US-Demokraten in der Mehrheit:Die Konterrevolution

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Stark genug für einen Kurswechsel: Auch in Senat und Repräsentantenhaus können die Demokraten ihre Mehrheit deutlich ausbauen. Die "konservative Revolution" von 1994 ist überwunden.

Reymer Klüver

Durchaus als historisch lässt sich die Erfolgswelle für die Demokraten bezeichnen, die den Sieg Barack Obamas bei den Wahlen für den Senat, für das Repräsentantenhaus und für Gouverneursposten begleitet hat. Das letzte Mal, dass die Partei in zwei Kongresswahlen hintereinander zulegen konnten, war in der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er-Jahre.

Die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, auf einer Wahlparty in Washington mit Senator Chuck Schumer (links) und dem Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid. (Foto: Foto: Reuters)

Die Macht zum Kurswechsel

Im Kongress halten die Demokraten nun Mehrheiten, die ihnen die Möglichkeit eröffnen, grundsätzliche Kurswechsel durchzusetzen - etwa beim Kampf gegen den Terror und bei den Kriegen im Irak und in Afghanistan, bei der Klimapolitik, in Bürgerrechtsfragen und in der Wirtschaftspolitik.

Im Senat eroberten die Demokraten mindestens fünf weitere Sitze, vier waren am Mittwochmorgen amerikanischer Zeit noch immer nicht ausgezählt. Damit kämen sie auf mindestens 56 Sitze (zwei Mandate unabhängiger Senatoren mitgerechnet). Im Repräsentantenhaus legten sie mindestens 16 Sitze zu. Fünf Mandate waren noch nicht entschieden. Bisher hatten sie 236 Mandate gehalten, die Republikaner 199.

Damit dürften die Demokraten die Mehrheitsverhältnisse in etwa wiederherstellen, wie sie vor der "konservativen Revolution" von 1994 geherrscht hatten. Damals hatten die Republikaner die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses geholt. Bei den Gouverneurswahlen jagten die Demokraten den Republikanern den Posten in Missouri ab.

Bis zu 58 Stimmen im Senat

Den eindrucksvollsten Wahlsieg im Senat errang der frühere Gouverneur von Virginia, Mark Warner, in seinem Bundesstaat. Er siegte mit 64 Prozent der Stimmen. Das Mandat wurde bisher von den Republikanern gehalten. In North Carolina gelang es Kay Hagan, einer Senatorin im Parlament des Bundesstaats, die bisherige republikanische Amtsinhaberin Elizabeth Dole zu verdrängen.

In New Hampshire besiegte die ehemalige Gouverneurin Jeanne Shaheen den Republikaner John Sununu, der bereits seit zwölf Jahren im Senat saß. In New Mexico und Colorado eroberten die Cousins Tom und Mark Udalls Sitze, deren republikanische Amtsinhaber nicht wieder angetreten waren. Indes gelang es den Demokraten nicht, auch den Minderheitsführer der Republikaner, Mitch McConnell, in Kentucky zu entthronen. Nicht endgültig ausgezählt waren die Rennen in Alaska, Georgia und Oregon.

60-Stimmen-Marke nicht erreicht

Indes hat sich die stille Hoffnung der Demokraten nicht erfüllt, 60 Stimmen in der 100-köpfigen Parlamentskammer zu erringen. Mit dieser Marge kann die Mehrheit im Senat so genannte Filibuster unterbinden. Das ist ein Verfahrenstrick, mit dem die Minderheitsfraktion Gesetzesvorlagen im Senat aufhalten kann. In Georgia lag der republikanische Amtsinhaber Saxby Chambliss mit 50 zu 46 Prozent kurz vor Ende der Auszählung vorn.

So dürften die Demokraten im besten Fall auf 58 Stimmen im Senat kommen - die beiden unabhängigen Senatoren Bernie Sanders und Joe Lieberman mit eingerechnet, die meist mit ihnen gestimmt haben. Zuletzt hatten die Demokraten die 60-Stimmen-Mehrheit 1979 gehalten. Allerdings hoffen sie nun, bei wichtigen Entscheidungen oder bei Abstimmungen über die Besetzung von Richterposten einen oder zwei Republikaner auf ihre Seite ziehen zu können und so ein Filibuster zu verhindern.

