenministerin Livni und Oppositionsführer Benjamin Netanjahu sprachen am Mittwoch davon, die enge Zusammenarbeit mit den USA fortzusetzen. Die von Israels Medien aufgegriffene Meldung einer libanesischen Zeitung, wonach Obama Palästinenserpräsident Machmud Abbas und Regierungschef Salam Fajad Unterstützung für deren Anspruch auf Ost-Jerusalem zugesagt habe, wurde noch vor der Wahl von Obamas Nahost-Berater Dennis Ross dementiert. Obama habe den Palästinensern nichts versprochen.

Die palästinensische Autonomiebehörde hielt sich mit Äußerungen über Obamas Sieg zurück. Aber es ist ein offenes Geheimnis, dass sich Abbas von Obama mehr Engagement verspricht. Der israelischen Bevölkerung dagegen wäre ein neuer US-Präsident McCain lieber gewesen. Die radikal-islamische Hamas wiederum kommentierte Obamas Sieg knapp und deutlich: Es mache keinen Unterschied, McCain und Obama seien gleich schlecht für das palästinensische Volk.

© SZ vom 06.11.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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