Problemfall Lieberman

Spannend dürfte werden, wie die Demokraten mit ihrem einstigen Parteifreund Lieberman umgehen. Er hatte im Wahlkampf den republikanischen Kandidaten John McCain unterstützt. Nicht wenige verlangen, dass ihm Mehrheitsführer Harry Reid nun den politisch einflussreichen Vorsitz im Heimatschutz-Ausschuss des Senats abnimmt. Beide wollen sich noch diese Woche zu einer Unterredung treffen.

Die Wahlen zum Repräsentantenhaus haben die politische Landschaft quer durch den Kontinent noch einmal nachhaltig verändert: In Connecticut verlor der republikanische Kongressabgeordnete Chris Shays - ein offener Kritiker am Rechtsruck John McCains im Wahlkampf - trotzdem sein Mandat. "Das war ein Tsunami im ganzen Land", sagte Shays noch in der Wahlnacht. Damit kontrollieren die Demokraten die Kongresssitze von ganz Neuengland, dem Nordosten der USA. Auch in der Stadt New York halten die Republikaner nun kein Kongressmandat mehr.

In New Mexico im Westen eroberten die Demokraten einen Bezirk, der seit vier Jahrzehnten von den Republikanern gehalten wird. Auch in den Südstaaten waren die Demokraten erfolgreich. In Alabama und in North Carolina nahmen sie den Republikanern jeweils einen Sitz ab. In Virginia setzte sich ein langfristiger Trend zugunsten der Demokraten fort: Sie holten dort ebenfalls weitere zwei neue Mandate.

Die hochfahrendsten Träume der Demokraten erfüllten sich hingegen nicht. Vor allem im Repräsentantenhaus waren ihre Gewinne zwar beachtlich, blieben aber am unteren Ende der Erwartungen. "Wir sind ein bisschen besser durchgekommen, als manche erwartet hatten", sagte der Kongressabgeordnete Tom Cole, der die Abwehrschlacht der Republikaner für die Sitze im Repräsentantenhaus organisiert hat. "Die schlimmsten Tage liegen hinter uns." Das ist zumindest dann richtig, wenn man die Verluste vom Dienstag an den Einbußen bei den Wahlen vor zwei Jahren misst.

In der Trübsal gibt es auch einen kleinen Hoffnungsschimmer für die Republikaner. Im Gegensatz zum Senat konnten die Demokraten im Repräsentantenhaus nicht alle Sitze halten. Drei Mandate, die sie 2006 im Süden, in Texas, Louisiana und Florida geholt hatten, mussten sie wieder räumen. Ein Mandat im konservativen Kansas ging ebenfalls verloren. Eine große Genugtuung blieb den Republikanern jedoch versagt. Sie hatten gehofft, den demokratischen Veteranen John Murtha in Pennsylvania zu kippen, nachdem er seinen Wahlkreis rassistischer Tendenzen geziehen hatte. Murtha indes gewann sicher, auch nachdem in letzter Minute noch Hillary und Bill Clinton persönlich für ihn Wahlkampf gemacht hatten.

Ein zusätzlicher Gouverneur

Bei den Gouverneurswahlen schnitten die Demokraten sehr erfolgreich ab. Sie konnten sieben von elf Gouverneurswahlen für sich entscheiden. Der Erfolg ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da im Jahr 2010 in vielen Bundesstaaten die Wahlkreise neu zugeschnitten werden. Das geschieht mindestens alle zehn Jahre, um die Wahldistrikte der Bevölkerungsentwicklung anzupassen. Dabei werden die Grenzen der Bezirke oft zum Vorteil der in den jeweiligen Bundesstaaten regierenden Partei verschoben. Die Gouverneure haben aufgrund ihres Amtes erheblichen Einfluss auf diesen Prozess.

Der bedeutendste Gewinn für die Demokraten dürfte der Sieg in einem Staat des Südens sein: In Missouri löst der Demokrat Jay Nixon den Republikaner Matt Blunt ab. Mit Erleichterung haben die Demokraten auch die Wiederwahl ihrer Gouverneurin Christine Gregoire im Bundesstaat Washington registriert, die vor vier Jahren mit 133 Stimmen Vorsprung ins Amt gekommen war.

© SZ vom 06.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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